Der weiße Berg 1: Die Zuflucht

Oh Andergast, oh Andergast!

Wie grün sind Deine Wälder?

Du grünst nicht nur, zur Sommerzeit,

nein auch im Winter, wenn es schneit,

Oh Andergast, oh Andergast!

von Reinhard Kotz

 

Die entlegenen Wälder von Andergast verbergen noch manch dunkles Geheimnis. Eines davon ist der Dreh- und Angelpunkt der zweiteiligen Kampagne „Der weiße Berg“, deren erster Teil hier vorgestellt wird.

Ein kurzer Überblick über alles

In Andrafall, einem kleinen, andergastischen Städtchen, findet anlässlich der Hochzeit der Tochter des Freiherrn mit einem Ritter ein großes Fest, verbunden mit einem Turnier, statt. Daher finden sich alle lokalen Helden sowie alle Helden der Lokale hier ein, um sich im fairen oder nicht so fairen Wettstreite zu messen oder um einfach nur am Glücke des jungen Ehepaars beziehungsweise an dessen Freibier Anteil zu haben. Doch die Festveranstaltungen nehmen ein trauriges Ende – gemeint ist hier nicht die Hochzeit –, denn der Freiherrin wird ein wertvolles Kleinod gestohlen. Die Helden können den Täter ermitteln und seiner Spur folgen, die sie tief in den alten Steineichenwald führt. Doch aufgrund eines unerwarteten Naturereignisses (wütender Orkstamm) müssen sie Zuflucht auf einer nahe gelegenen Burg suchen. Die Bewohner sind hier noch hinterwäldlerischer als sonst, und obwohl die Helden freundlich aufgenommen werden, ist doch offensichtlich, dass dieser Ort ein Geheimnis verbirgt. Doch dieses wird erst in der Fortsetzung „Der Fluch von Burg Dragenstein“ gelüftet...

Ein langer Blick über das Wesentliche


Das Abenteuer kann man in 3 Handlungsakte einteilen:

Zu Beginn kommen die Helden zu dem Turnier und können demzufolge an zahlreichen Wettbewerben teilnehmen. Das sind immerhin sechs an der Zahl: Kampf mit Schwert und Schild, Kampf mit Zweihändern, Bogenschießen, Wettlauf, Baumstammwerfen und Lanzenreiten. Die Wettkämpfe sind dabei keine reinen Würfelorgien, sondern werden liebevoll beschrieben. Zahlreiche NSC werden dabei langsam aufgebaut und gewinnen so von Auftritt zu Auftritt mehr an Farbe und an Tiefe. Besonders Prinz „Ekelpaket“ Wendelmir kann hier das ein ums andere mal negativ brillieren. Dabei werden vor allem die starren Standesunterschiede schön veranschaulicht.

Neben den Wettkämpfen gibt es noch kleinere Aufgaben zu erledigen. So kann beispielsweise das Verschwinden diverser Gegenstände aufgeklärt werden. Diese Nebenhandlungen stellen aber keine gleichwertige Handlungsalternative zum Turnier dar, sodass diejenigen, welche nicht an den Wettbewerben teilnehmen, gegebenenfalls mit Unterbeschäftigung rechnen müssen. Etwas lebhafter wird es dann gegen Ende des Turniers, wenn der Diebstahl entdeckt wird. Allerdings wird bei der Suche nach dem Täter der detektivische Spürsinn der Spieler kaum gefordert, da es fast ausschließlich auf zwischenmenschliche Ausdauer ankommt. Sprich: Wenn die Helden nur lange genug herumfragen, dann ist jemanden doch was aufgefallen...

Die Spur des Diebes führt die Helden schließlich in den Steineichenwald. Die Verfolgungsjagd ist gut ausgearbeitet und mit einigen Zwischenbegegnungen gewürzt. Nett ist auch der spätere Perspektivenwechsel vom Jäger zum Gejagten. Die Flucht vor den Orks jedenfalls bietet viel Spannung, sodass keine Langeweile aufzukommen droht. Mir ist allerdings nicht ganz klar, warum der Dieb genau diesen Weg eingeschlagen hat. Und warum die Orks so verbissen darauf sind, die Helden zu jagen, will mir auch nicht in den Kopf...

Den dramaturgischen Höhepunkt erreicht das Abenteuer dann auf der Burg Dragenstein. Es passiert hier zwar nicht sonderlich viel, aber die Spieler werden nach und nach merken, dass hier etwas nicht stimmen kann, ohne zu wissen, was das ist. Hier kann das Abenteuer ungemein an Atmosphäre gewinnen. Allerdings überzeugen mich die Handlungen der Bewohner (wie sie der Autor vorsieht) nicht immer. Denn diese verschweigen beharrlich ihr Geheimnis, obwohl die Helden letztlich ihre einzige Rettung sind. Es stellt aber kein Problem dar, die Handlung so abzuändern, wie sie einem genehm ist.

Das Materielle

Die Aufmachung entspricht einem typischen „DSA“-Buch. Der Text ist gut gegliedert und angenehm zu lesen. Die Bilder sind wieder einmal hervorragend, da sie Szenen aus dem Abenteuer zeigen oder wichtige Personen anschaulich porträtieren. Ein paar mehr hätten es aber schon sein können. Auch die Karten (das Städtchen Andrafall sowie Burg Dragenstein) sind schön anzuschauen und zudem zweckdienlich. Negativ ist mir aber (abermals) aufgefallen, dass es keine Karte von der weiteren Umgebung gibt und das, obwohl das Abenteuer die Helden aus Andrafall hinaus in die Wildnis führt. Trotz der Kritikpunkte, bietet das Abenteuer aber alles, was zum Spielen benötigt wird. Und mit einem Preis von 10,00 Euro darf sich der vorliegenden „DSA“-Band auch zu den günstigen Abenteuerbänden zählen.

Das Immaterielle


Das Abenteuer hat sich zum Ziel gesetzt, Neulingen als Einstieg in das „DSA“-Rollenspiel zu dienen. Diesem Anspruch wird es vollständig gerecht, da ein einfacher, aber spannender Handlungsstrang vorliegt, dem auch Rollenspielneulinge problemlos folgen können, und gleichzeitig auch die Faszination am Rollenspiel gekonnt vermittelt wird. Besonders gut hat mir dabei gefallen, wie das Abenteuer einerseits tief in den aventurischen Hintergrund eintaucht und dabei das Flair des Rollenspiels einfängt, die Geschichte andererseits aber nicht mit zu viel Hindergrundwissen und Einzelinformationen überfrachten wird. Eine optimale Spielbarkeit ist somit gewährleistet. Zumal das Abenteuer leserfreundlich präsentiert und mit zahlreichen Tipps für den Spielleiter angereichert wird, sodass selbst Spielleiterneulinge keine großen Probleme mit dem Leiten haben dürften. Klasse ist auch das Geheimnis um die Burg Dragenstein, über das ich allerdings nichts erzählen kann, ohne zu viel zu verraten. So viel sei aber gesagt: Die Möglichkeiten der Phantasie werden voll ausgenutzt!

Abschließend noch ein paar Worte für den erfahrenen Rollenspieler. Abgesehen von dem Geheimnis um Burg Dragenstein wird hier nichts Neues geboten. Turnierabenteuer dürften Veteranen zu Genüge vertraut sein und zudem (vor allem nach „Esche und Kork“) ihren Reiz weitgehend verloren haben. Gleiches kann man wohl auch über die Verfolgungsjagden sagen. Zu bemängeln sind ferner einige logische Schwächen. So werden für meinen Geschmack manche „Dinge“ nicht ausführlich genug durchdacht. Zwar sind das keine Spiel zerstörenden Mängel, da man sich ja auch selbst so seinen Gedanken machen kann, allerdings hätte ich mir gelegentlich schon den ein oder anderen Satz als Erklärung gewünscht. Trotz dieser Kritikpunkte ist „Die Zuflucht“ ein rund um gelungenes Abenteuer, das ich gerne in meinem Bücherregal stehen habe, da es einen idealen Start ins Heldenleben ermöglicht.

Fazit: Für Einsteiger absolut empfehlenswert, aber auch für Veteranen allemal einen Blick wert.


Die Zuflucht (Der weiße Berg 1)
Abenteuerband
Florian Don-Schauen
Fantasy Productions 2007
ISBN: 978-3-89064-207-9
56 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 10,00

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