von Sabine Dingeldein
Auch im zweiten Teil von Claudia Kerns Trilogie „Der verwaiste Thron“ versuchen die Fürstenkinder Ana und Gerit von Somerstorm getrennt voneinander, ihr Land vor der Zerstörung durch die Nachtschatten und anderer verfeindeter Fürsten zu retten. Erst seit wenigen Tagen reist Ana von Somerstorm ohne ihren Leibwächter Jonan, nachdem sie während eines Kampfes gegen einige Nachtschatten feststellen musste, dass ihr treuer Begleiter selbst zu diesen Kreaturen gehört. Hals über Kopf floh sie nach dieser Entdeckung und versteckte sich, wie in all den Wochen zuvor, in den Wäldern jenseits der Straße. Wenn sie sich doch einmal in die Nähe einer Siedlung oder eines Gasthauses traute, erzählt man ihr von den fürchterlichen Kämpfen, die das Land seit dem Sturm auf Burg Somerstorm aufzehren. Selbsternannte Krieger ziehen durch die Ländereien und schlachten reihenweise harmlose Bauern ab, denn nur indem man sie häutet, sollen Nachtschatten sicher zu erkennen sein. Sie tragen ihr Fell innen, sagt man.
Während eines fürchterlichen Gewitters traut sich Ana doch einmal in ein kleines und nur wenig besuchtes Gasthaus. Dort schließt sie sich einer Gruppe Reisender an, die in die gleiche Richtung wie sie weiterreisen wollen. Doch kurz nach ihrem Aufbruch gerät die Gruppe in den Hinterhalt von Sklavenhändlern, die einen Teil der Gruppe töten und Ana und einige ihrer Mitreisenden gefangen nehmen. So landet Ana schließlich in Srzanizar, von wo aus sie als Sklavin weiterverkauft werden soll. Ihre lange und beschwerliche Reise scheint hier zu Ende, denn eine Flucht aus eigener Kraft ist ihr unmöglich.
Jonan jedoch hat Anas Fährte nie verloren. In sicherem Abstand folgt er der Fürstentochter, deren Leben er weiterhin mit seinem eigenen zu verteidigen bereit ist. Hilflos muss er mit ansehen, wie die Fürstentochter in Gefangenschaft gerät und nach Srzanizar gebracht wird. Gerade als er Ana befreien möchte, beginnt ein Trupp Nachtschatten die Stadt zu stürmen. So muss er sich damit begnügen, ihr weiterhin zu folgen, denn die Sklavenhändler schaffen es, ihre Ware noch rechtzeitig mit einem Boot aus der Stadt zu retten, um sie dann in Charbont zu verkaufen.
Nachdem Gerit hingegen viele Wochen in Gesellschaft der Nachtschatten gelebt hat, beschließt er eines Abends, die Gruppe zu verlassen. Längst hat er bemerkt, dass er kein vollwertiges Mitglied der Kriegertruppe ist und immer wieder flammen Streitigkeiten zwischen den Anführern Schwarzklaue und Korvellan auf. Eines Morgens, nachdem er ein weiteres dieser Streitgespräche zwischen den beiden Kontrahenten belauscht hat, bleibt er alleine am Ufer des Großen Flusses zurück. Scheinbar ziellos beginnt er seinen Weg durch die Länder, bis ihn seine Reise schließlich zurück nach Somerstorm und erneut in die Gesellschaft von Nachtschatten führt. Als Burgverwalter versucht er nun, zumindest teilweise Einfluss über die Verwaltung der Ländereien seiner Eltern zu gelangen. Eine unerwartete Entdeckung in einer der Minen scheint Gerits Schicksal erneut ins Ungewisse zu lenken.
Claudia Kerns zweiter Teil der Trilogie „Der verwaiste Thron“ schließt nahtlos an das Ende des ersten Teils an. Anders als der erste Teil wirkt die Geschichte diesmal flüssiger, viele der Charaktere sind schlüssiger konzipiert. Vor allem die Charaktere Ana und Gerit vollziehen im Vergleich zu Teil eins eine bemerkenswerte Entwicklung, die sie wesentlich facettenreicher und weniger vorhersehbar macht. Viele der Handlungen, die im ersten Teil erst vorbereitet wurden, finden hier nun ihre Erfüllung, was der gesamten Geschichte mehr Fahrt verleiht und sie wesentlich spannungsreicher und kurzweiliger macht.
Als negativ möchte ich bewerten, dass die Rolle des Gelehrten Craymorus weiterhin unklar bleibt. Obwohl ihm im Roman inzwischen ein nicht unerheblicher Raum in Form mehrerer, nicht gerade kurzer, Kapitel zur Verfügung gestellt wird, existiert er auch in diesem Teil der Trilogie vollkommen losgelöst vom Rest der Geschichte und wirkt gänzlich deplaziert. Allerdings kann man am Ende dieses Romans zumindest hoffen, dass er im dritten und somit letzten Teil auf irgendeine Weise doch noch in die Handlung finden wird.
Fazit: Trotz des kleinen „Makels“ der von der Handlung scheinbar komplett losgelösten Figur des Craymorus möchte ich auch für diesen Teil von Kerns Fantasy-Trilogie eine Empfehlung aussprechen, denn trotz des beinahe klassischen Themas (böse Kreaturen bedrohen irgendein Königreich und die Helden brechen auf, um es zu retten) gelingt es Kern, viele neue und erfrischende Elemente einzubringen und voll auszugestalten.
Verrat. Der verwaiste Thron 2
Fantasy-Roman
Claudia Kern
Blanvalet 2008
ISBN: 978-3-442-24421-8
409 S., Taschenbuch, deutsch
Preis: EUR 13,00
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