Der Schädelschmied

Das bekannteste Ermittlerteam des IAIT wird nach Barlyn entsandt, um aus diplomatischer Gefälligkeit die Untersuchung eines Tathergangs mit Todesfolge zu übernehmen. Mord in einem von innen verschlossenem Raum. Diese Ausgangssituation ist wie geschaffen für M.H. und Jorge, um einmal mehr detektivisches Gespür und kriminologische Finesse in die Waagschale zu werfen. Der Schädelschmied will gefunden werden.

von Lars Jeske

 

 

In der abgelegenen Zwergenstadt Barlyn wird am Vorabend der Bilanzabgabe der zuständige Minister in seinem Büro tot aufgefunden. Die Tür als einziger Ausgang ist von innen verriegelt, da kommt nur ein Selbstmord in Frage. Aber mit unzähligen Stahlnägeln im Hinterkopf? Als Meister Hippolit nach größtem bürokratischem Aufwand endlich den Tatort inspizieren darf, entdeckt er thaumaturgische Energie. Sein Interesse ist geweckt und sein Ergeiz entfacht, die Tat lückenlos aufzuklären. Der Tathergang an sich scheint klar und es deutet alles auf einen Selbstmord hin. Wären da nicht kleine Ungereimtheiten.

Zudem gibt es bei diesem Fall zu allem Überfluss einen Wettbewerb bezüglich der Nachforschungen durch verschiedene Ermittler, denn die Zwerge wollen den Fall gründlich aufgeklärt wissen. Neben M.H. und Jorge wird deren alter Bekannter Glaxiko zu Rate gezogen, ebenso wie der dem Leser bis dato unbekannte Meisterermittler Oskulapius samt Assistenten Rekten. Oskulapius ist M.H. jedoch mehr als bekannt und durch deren gemeinsame Vergangenheit ein Dorn im Auge. Durch die ganze Ermittlungsarbeit wird die Sachlage immer verworrener und es erschließen sich ständig neue Möglichkeiten des Tathergangs. Ein Höhlenmonster, Selbstmord, eine hypnotische Verzauberung, verzweifelte Witwen oder der Auftrag eines designierten Nachfolgers auf diesen überaus wichtigen Posten? Nichts scheint perfekt zu passen und dann waren da noch die fingergroßen Löcher in der Zimmerdecke. Eigentlich groß genug für Stahlnägel ...

Auch im dritten Fall von Meister Hippolit und Agent Jorge gelingt es dem Autorenduo Jens Lossau und Jens Schumacher spielend Spannung aufzubauen. Der Fall „Der Schädelschmied“ ist verzwickt und der Leser giert der Auflösung stetig entgehen, während er alle Finten und Köder schluckt. Ein altbekannter dramaturgischer Kniff, der dennoch gut funktioniert. Zudem ist das Setting für die beiden neu. Nach Elben und Orks wird nun das Volk der Zwerge vorgestellt und deren Lebensgewohnheiten und Bräuche quasi zu einem (quint)essenziellen Bestandteil der Handlung. Dadurch gibt es wenige Wiederholungen und viele Neuigkeiten aus dem hiesigen Weltenentwurf.

Sinnvollerweise sollte man „Der Elbenschlächter“ und „Der Orksammler“ gelesen haben, wenn man den Werdegang und die Beziehung von Jorge und Hippolit verstehen möchte. Da prinzipiell auf Wiederholungen verzichtet wird, kommt man anderenfalls den beiden Handlungsträgern nur schwer näher, da Vergangenes nur kurz gestreift und die Art der Beziehung zwischen den beiden weitestgehend nicht thematisiert wird. Dieses Wissen wird vorausgesetzt und stellt die berühmten 5% mehr Lesegenuss für die Kenner der Serie dar; hier würde ich diesen Mehrwert sogar bedeutend höher beziffern. Dennoch weiß „Der Schädelschmied“ auch ohne dieses zusätzlich angelesene Wissen zu überzeugen und ist für Neueinsteiger der Reihe lesenswert. Bitte mehr davon!

Ein Novum ist die Konkurrenz für die Ermittler. Während Glaxiko nur müde belächelt wird, hat Oskulapius gute Ansätze und wirkt zusammen mit seinem Assistenten nicht nur wie der perfekte Gegenspieler, sondern beide erinnern auch vage an Holmes und Watson. Hippolit und Jorge bleiben hingegen bei der eingespielten Methode der Aufgabenteilung von Verstand und schlagkräftigen Argumenten. Eine Kombo, die bestens bewährt ist, kann Jorge M.H. doch aus dem Gröbsten heraushalten und mitunter dessen scharfem Verstand den entscheidenden anderen Blickwinkel und Denkanstoß offenbaren, um ein Rätsel zu lösen.

Ebenfalls hervorzuheben ist, dass Fantasyrassen für Sdoom immer gegen den Strich gebürstet werden und mehr als unübliche Charakteristika aufweisen. In dieser Welt sind etwa Elben zu Strichern und Junkies verkommen. Bei den Zwergen verhält es sich nicht anders. Auch diese werden ihrer bekanntesten Attribute entledigt. Aber gelang es den Autoren verglichen mit den Elben noch einen draufzusetzen? Durchaus. Gleich von Anfang an beschleicht den Leser eine gewisse Vertrautheit und ziemlich schnell wird klar, dass den Zwergen das schrecklichste Los überhaupt zuteil geworden ist: Sie werden deutsch.

Um das Bild der Deutschen abrundend zu vervollständigen darf konsequenterweise auch nicht der Verweis auf die braune Zeit fehlen. Die Notwendigkeit der hier offerierten Impertinenz ist hingegen stark übertrieben oder zumindest von zweifelhaftem Ruhm. Da eben dieses historische Erbe nicht ausgespart wird, ist das Urteil für „Der Schädelschmied“ schwierig. Auf der einen Seite ist es eine humorvolle Charakterisierung, wie wir Deutschen sind und waren. In vielen Anspielungen, Nuancen oder direkten Vergleichen wird uns ein Spiegel vorgehalten. Nichts wird geschönt, jedoch glücklicherweise überspitzt dargestellt. Auf der anderen Seite kann man dieses auch falsch verstehen und eben in den dunklen Stollen der Zwerge nicht nur dunkle, sondern in diesem Fall sogar unangenehme braune Schatten entdecken. Dann bleibt als bitterer Beigeschmack die nicht allzu subtile Anspielung auf Germania und die braune Gesinnung, die in rudimentärer Gestalt lose als strukturelles Weltkonzept nicht nur für Berlin, äh Barlyn herhalten muss. Ungünstigerweise gerade wieder aktuell, erklärt sich einem die Notwendigkeit dieser in den Fokus geschobenen Lebensweise nicht. Selbst für humoristisch orientierte Werke, wie diese Fantasy-Reihe verstanden werden will, ist dies absolut unnötig und wirkt eher verstörend als hilfreich. Heil Hindrych und den Barlyner Hirten.

Fazit: Mit „Der Schädelschmied“ gelingt es Lossau und Schumacher auch in einem Setting rund um die Zwerge eine glaubhafte und gut durchdachte Story abzuliefern, die einen passenden Rahmen für einen weiteren Fall der IAIT-Agenten Hippolit und Jorge bietet. Kurzweilige Fantasy, die zwar humoristisch bei Weitem nicht an die Vorgänger herankommt, insgesamt sich jedoch von der Story her nicht hinter diesen verstecken muss. Das Setting ist hier allerdings erstmalig Geschmackssache.


Der Schädelschmied
Fantasy-Roman
Jens Lossau & Jens Schumacher
Egmont-LYX 2011
ISBN: 978-3-8025-8456-5
350 S., Taschenbuch, deutsch
Preis: EUR 9,99

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