Der Herr der Ringe – Das Kartenspiel: Die Schwarzen Reiter

In der neuesten Erweiterung zu „Herr der Ringe – Das Kartenspiel“ kann man den ersten Teil der Reise von Frodo und seinen Gefährten auf ihrer Mission zur Rettung von Mittelerde nachspielen und selbst dafür Sorge tragen, dass das Auenland und die übrigen freien Völker nicht auf ewig unterjocht werden. Zunächst gilt es hierbei, „Die schwarzen Reiter“ zu überleben ...

von Lars Jeske

Das Living Card Game zu „Der Herr der Ringe“ ist nunmehr seit zweieinhalb Jahren auf dem Markt und erfreut sich weiterhin großer Beliebtheit. 20 Erweiterungen und unzählige Fanszenarien sprechen hier eine deutliche Sprache. Dergestalt fest etabliert in der Spielelandschaft, machten sich die Entwickler nunmehr daran, abseits der neuen Pfade auch die Originalgeschichte der Trilogie für die Spieler dieses Kooperationsspieles miterlebbar zu gestalten. (Die anderen Szenarien sind größtenteils Geschichten aus der Zeit vor Tolkiens Romanen, die eher lose mit den bekannten Protagonisten zu tun haben.) Die erste Hälfte des Romans „Die Gefährten“ wird in groben Zügen mit der aktuellen Saga-Box „Die Schwarzen Reiter“ abgebildet.

Der Wichtigste vorweg: Die Übersetzung ist geglückt. Nach der berechtigten Schelte aufgrund der mangelhaften Übersetzung der allerersten Saga-Box „Der Hobbit – Über den Berg und unter dem Berg“ vom Jahresbeginn und auch bei der Deluxe-Erweiterung „Die Erben von Númenor“ ist der Heidelberger Spieleverlag als deutscher Publisher in Klausur gegangen. Bereits beim aktuellen Zyklus „Gegen den Schatten“ wurde bewiesen, dass es besser geht und das Tal der Tränen hinsichtlich der ungenauen oder sogar fehlerhaften Übersetzungen durchschritten ist. (Leider warten die deutschsprachigen Spieler dadurch seit etwa einem Jahr auf eine entsprechende Lokalisation von „Der Hobbit – Auf der Türschwelle“, aber das ist eine andere Geschichte.)

Somit kann man sich voll auf den Inhalt der Box stürzen, der wirklich gut gelungen ist. Vor allem gibt es wieder viele exzellente Bilder für die Karten, allen voran die von Magali Villeneuve illustrierten. Die obligatorischen 165 Karten bringen analog zu einer Deluxe-Erweiterung neue Spielerkarten in dreifacher Ausfertigung für die 4 Einflusssphären und 3 neue Szenarien. Wie erwartet dreht sich alles um die Hobbits. Die 4 neuen Helden sind somit die handlungsimmanenten Merry, Pippin, Sam und Dick Bolger. Frodo als verbindendes und spieltragendes Element bekommt die neu geschaffene Ringträger-Sphäre spendiert und unterstützte in jeder Runde den Startspieler. Diese Hilfe ist notwendig, sind die Hobbits doch erst durch ihre Gemeinschaft und Verschworenheit stark; je mehr desto besser. Thematisch genau passend sind auch die neuen Spielerkarten entworfen. Der vorrangige Spielmechanismus ist eine Weiterentwicklung des Schlüsselwortes „Heimlichkeit“. Viele der neuen Karten geben einen Bonus, wenn man freiwillig einen Kampf gegen einen Gegner mit höherer Kampfbereitschaft auslöst, als es dem eigenen Bedrohungsgrad entspricht. Ebenso wird das Merkmal „Hobbit“ gepusht. Nun kann man Hobbit-Themendecks wirklich spielen.

Als Regelmodifikation wird ab jetzt für jeden Spieler eine Karte in der Begegnungsphase aufgedeckt (und nicht wie bisher für die Gruppe entsprechend der Spieleranzahl). Diese minimale Anpassung harmoniert hervorragend mit dem neuen Schlüsselwort „Wagnis“ für Verratskarten. Hier ist der entsprechende Spieler auf sich allein gestellt und etwaige Mitspieler dürfen nicht helfen. Die Hauptgegner in „Die schwarzen Reiter“ sind dabei genau diese, sprich die Nazgûl. Anfänglich provozieren sie eine „Verstecken“-Probe, die vollends dem Inhalt des Romans entspricht und für die richtige Atmosphäre sorgt. Hier gilt es, eine Willensprobe zu bestehen, oder es erfolgt sofort ein Angriff dieser starken Gegner.

Apropos stark. Der aktuelle Schwierigkeitsgrad ist durchaus auch für erfahrene Spieler eine Herausforderung. Selbstverständlich variiert dieser bei wechselnder Spieleranzahl, ist durch die vielen Nachrüstkarten jedoch im Gegensatz zu den Anfängen des Spiels für 2 oder die bis zu 4 erlaubten Spieler viel knackiger als im moderaten Solomodus. Auch gibt es nicht nur bei den Spielerkarten sehr viele Synergieeffekte, wodurch man viel mehr aufpassen muss, da viele Effekte gleichzeitig das Spiel beeinflussen. Das Spiel ist somit in dieser Erweiterung wiederum anspruchsvoller geworden.

Da es eine „Saga“-Box ist, legen die Macher auch darauf Wert, dass man es schafft diese Szenarien allein mit den beiliegenden Karten und denen eines Grundspiels zu bestehen. Dies stimmt in der Tat, ist jedoch hierdurch bedeutend schwerer, als wenn man aus dem gesamten bisher erschienenen Spielerkartenpool schöpfen würde. Denn gegen die 3 Szenarien kann man selbstverständlich auch mit seinen bereits optimierten Decks vorgehen und wird diese passabel meistern. Die Spielerdecks sind dann zwar nicht thematisch erstellt, aber es macht dennoch Spaß, Nazgûls mit den populären Zwergen-, Außenlehen¬- oder Waldläuferdecks zu ärgern.

Dennoch liegt der Reiz darin mit „Lutz, das Pony“, „Bauer Maggot“ oder „Gerstenmann Butterblume“ das Abenteuer an der „Wetterspitze“, beim „Zum tänzelnden Pony“ oder der „Furt von Bruinen“ gegen „Lutz Farning“ und die Nazgûl inklusive des „Hexenkönigs“ zu spielen. Würzt man dann die neuen Karten (wie „Hobbitmantel“ oder „Dolch aus Westernis“) mit ein paar aus den regulären Abenteuerzyklen stehen die Chancen auch für Durchschnittsspieler gut, nicht frustriert das Handtuch zu werfen beziehungsweise der Macht Sauron anheim zu fallen. Vor allem „Fester Knoten“ („Düsterwald-Zyklus 5: Die Totensümpfe“), eine Verstärkung, die erschöpft wird, um einen Hobbbit-Helden wieder spielbereit zu machen, wird jetzt erst richtig sinnvoll, da es nunmehr Hobbits gibt, die man gleichzeitig spielen kann und will. Für das verstärkungslastige Hobbit-Deck wäre zudem der „Meisters der Schmied“ („Zwergenbinge-Zyklus 6: Schatten & Flamme“) eine weitere gute Wahl.

Ansonsten hat man ab jetzt auch eine zusätzliche Möglichkeit, den Schweregrad zu modifizieren. Für ein leichteres Spiel kann man besonders markierte Karten aus dem Bedrohungsdeck zuvor entfernen. Als Kontrapunkt dafür wird es sicherlich auch einmal ein Albtraumdeck geben. Bis dahin liegt die Herausforderung für Veteranen im neu geschaffenen Kampagnenmodus. Nicht nur gilt es hierbei, immer mit den gleichen Helden alle Szenarien zu bestreiten, sondern man erhält auch wenige Gunsten und eine handvoll Bürden, welche von Szenario zu Szenario mitgetragen werden müssen. Eine interessante Variante, die noch mehr Variationen für den Handlungsverlauf mit sich bringt.

Wem persönlich „Die schwarzen Reiter“ zusagt, der kann sich schon auf weitere Erweiterungen freuen. Das restliche Romanmaterial soll mit mindestens 5 weiteren „Saga“-Expansions abgedeckt werden – zusätzlich zum schon angekündigten „Ringträger-Zyklus“. Es ist also noch einiges geplant bis die Marathonkampagne von 18 Szenarien durchgespielt werden kann und der Ring endlich in den Schicksalsberg geworfen wird.

Fazit: Nach dem Grundspiel zu „Der Herr der Ringe“ und den bisherigen Erweiterungen ist es den Machern rund um Nate French und Caleb Grace gelungen, stimmungsvoll den ersten Teil der Geschichte von „Die Gefährten“ einzufangen. Und nunmehr sogar sehr dicht an der Romanvorlage selbige in die Spielform zu pressen. Neue Spielprinzipien unterstützen den Spielfluss, sodass man auf Frodos Spuren die Gefahr der schwarzen Reiter auf der Reise nach Bree förmlich spüren kann. Neben diesen anspruchsvollen Szenarien bekommt man essenzielle Spielerkarten für Hobbit-Decks und einen Kampagnenmodus mit Gunst- und Bürde-Karten. „Die schwarzen Reiter“ ist rundum gelungen, aber zu schwer für Neueinsteiger. Es ist die ideale, herausfordernde Erweiterung für die regelmäßigen Spieler, die auch schon die eine oder andere Erweiterung haben. (Und über komische Übersetzungen muss man sich dieses Mal auch nicht ärgern.)


Der Herr der Ringe – Das Kartenspiel: Die schwarzen Reiter
Kartenspiel-Erweiterung
Caleb Grace
Fantasy Flight Games/Heidelberger Spieleverlag 2013
EAN: 4015566012981
165 Karten, Regelheft, deutsch
Preis: EUR 19,95

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