Der goldene Kompass – Das Spiel zum Film

Philip Pullmans Trilogie „His Dark Materials“ gehört schon seit Jahren zu den großen Erfolgen der modernen Jugendliteratur. Kein Wunder: sprechende Tiere, Magie, eigenwillige Figuren und eine aufgeweckte Heldin sind Zutaten, die jede gute Geschichte ausmachen. Die Verfilmung von „Der goldene Kompass“, des erstens Bandes der Trilogie, hat den Hype um Pullmans Werk noch einmal so richtig angefacht. Neben neuen Romanausgaben, dem Hörbuch, Filmbüchern, Postern, Videospielen und Puzzlen ist bei Kosmos „das Spiel zum Film“ erschienen.

von Bernd Perplies

Fünf Sätze vorab für Menschen, die bislang weder Roman noch Film kennen. „Der goldene Kompass“ erzählt die Geschichte des Mädchens Lyra, das im Jordan College im Oxford einer alternativen Erde lebt. Alternativ ist diese Erde vor allem deshalb, weil die Menschen dort über eine ausgelagerte Seele in Tiergestalt verfügen, einen Daemon, der bei Kindern noch jede beliebige Tierform annehmen kann, bei Erwachsenen schließlich ihrem „Wesen“ entspricht. (Natürlich hätte jeder gerne einen Adler oder einen Löwen, aber manchmal kommt eben doch nur ein Huhn oder ein Wiesel heraus.)

Aber auch sonst unterscheidet sich die Welt von der unseren: Wundersame Techniken treiben Kutschen und Zeppeline im viktorianisch angehauchten London an. Es gibt Hexen, die allerdings weniger wie alte Kräuterweiblein und mehr wie fliegende Amazonen (inklusive Affinität zum Bogenschießen) wirken. Im Norden leben die Panzerbären, ein Volk mächtiger, gepanzerter Eisbären, die sich gerne als Krieger und Söldner verdingen. Dass England schließlich vom allgegenwärtigen Magisterium beherrscht wird, einer Art Kirchendiktatur, ist da nur noch ein politisches Detail.

Die Geschichte selbst handelt von Lyras Reise von Oxford zum Nordpol, wohin ihr Freund Roger von den „Gobblern“ verschleppt wurde, Schergen des Magisteriums, wie sich herausstellt, die dort schändliche Versuche an Kindern und ihren Daemonen machen. Außerdem will sie Lord Azriel suchen, ihren Onkel, der dort auf Expedition war, um das Geheimnis des Staubs zu lüften, einer seltsamen Substanz, die vom Himmel kommt und durch die Daemonen in die Menschen eindringt, um in ihnen seltsam ketzerische Gedanken zu wecken.

Das Brettspiel von Kosmos, das sich an 2 bis 4 Spieler ab 10 Jahren richtet, verfolgt Lyras Reise von Oxford zum Nordlicht und stellt dabei den Aspekt der Suche nach Wahrheit in den Vordergrund. Um zu gewinnen, muss man am Ende des Spiels die meisten Punkte angehäuft haben. Diese kann man etwa durch das Sammeln von Wahrheitsplättchen, Erfahrungskärtchen und Staubplättchen erlangen. (Ja, es ist ein wahres Kosmos-Spiel, mit einer schwungvollen Vielzahl an unterschiedlichen Karten und Spielmarken.)

Spielbrett und Spiel unterteilen sich in drei Reiseabschnitte, in denen Lyra unterschiedliche Personen helfend zur Seite stehen (pro Abschnitt hat man zwei zufällig gezogene Personenkarten vor sich liegen, die unterschiedliche Spieleffekte aufweisen). Ein großer goldener Kompass bildet die Mitte des Spielbretts, dessen beweglich gelagerte Nadel man wie beim Flaschendrehen schwungvoll in Rotation versetzen kann, um am Ende die zwei Möglichkeiten zu erfahren (Spitze oder Ende), die man während seines eigenen Zuges – gespielt wird abwechselnd im Uhrzeigersinn – hat.

Dabei liegen sich immer ein rotes und ein blaues Feld gegenüber. Bei einem roten Feld darf man Lyrakarten vom Stapel auf die Hand ziehen und Lyra wird 1 bis 2 Felder voranbewegt, bei einem blauen kann man beispielsweise das Magisteriumluftschiff einem Spieler zuteilen (gibt einen Malus bei den drei Teilwertungen am Ende der Reiseabschnitte), ein Staubplättchen aufnehmen oder die Sonderfähigkeit eines Verbündeten nutzen.

Drei verschiedene Spielaspekte wollen in geschickter Balance gehalten werden, damit man am Ende den Sieg in Aussicht hat: das Legen von Kompassplättchen, das Einsetzen von Erfahrungskärtchen und das Sammeln von Staubplättchen. Sie alle bringen auf unterschiedliche Art und Weise Siegpunkte ein.

Am Wichtigsten ist es aber zunächst, Lyrakarten zu sammeln, die oben Daemonen-Symbole und unten Alethiometer-Symbole aufweisen (der Goldene Kompass wird auch Alethiometer genannt, denn er hat die Fähigkeit, dem kundigen Nutzer Antworten – in Form von Visionen – auf alle Fragen zu liefern). Für zwei Karten mit gleichen Daemonen-Symbolen, die man ablegt, darf man sich ein Erfahrungskärtchen nehmen, die in den ersten zwei Reiseabschnitten liegen und Lyras zunehmendes Wissen symbolieren. Für drei Karten mit gleichen Alethiometer-Symbolen darf man zwei Kompassplättchen am Ziel des jeweiligen Reiseabschnitts platzieren.

Die Kompassplättchen bringen einen direkten Punktevorteil. Wenn Lyra am Ende eines Reiseabschnitts angekommen ist, werden 8 Wahrheitsplättchen aus einem Beutel gezogen (mit 1 bis 3 Punkten Wert) und wer die meisten Kompassplättchen gelegt hat, darf sich die ersten zwei Wahrheitsplättchen aussuchen, danach der mit den zweitmeisten usw. Die Erfahrungskärtchen dagegen werden erst im dritten Reiseabschnitt interessant, denn hier nimmt man keine Kärtchen mehr auf, man legt sie vielmehr in den leeren Slots, die Svalbart und das Nordlicht flankieren, ab. Bei der Endwertung bringen diese dann Sonderpunkte ein – ebenso wie die Staubplättchen, die man als Bonus sammeln kann.

Das klingt jetzt alles ein bisschen kompliziert, ist es aber gar nicht. Im Wesentlichen läuft es darauf hinaus, die Kompassnadel zu drehen und dann die angezeigten Aktionen durchzuführen. Nett an diesen ineinander verschränkten Spielmechanismen ist dabei vor allem, dass es unterschiedliche Möglichkeiten gibt, das Spiel zu gewinnen. Und während jüngere Spieler vermutlich einfach draufloswandern und sich an dem hübschen Spielplan und den mit zahlreichen Filmfotos verzierten Spielkarten erfreuen, können strategischer denkende Naturen durchaus versuchen, das Endergebnis einer Partie zu ihren Gunsten vorzubereiten. Natürlich ist durch die verdeckt gezogenen Verbündeten und Erfahrungsplättchen auch ein bisschen Glück im Spiel, aber was wäre eine Reise auch ohne unerwartete Wendungen.

Fazit:
„Der Goldene Kompass“ verbindet die sehenswerte Optik des Kinofilms mit einem gefälligen, ausbalancierten Spielsystem, bei dem Spieler auf unterschiedliche Weise Punkte gesammelt werden müssen, um zu siegen. Obwohl das Reiseabenteuer im Grund natürlich den Wettbewerb der Spieler beinhaltet – nur einer kann am Ende die meisten Punkte haben –, ist der Anteil an gemeiner Spieler-Interaktion sehr gering, sodass Siegen und Verlieren keineswegs so schwer wiegt, wie in manch brutalem Abzockespiel. So wird „Der Goldene Kompass“ zum Spiel für die ganze Familie – die Jüngeren erfreuen sich an der schönen Aufmachung und die Älteren finden eine Herausfordung im vorausplanenden Spiel.


Der Goldene Kompass - Das Spiel zum Film
Brettspiel für 2 bis 4 Spieler ab 10 Jahren
Marco Maggi, Francesco Nepitello
Kosmos 2007
EAN: 4002051690434
Sprache: Deutsch
Preis: EUR 29,99

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