Denn das Blut ist Leben

„Ich ließ meinen Blick wandern über dieses groteske Fest. Geschöpfe, die Menschenfleisch fraßen, Blut und Sperma tranken; unersättliche Satyrn, deren Erregung die Statuen ihrer mythischen Brüder im Garten als Muster der Enthaltsamkeit erscheinen ließ; Kannibalen von Leib und Seele. Sie waren Bestien, und in ihnen konnte ich eine schreckliche Schönheit sehen. Sie suhlten sich in ihrem Bacchanal und erkannten kein Gesetz an außer ihrer eigenen Gier.“

von Tobias Bayerle

 

Wer sich auf dieses Buch einlässt, sollte wirklich alles erwarten. Die 24 Kurzgeschichten, die unter anderem von Autoren wie Edgar Allan Poe, H. P. Lovecraft und Graham Masterton verfasst wurden, überschreiten zum Teil ziemlich extrem die Grenzen des moralisch Zumutbaren und machen „Denn das Blut ist Leben“ zu einer etwas anderen Vampirlektüre.

Vergewaltigung, Verführungen und wilde Partys

Es geht nicht nur um das klassische Bild des blutsaugenden Vampirs, der triebgesteuert auf seinen nächtlichen Beutegängen nichts ahnenden Personen an den Hals fällt. Vielmehr handelt es sich um viele verschiedene Arten von Vampiren, die zum Teil langsam und grausam oder auch einfach nur zum Spaß töten. Manche saugen zum Beispiel die Lebenskraft behutsam Nacht für Nacht aus dem Körper heraus; andere ernähren sich allein von den Schmerzenschreien ihrer Opfer. Wieder andere feiern wilde Orgien, bei denen Wesen, die sogar über den Engeln stehen, vergewaltigt wernde und das Blut in Strömen aus den teuren Weingläsern getrunken wird. Es ist wirklich alles vertreten, von vermeintlich verfluchten Häusern, über liebestrunkene, zutiefst im Glauben erschütterte Priester, bis hin zu verführerischen Prinzessinnen, die ganze Armeen zum Einschlafen bringen, nur um das Blut des Königs trinken zu können.

Ganz im Gegensatz zu den schrecklichen, brutalen und zum Teil sehr blutrünstigen Erzählungen, auf die man in „Denn das Blut ist Leben“ stößt, stehen die schon etwas anspruchsvoller geschriebenen Geschichten, bei denen man manchmal bis zum Ende nicht weiß, um wen oder besser was es eigentlich geht. So bekommt man auch mal aus dem Blickwinkel eines Anhängers der Nacht gezeigt, wie grausam es sein kann, unfreiwillig zum Vampir gemacht worden zu sein, nur um dann als Ausgestoßener die Ewigkeit zu verbringen.

Wer immer noch denkt, dass dieses Buch stereotypische Durchschnitts-Vampirgeschichten liefert, täuscht sich in ein paar Fällen gewaltig. In einigen schriftstellerischen Ergüssen dieses Buches stehen die Blutsauger der menschlichen Zivilisation in nichts nach. Denn auch Vampire haben allem Anschein nach ein System, in dem man in verschiedene Stände eingeteilt und somit entweder verbannt und gedemütigt oder hoch gelobt und mit Blut übergossen wird. Ganz wie bei uns Menschen wird hier geholfen, unterstützt sowie bevorzugt oder verschmäht. Es entsteht in manchen Geschichten gar der Eindruck einer Welt innerhalb unserer Welt, und das fasziniert und erschreckt zugleich.

Einige der mitwirkenden Autoren sind jedoch wenig einfallsreich. Langatmig und auch zum Teil langweilig blieb nur noch das Überspringen diverser Seiten, um ein Wegdösen zu verhindern. Auch die Vielfalt an neuen Ideen erscheint an mancher Stelle sehr gezwungen, als hätte man händeringend nach etwas spektakulär Neuem gesucht, aber nur leicht abgeänderte Standartkost gefunden.

Fazit: Die Spannung, die bei einigen der Geschichten aufkommt, überzeugt und fesselt zwar, ist aber leider auch genauso schnell wieder verflogen, da die nächste Geschichte schon eine Seite weiter beginnt. Natürlich, es handelt es sich um ein Buch mit Kurzgeschichten, aber ein oder zwei Seiten mehr wären zum Teil sicherlich nicht falsch gewesen. Die Brutalität und Blasphemie, die in diesem Buch diverse Höhepunkte feiert, bringt den Leser dazu, das Buch entweder angewidert zuzuschlagen oder fasziniert weiterzulesen, und so fühlt man sich während der Lektüre, als würde man in einer Achterbahn sitzen, die viele langsame aber auch rasante Abschnitte zu bieten hat. Wer Vampirgeschichten mag, kann grundsätzlich mit diesem Buch nicht viel falsch machen, sollte aber dennoch nicht zu viel erwarten.


Denn das Blut ist Leben (Nosferatu Band 16)
Horror/Mystery-Kurzgeschichten
Frank Festa (Hrsg.)
Festa Verlag 2007)
ISBN: 978-3865520647
Seiten: 416, broschiert, deutsch
Preis: EUR 14,95

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