Das Lied der Dunkelheit

„Peter V. Bretts gewaltiges Epos vom Weltrang des Herrn der Ringe“ – Dieser Satz auf der Rückseite soll wohl werbewirksam auf das Buch aufmerksam machen. Schon oft ist dieser Schuss nach hinten losgegangen, und J.R.R. Tolkien wird sich so manches Mal im Grabe umgedreht haben, als er sich mit solchen Werken verglichen sah. Und doch haben einige wenige, wie zum Beispiel Tad Williams oder George R.R. Martin es tatsächlich geschafft, an Tolkiens Thron zu trotzen. Und wirklich: Peter V. Brett ist dabei, Ähnliches zu tun.

von Tufir

 

„Das Lied der Dunkelheit“ ist der erste Teil eines als Trilogie ausgelegten Werkes um die Menschen und Dämonen der Welt Thesa. „Das einzige, was wir fürchten müssen, ist die Furcht selbst.“ Die Botschaft hinter dem berühmten Zitat von Franklin D. Roosevelt haben die Menschen dieser Welt vergessen. Sie leben in ständiger Furcht vor den Dämonen, die sich Nacht für Nacht sobald es dämmert aus dem Untergrund wagen und jeden attackieren, der keinen Schutz hinter magischen Siegeln findet. Das Zeitalter des Erlösers, der die Dämonen vor etlichen Jahrtausenden vertrieben hat, ist längst vorbei und die wirklich mächtigen Siegel, mit denen man die Feuer-, Wind, Baum-, Fels- und Hast-Du-Nicht-Gesehen-Dämonen bekämpfen und besiegen kann, sind längst vergessen. Nur die Schutzsiegel und Bannkreise finden noch Anwendung.

Die Angst lähmt die Menschen und hat sie fest im Griff. Wir lernen durch den Autor eine Welt kennen, in der Menschen in einer Art Dauerbelagerungszustand leben. Jede Nacht erheben sich die Dämonen aus den unergründlichen Tiefen der Dunkelheit und suchen die abgelegenen Ortschaften ebenso heim wie die streng gesicherten Städte. Nur die magischen Siegel vermögen die Dämonen davon abzuhalten, sich an den Menschen gütlich zu tun. Wenn der Schutz versagt, sei es weil der Siegelmaler zu schlampig gearbeitet hat oder weil ein Blatt oder Staub aufs Siegel fällt, werden die Menschen wie Vieh abgeschlachtet.

In dieser Welt wachsen Arlen, Leesha und Rojer als Jugendliche zu Helden heran. Sie alle haben – jeder für sich – Erlebnisse, die sie dazu bewegen, ihr sicheres zu Hause zu verlassen und sich in die Welt zu begeben und zu Helden zu werden. Arlen sucht nach Möglichkeiten, die Dämonen zu bekämpfen. Er will die uralten Kriegssiegel wiederentdecken, die Dämonen nicht nur abhalten, sondern auch töten können. Leesha will als Kräuterfrau Menschen retten, muss jedoch erkennen, dass sie gegen Lügen machtlos ist. Und Rojer lernt die Macht der Musik kennen. Sein Lied kann die Dunkelheit zwar bekämpfen, doch besiegen kann es sie nicht.

Es ist die Art und Weise, in der es Brett gelingt, das allgegenwärtige Gefühl der Furcht einzufangen, welche dieses Buch zur Faszination für den Leser macht. Durch die persönlich betroffenen Augen der drei Erzähler erlebt man anschaulich und intensiv mit, welches Gefühl der Ohnmacht die Dämonen unter den Menschen verbreiten. Die Menschen sind förmlich gelähmt vor Angst, lassen sich treiben, versuchen tagsüber das sie bedrohende Böse zu leugnen und zu vergessen. Das Leben in den kleinen Ortschaften wird anschaulich geschildert, die Personen sind abwechslungsreich und markant gezeichnet.

Mit fortschreitender Seitenzahl werden auch die Dämonen, die zunächst fast wie Naturgewalten dargestellt werden, immer greifbarer und persönlicher in ihrer Präsentation. Sie gewinnen an Tiefe und Intelligenz, und besonders Arlens Intimfeind, dem er anfänglich einen Arm „abschlagen“ konnte und der ihn dann quer durch die bekannte Welt verfolgt, nimmt immer deutlichere Züge an. Der Autor schafft es auf grandiose Art und Weise, das Tempo seines Romans immer den Geschehnissen und der Entwicklung seiner Protagonisten anzupassen. Der Leser erlebt ihre wenigen Triumphe mit, leidet mit ihnen, wenn sie von Stärkeren ausgenutzt und missbraucht werden, fühlt ihre ohnmächtige Wut auf die, die sie eigentlich beschützen sollten, und versteht, warum sie zu den Personen reifen, die letztlich den Kampf aufnehmen. Dies ist eine durchaus nachvollziehbare und gelungene Entwicklung eines Helden-Triumvirats.

Fazit: Peter V. Brett legt mit dem „Lied der Dunkelheit“ ein überraschend fertiges und fesselndes Fantasy-Debüt über Mut und Heldentum vor. Auf den ersten Blick ist es ein Fantasy-Werk, wie es dies bereits in ungezählten Variationen gab. Doch die Feinheiten in seinem Roman machen schließlich den Unterschied aus und erheben es über so manch anderes. In zunächst drei alternierenden Handlungssträngen führt Brett seine Protagonisten einzeln ein und gibt ihnen Motive und Gründe, hinaus in die Welt zu ziehen den Kampf gegen das permanente Unheil aufzunehmen. So entstehen drei Geschichten in einem Roman, die auf einen gemeinsamen Höhepunkt zulaufen.


Das Lied der Dunkelheit Fantasy-Roman
Peter V. Brett
Heyne 2009
ISBN: 978-345-352476-7
800 S., broschiert, deutsch
Preis: EUR 15,00

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