von Simon Ofenloch
Jonathan Barnes hat es wieder getan. Er hat ein weiteres grässliches Buch mit einer uninspirierten Handlung und voller schlechter Figuren geschrieben. Worauf man bei einem Roman von Jonathan Barnes gefasst sein muss: Es ist vieles falsch, vieles gelogen. So auch diese erste Beurteilung! Denn tatsächlich ist „Das Königshaus der Monster“ ein weiterer Geniestreich des Briten. Wenn auch mit einem Wermutstropfen.
Die Geschichte handelt von Henry Lamb, einem Archivar im Staatsdienst. Wie sein Name nahelegt, ist Henry Lamb ein harmloser Beamter, der ein langweiliges und völlig ereignisloses Dasein fristet. Das einzig Aufregende in seinem Leben ist seine attraktive Hauswirtin, aber mit dieser weiß der schüchterne Biedermann zunächst nichts anzufangen.
Doch ein schwerer und überaus mysteriöser Unfall seines Großvaters bringt Henry Lambs ruhiges und ereignisloses Leben gehörig durcheinander. Das streng geheime „Direktorium“ tritt an ihn heran und rekrutiert ihn. Und plötzlich befindet sich der Held wider Willen mitten in einem gewaltigen Bürgerkrieg, bei dem das Schicksal der britischen Metropole auf dem Spiel steht.
In einer rasanten, kuriosen und absolut irrwitzigen Geschichte geht es kreuz und quer durch ein zunehmend entfremdetes, düster-skurriles London. Nichts ist mehr sicher – selbst das geschriebene Wort! Denn gelegentlich finden sich im Text Passagen, die davor warnen, dem primären Ich-Erzähler Henry Lamb uneingeschränkt zu vertrauen. Doch wem soll man auch vertrauen in einem Buch, dessen Klappentext auf dem Umschlag mit den Worten beginnt: „Glauben Sie diesem Buch kein Wort!“?
Originell sind die Ideen von Jonathan Barnes allemal. Bei ihm wird die Königsfamilie der Windsors zum „Königshaus der Monster“, das zur Festigung seiner Herrschaft ein für die Stadt London und ihre Einwohner verhängnisvolles Abkommen mit dem mächtigen Ungeheuer Leviathan eingeht. Die Beschreibungen und Charakterisierungen der einzelnen Mitglieder der königlichen Familie erinnern nicht von ungefähr an bekannte lebende oder verstorbene Persönlichkeiten. Das Cover der deutschen Buchausgabe geht noch einen Schritt weiter und präsentiert das gezeichnete Abbild einer Kreuzung aus Prinz Charles und Nosferatu.
„Das Königshaus der Monster“ ist keine offizielle Fortsetzung zum Romanerstling des Autors, „Das Albtraumreich des Edward Moon“. Dennoch gibt es Parallelen und Kontinuitäten. Formal erzählt Barnes die Geschichte erneut aus der Ich-Perspektive. Gleichzeitig spielt der Autor bei beiden Romanen mit der fragwürdigen Vertrauenswürdigkeit der Erzähler. Inhaltlich geht es in beiden Büchern um eine Verschwörung, die die Zerstörung der britischen Metropole zum Ziel hat. Den Schutz der Stadt hat sich das Direktorium auf die Fahne geschrieben, eine geheime Organisation, die in beiden Romanen unter der Führung eines gewissen Dedlock versucht, das Schlimmste zu verhindern.
Das Schlimmste an „Das Königshaus der Monster“ – und damit kommen wir zum angedeuteten Wermutstropfen – ist zum Teil der Rückkehr zweier weiterer Charaktere geschuldet, die aus dem Vorgängerwerk bekannt sind: Hawker und Boon, den „Präfekten“, zwei grotesken Killern in Schuluniformen. Diese beiden Albtraumgestalten sind im englischen Originalroman sogar im Titel „The Domino Men“ bedacht. In der deutschen Ausgabe haben sie es zu furchterregenden Illustrationen gebracht.
Tatsächlich sind die zwei etwas Besonderes. Sie sind kurios, aufsehenerregend und bleiben im Gedächtnis. Eigentlich verwundert es nicht, dass Jonathan Barnes sie wiederkehren lässt. Mit diesen Figuren kann man sich einen Namen machen. Aber nicht unbedingt einen guten. Denn die beiden grauenhaften Bengel stehen symptomatisch für eine Eigenart von Jonathan Barnes, die wirklich ärgerlich ist: ein Faible für asozial gewalttätige Handlungen, menschenverachtend brutal und übertrieben plakativ geschildert. Das muss nicht sein. Und es findet sich keine vernünftige Erklärung, warum der Autor solche Entgleisungen nötig hat.
Fazit: Jonathan Barnes konstruiert und erzählt seine Geschichten erfrischend anders. Seine Szenarien sind originell, die Handlung ist mitreißend verfasst. Man fragt sich nur, warum der Brite alles kaputt macht mit irritierend herzlosen Schilderungen entsetzlicher Gewaltszenen.
Das Königshaus der Monster
Fantasy-Roman
Jonathan Barnes
Piper 2009
ISBN: 978-3-49270-176-1
400 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 19,95
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