Zu Beginn des 18. Jahrhunderts treibt ein Schiff tagelang durch dichten Nebel. Die Pest ist mit an Bord, und als der junge Zachary nach dem leidvollen Tod seines Vaters dieselben unseligen Symptome der tödlichen Krankheit am eigenen Leib entdeckt, stürzt er sich über die Reling in die Fluten. Der schnelle, selbstbestimmte Tod erscheint ihm angenehmer als langes und elendes Siechtum. Doch aus den Tiefen des Meeres kommt ihm ein genauso mysteriöses wie wunderschönes Wesen zur Hilfe. Eine Meerjungfrau, die ihn nicht nur aus dem Wasser trägt, sondern gleich auch noch von der grausigen Krankheit befreit. Doch diese Rettung hat schließlich ihren Preis …

„Das Klagelied des Meeres“, im Original: „El lamento del océano“, ist die respektvolle Hommage von Victoria Francés an Hans Christian Andersens Märchenklassiker „Die kleine Meerjungfrau“ aus den dreißiger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts, der wiederum auf der „Undine“-Sage beruht. Wie sie in einem Nachwort erklärt, hat der Text des Dänen die Spanierin seit ihrer Kindheit fasziniert. In ihren Augen ist die Meerjungfrau eine schöne, anmutige, eine absolut faszinierende Figur, die durch ihre körperliche Besonderheit jedoch auch etwas Monströses mit sich bringt. Auf der Suche nach Liebe wird sie mit Ignoranz und Intoleranz konfrontiert und dadurch zum symbolischen, zum beispielhaften Opfer von Ausgrenzung und Missachtung, gar Verachtung.

Die freie Adaption des berühmten Märchens durch Victoria Francés findet zu einer neuen Handlung, ist dabei aber so tragisch und sozialkritisch geraten wie das Original. Auf jeder zweiten Seite mit umsichtig kolorierten, kunstvollen Zeichnungen oder schwarz-weißen Bleistiftbildern versehen, diese schwarz-romantisch angehaucht, ist die Interpretation der spanischen Künstlerin im großzügigen Panorama-Hardcover des qualifizierten und mit zahlreichen Meriten beschlagenen Verlagshauses Cross Cult ein wunderschönes Gesamtkunstwerk.

Fazit: Ein illustriertes Märchen von Victoria Francés, inspiriert durch Hans Christian Andersens „Die kleine Meerjungfrau“. Alles ziemlich bitter-süß. Doch schöner geht es kaum.