Das geborgene Land 3: Botengang

Die älteren Semester werden sich bestimmt noch daran erinnern, wie sie zu Jugendzeiten die Nachmittage mit Büchern, einem Bleistift, einem Zettel und einem Würfel allein in ihrem Zimmer verbracht haben, um einem besonderen Hobby zu frönen: den Abenteuer-Spielbüchern, einer Symbiose aus Buch und Spiel. Heute erlebt diese Gattung eine Renaissance. Aber ist die Faszination noch die Gleiche? Ich habe mich mutig ins Abenteuer gestürzt.

von Katja Angenent

 

Das aus den 1980er Jahren übernommene Spielprinzip ist einfach: Anstatt ein Buch regulär von vorne bis hinten zu lesen, muss der Leser sich bei Abenteuer-Spielbüchern von Abschnitt zu Abschnitt hangeln. Er selbst verschmilzt mit dem Protagonisten der Geschichte. Am Ende jeden Abschnitts gilt es, das weitere Tun zu entscheiden. Im entsprechend ausgesuchten Folgeabschnitt wird dann weitergespielt und so die Handlung vorangebracht.

Dazu bedarf es allerdings einer Umstellung der normalen Lesegewohnheiten. Um nicht den Überblick zu verlieren, ist es ratsam, sich während des Spielens Notizen zu machen. Stößt man auf Gegner, muss man mittels Würfel und Stift gegen sie kämpfen. Dafür ist es noch vor dem ersten Abschnitt nötig, sich Werte mit auf den Weg zu geben. Auch Ausrüstungsgegenstände kann man finden oder verlieren, genauso wie Karma oder Konstitution. Wer Pech hat und unvorsichtig agiert, kann sogar sterben.

Ein Abenteuer-Spielbuch hat also mehr von Rollenspiel als von klassischer Lektüre. Darum hießen die Abenteuer-Spielbücher auch manchmal Solo-Abenteuer und waren dann zum Beispiel für „DSA“ ausgelegt. Ach ja, das waren noch Zeiten...

Das Genre galt eigentlich als tot, die wenigen Fans mussten sich mit dem Material von damals behelfen. Doch seit einiger Zeit gibt es Nachschub aus verschiedenen Quellen. Unter anderem sind zuletzt bei Pegasus gleich eine ganze Reihe neuer Abenteuer erschienen. Eines davon ist „Botengang“, das der bekannte Fantasy-Autor Markus Heitz zusammen mit Nicole Schuhmacher geschrieben hat. Die Handlung spielt im Geborgenen Land – ein Land, das vielen Lesern durch Heitz’ „Zwerge“-Bestseller ein Begriff sein dürfte. Doch auch, wer den Hintergrund nicht kennt, kann „Botengang“ natürlich spielen. Für alle Fans der Romane macht es hingegen sicher großen Spaß, einmal selbst in die Rolle des Helden zu schlüpfen und zu sehen, wie es sich so lebt in dieser Welt. Aber auch für alle anderen haben die Autoren sichtbar liebevoll ein stimmungsvolles Abenteuer kreiert. Auch die Aufmachung des Taschenbuches ist sehr schön gehalten. Nette Zeichnungen und eine passende Einrahmung auf jeder Seite unterstützen die atmosphärische Dichte.

Inhaltlich ist der Name übrigens Programm: Der Held wird auserkoren, eine wichtige Nachricht zu einem verfeindeten Elfenstamm zu bringen. Die Mission ist nicht nur heikel, sie ist sogar sehr gefährlich: Der Held ist bereits der zweite Kandidat, der auf die Reise geschickt wird, nach dem der erste nicht zurück gekehrt ist. Doch für den eigenen Stamm ruhmreiche Taten vollbringen und sich so ein Zeichen der Würde zu verdienen, gehört zu den größten Wünschen des Helden – also fix noch die Ausrüstung zusammen gestellt, die Botschaft geschnappt und los geht’s, erst mal durch das Tunnelsystem der Zwerge, bevor man sich ins Tageslicht und schließlich in die feindliche Festung wagt.

Es gibt (wie bei jedem Abenteuer-Spielbuch) mehre Wege, das Abenteuer zu bestehen – und wohl noch mehr, frühzeitig zu sterben. Den richtigen Weg durch das gefahrvolle Abenteuer findet man nicht unbedingt mit Waffengewalt, sondern vor allem durch eigene Rückschlüsse. Anders als beispielsweise in den bekannten Büchern von Steve Jackson kann man in „Botengang“ durch Kombinieren vielen Gefahren ausweichen. Insgesamt ist es daher ein schönes und ausgewogenes Abenteuer-Spielbuch zu einem attraktiven Preis, das sich hervorragend auch für Einsteiger eignet.

Ich habe dieses Buch zur Hand genommen, um zu sehen, wie sich das Genre in den letzten 20 Jahren verändert hat. Nach der Lektüre muss ich ernüchtert feststellen: Es hat sich gar nicht verändert. Ich hätte mir mehr wirkliche Überraschungen gewünscht, mehr Spielereien mit dem Genre – in dieser Hinsicht bietet das Buch leider keinerlei Innovation. Hier gibt es „nur“ klassische Fantasy ohne Überraschungen. Doch vielleicht ist das ja erst der Anfang?

Wie wäre es denn mal mit „Shadowrun“-Soloabenteuern? Für „Cthulu“ gibt es bereits einige wenige. Was wäre mit „Star Wars“? Oder „Vampire“? Vieles scheint möglich. Ich bin auf die Zukunft der Abenteuer-Spielbücher gespannt.

Fazit: „Botengang“ ist ein gradliniges, nettes Abenteuer in Markus Heitz’ Welt der Zwerge. Es wartet nicht mit sonderlichen Überraschungen auf, aber es ist liebevoll aufgezogen und auch ausgestattet.


Botengang – Abenteuer-Spielbuch im geborgenen Land 3
Abenteuer-Spielbuch
Markus Heitz, Nicole Schuhmacher
Pegasus Press 2009
ISBN: 978-3-939794-20-2
296 S., Taschenbuch, deutsch
Preis: EUR 8,95

bei amazon.de bestellen