Das Fest der Zwerge

Rechtzeitig zum letzten Weihnachten erschien mit „Das Fest der Zwerge“ eine Weihnachtsanthologie, die mit mehreren namhaften deutschen Autoren glänzte. Doch Namen allein machen noch kein gutes Buch und erst recht keine gute Anthologie, wie man auch an dieser Sammlung erkennen konnte.

von Ansgar Imme

 

Mit „... ein Muss für alle, die die besten Autoren der Fantasy nicht verpassen wollen“ warb der Piper Verlag auf der Rückseite des Bandes für die Kurzgeschichtensammlung. Aber diese Superlative und das Überschlagen in Lob kennt man ja von vielen Bänden. „Ganz in der Tradition von Tolkien“ oder „Tad Williams legitimer Nachfolger“ oder „Wer Tolkien mag, wird XYZ [hier bitte passenden Autor einsetzen] lieben“ – so kann man es immer wieder lesen. Und leider bewahrheitete sich auch hier, dass die Werbesprüche meist nur Werbesprüche sind.

Insgesamt 15 Kurzgeschichten bietet uns Herausgeber Carsten Polzin (ein Verlagslektor aus München). Geschrieben wurden sie von verschiedenen Autoren, vorrangig so genannten „Newcomern“ und „Shooting Stars“ der Szene, auch wenn diese wie Markus Heitz, A. Lee Martinez oder Karl-Heinz Witzko und erst recht Monika Felten oder Andreas Eschbach schon länger halbwegs informierten Fantasy-Lesern bekannt waren. Das Weihnachtsfest steht dabei mehr oder weniger im Mittelpunkt der Geschichte, bildet nur den Rahmen oder kommt in Form einer Wintersonnenwende oder eine Winterfestes innerhalb der Geschichten vor.

Ein kurzer Überblick über die Geschichten

„Das Fest der Zwerge“ von Markus Heitz beschreibt die Erlebnisse der Zwerge Boëndal Pinnhand und Boïndil Zweiklinge, die kurz vor dem Wintersonnenfest in die so genannte Zyklenprüfung verwickelt werden. Eine kurze nette Geschichte, die einen ab und zu schmunzeln lässt und eine kleine Überraschung am Ende beinhaltet.

„Das Jahr des Affen“ von Basit Samu spielt in einer Taverne zur Jahreswende, versucht bewusst lustig zu sein, ist es aber nicht, sondern nur schnell vergessen.

Monika Felten setzt mit ihrer traurigen Geschichte „Zwölfnächte“, welche auf einem eingeschneiten Bauernhof zur Winterzeit spielt, dagegen den ersten Höhepunkt. Kurz, knackig, spannend, traurig und mit einem bedrückenden, mitfühlenden Ende.

Leider kann Dan Simmons mit „Gequält vom Alptraum in der schaukelnden Wiege“ dieses Niveau nicht ansatzweise halten. In einem apokalyptischen New York verkündet ein Fremder zur Weihnachtszeit das Wort Gottes. Langatmig, langweilig, und die Pointe erschließt sich mir nicht.

Tobias A. Meißner präsentiert dem Leser anschließend „Der letzte Weinaxtmann“. Ich bin mir immer noch nicht sicher, was ich davon halten soll. Vielleicht steckt eine Weisheit oder eine Moral dahinter? Der Lesegenuß war auf jeden Fall nur spärlich.

Richard Schwartz erzählt uns in „Der Besuch“, wie die blinde Maria gerade zu Weihachten Besuch von einem seltsamen Gast bekommt, der ihr am Ende eine Freude bereitet. Die Geschichte ist so kurzweilig erzählt, dass man fast schon enttäuscht ist, dass sie wieder zuende ist.

Karl-Heinz Witzko, bekannt durch seine Arbeiten zum Rollenspiel „Das Schwarze Auge“ und den „Gezeitenwelt-Zyklus“ lässt uns nach „Die Kobolde“ erneut an den Geschichten von Brams, Hutzel, Riette und Rempel Stilz teilhaben. Als Kurzgeschichte funktioniert es auch besser als der Roman, mit den besten Kurzgeschichten dieser Anthologie kann es aber nicht mithalten.

Thomas M. Disch schildert in „Der Weihnachtsmann-Kompromiss“ eine kurze lustige Abhandlung über die Abschaffung des Weihnachtsmanns und die Konsequenzen auf die Wirtschaft, die Politik und die Welt an sich. Schön zum Schmunzeln und einfach gut!

„Die zweite Chance“ von Marliese Arnold, die mir bis dato überhaupt nicht bekannt war, lässt einen intensiv über die Möglichkeiten der Änderung des eigenen Lebens nachdenken und all die Konsequenzen, wenn man selbst bestimmte Entscheidungen beeinflussen könnte. Die vermutlich spannendste Geschichte von allen, die mir sehr gut gefiel.

Nach der spannenden Vorgängerin bietet uns A. Lee Martinez mit „Noch sind wir nicht tot“ mehr Humor und vor allem Slapstick. Wie auch bei Witzko gilt hier, dass sein Humor aus meiner Sicht in Kurzgeschichten besser funktioniert als in seinen neuesten Veröffentlichungen. Santa Claus wird in verschiedensten Dimensionen getötet, und der Warper/Dimensionsspringer Jones macht sich mit seiner dreizehn Zentimeter großen Partnerin, Brenda der Zahnfee, auf den Weg, um den Mörder zu stoppen. Wie man sich vorstellen kann, ist dies kein alltäglicher Auftrag. Manchmal an der Grenze zur Übertreibung, aber trotzdem recht lustig mit einer gewissen Spannung.

„Der Tag des Teufels“ wird der Burgherrin Bärbel durch die Autorin Mara Volkers beschert. Eine Geschichte zum Weihnachtsfest im Mittelalter. Leider nur durchschnittlich. Keineswegs packend, auch nicht humorvoll. Standard, nicht mehr, nicht weniger.

Michael Peinkofer hebt in „Der Orkvernichter“ die Messlatte immerhin schon wieder deutlich nach oben. Die beiden Orks Rammar und Balbock, bekannt aus „Die Rückkehr der Orks“, versuchen, die Menschen zu überlisten und ihnen das Winterfest zu vermiesen, geraten aber von einer Klemme in die nächste. Slapstick, teilweise fast an „Dick & Doof“ erinnernd (ob bewusst oder zufällig) und damit lustig mit vielen Szenen zum Lachen.

Ray Bradburys „Der Wunsch“ soll dagegen Kontrast bieten und traurig sein, als ein Mann zum Weihnachtsfest seinen Vater wieder herbeiwünscht, langweilte mich aber nur und ließ mich nur das Ende der Geschichte herbeiwünschen. Dies war aber auch nicht besser.

Mit Andreas Eschbach kommt der vermutlich bekannteste Autor der Anthologie kurz vor dem Schluss. Aber auch sein „Ein Fest der Liebe“ weiß nicht wirklich zu überzeugen. Lena hat das alte Herrenhaus ihrer Familie übernommen und verbringt zum ersten Mal Weihnachten allein, als sie Geräusche aus dem Keller hört, der eigentlich leer sein sollte. Während Eschbach in seinen Büchern immer wieder geniale Ideen hatte, handelt es sich hier nicht um den Knaller, den man zumindest von ihm erwartet. Solide geschrieben, deutlich besser als die meisten der anderen Geschichten, aber mit den besten in diesem Band kann er nicht mithalten.

Den Abschluss bildet Florian Straub mit „Kathy“. Obwohl nur 4 Seiten lang, schafft es die Geschichte, sehr spannend zu sein, so dass der Leser unbedingt die Pointe wissen will. Und diese sitzt, sie passt! Einfach gut! Ein schöner Abschluss.

Als Anhang bietet das Buch noch ein Autoren- und Quellenverzeichnis, in dem die Schreiber kurz vorgestellt werden und ihre bekanntesten Werke genannt werden. Eine gute Idee.

Fazit: Kurzgeschichtenbände haben es immer schwierig, da die Stories sich schneller entfalten müssen, als normale Geschichten. Dabei ein durchgängig hohes Niveau zu halten, ist eine Herausforderung für den Herausgeber. Es ist aber auch eine Chance, mit kurzen Geschichten schnelle, einfache Pointen zu setzen und sich eben nicht in langen Beschreibungen zu verstricken. Leider nutzen die wenigsten Autoren dieses Bandes die Möglichkeit, mit einer tollen, fantastischen, spannenden oder humorvollen Geschichte, den Leser zu begeistern und sogar dazu zu verführen, sich eines ihrer Bücher zu kaufen. Richtig gut sind eigentlich nur Felten, Disch, Arnold und Straub, mit etwas Abstand noch Martinez und Peinkofer. Der Rest ist Durchschnitt und nicht wirklich erwähnenswert. Wenn man die 7 Euro übrig hat, kann man das Buch im Buchladen mitnehmen. Man verpasst aber auch nicht viel, wenn man stattdessen zum Stehimbiß-Chinesen um die Ecke geht...


Das Fest der Zwerge
Fantasy-Anthologie
Carsten Polzin (Hrsg.)
Piper 2007
ISBN: 3492266487
268 S., Taschenbuch, deutsch
Preis: EUR 7,00

bei amazon.de bestellen