Das Buch der Verdammten 1: Hölle

Teufel gehören neben Drachen und Dämonen zu den klassischen Gegenspielern in (fast) jedem Rollenspiel. Sie sind böse und streben danach, ihre Vorstellung von absoluter Ordnung im Multiversum zu etablieren. Damit eignen sie sich als Puppenspieler hinter einer ganzen Reihe von Abenteuern. Um die Teufel lebendiger zu machen, präsentiert Ulisses ein Buch, das sich ganz den Bewohnern der Hölle widmet. Mal frei nach Dante: Lasst, die ihr hier weiterlest, alle Hoffnung fahren …

von Tobias Dworschak

 

 

„Das Buch der Verdammten 1: Hölle“ aus der Reihe „Pathfinder Kampagnenwelt“ stammt aus der Feder von F. Wesley Schneider. Schneider ist Editor-in-Chief bei Paizo, hat in der Vergangenheit insbesondere Bücher zum Kampagnen-Setting mit verfasst und kann wohl zu den Urgesteinen von „Pathfinder“ gezählt werden. Der deutsche Band ist vom März 2014, das englische Original erschien bereits Ende 2009. Für die Übersetzung zeichnet sich Fabian Fehrs verantwortlich.

Die PDF, auf dem diese Rezension basiert, umfasst 68 Seiten, die sich auf vier Kapitel verteilen. Es ist vollfarbig im zweispaltigen Layout mit eingestreuten Infokästen zu bestimmten Themen (zum Beispiel den regeltechnischen Auswirkungen von Höllenfeuer) und fügt sich damit in die hohe Qualität, die ich von Ulisses-Büchern erwarte.

Die Qualität der Übersetzung bewegt sich im üblichen Rahmen, die wenigen vorhandenen Fehler haben mich beim Lesen kaum stolpern lassen. Die Illustrationen sind stimmig und passen von ihrem Stil sehr gut zusammen und zum Thema. Besonders gefallen haben mir die Texte zwischen den Kapiteln, die in der Form von Buchauszügen oder Forschungsergebnissen geschrieben sind und somit aus der Perspektive der Spielwelt Einsichten zu den Teufeln und der Hölle geben. Hier mischen sich Mythen und Legenden zu einer stimmungsvollen Lektüre.

Was hat das Buch nun im Einzelnen zu bieten?

Das erste Kapitel trägt den Titel „Die Hölle und die Erzteufel“ und beschreibt, wie es der Titel vermuten lässt, die Hölle und ihre Herren. Jeder der neun Höllenkreise wird auf einer Seite kurz angerissen. Den gleichen Umfang nimmt die Beschreibung des herrschenden Erzteufels ein. Um es gleich vorwegzunehmen: Hier hätte ich mir mehr gewünscht. Die einzelnen Kreise verdienen eine tiefergehende Betrachtung ihrer Eigenheiten. So lese ich die Beschreibung (und bin etwas enttäuscht über die ständigen Wiederholungen bei den beschreibenden Adjektiven und den Hinweisen darauf, dass der Platz für detaillierte Beschreibungen nicht ausreicht) und frage mich, was ich damit angefangen soll. Warum werden die Höllenkreise beschrieben, wenn nicht, um den Ausgangspunkt zu bilden, dort Abenteuer zu erleben? Welchen Wert kann so etwas haben, wenn es nicht eingesetzt werden kann? Und dazu ist es zu wenig. Die einzelnen Beschreibungen kommen über eine grobe Skizze nicht hinaus; dabei gelingt es der Skizze aber nicht, die Stimmung oder Atmosphäre einzufangen, die jeden Kreis einzigartig macht. Ich habe verstanden, dass in der Hölle alles hoffnungslos, brutal und verdreht ist. Und weiter?

Die Vorstellung der Erzteufel ist gelungener. Gut, dass hier auf Spielwerte verzichtet wird. Gut auch, dass ich eine Vorstellung von der grundsätzlichen Einstellung und (ganz grob) der Motive der einzelnen Höllenherrscher gewinne. Sehr gut, dass stets ein Abschnitt darüber zu finden ist, wie der jeweilige Teufel mit der Welt der Sterblichen interagiert.

Das Kapitel weckt Neugier, lässt mich als Leser aber etwas enttäuscht zurück. Ich möchte nicht bestreiten, dass der Keim für Ideen und Inspirationen vorhanden ist. Die Bilder, die die Beschreibungen erzeugen, sind beeindruckend. Ich hätte mir aber mehr gewünscht.

Das zweite Kapitel „Teufelsbrut“ widmet sich, wie der Name vermuten lässt, den Teufeln. Hier wird erläutert, wie ein Teufel lebt, wie er sich durch die Hierarchie der Hölle arbeitet und wie er beschworen werden kann (und wie er darauf reagiert). Neben einigen netten Ideen (bestimmte Opfergaben, die Boni auf Beschwörungswürfe geben) stellt sich bei der Lektüre die Frage, ob man die Informationen hier in irgendeiner Form gebrauchen kann oder ob sie irgendwie sinnvoll in ein Spiel integriert werden können. Das Kapitel hilft vielleicht dabei, die Ideen, die hinter den Teufeln stehen, besser zu verstehen und den ein oder anderen Funken Inspiration überspringen zu lassen. Richtig nutzen lassen sich die Informationen dagegen kaum.

Im dritten Kapitel 3 „Teufelsanbetung“ geht es um die Beziehung von Menschen und Teufeln, oder, genauer gesagt – spieltechnische Auswirkungen. Zuerst werden Teufel als Gottheiten und ihre Kulte sowie diabolische Kontrakte behandelt, wie sie zustande kommen, welche (offensichtlichen) Gefahren damit verbunden sind und wie sie ausgehandelt werden können. Das ist für NSC noch ganz interessant. Es folgen Abhandlungen über die wahren Namen der Teufel, wie man sie ermittelt und welche Vorteile sie bei der Beschwörung bringen. Das Konzept der wahren Namen ist spannend, wird hier aber zu kurz dargestellt. Der Platz reicht für ein komplexes System nicht aus, insofern ist das in Ordnung.

Nach den Namen geht es weiter mit höllischen oder infernalischen Artefakten, die sich insgesamt stimmungsvoll lesen und die man als Spielleiter auch gut einsetzen kann, um Gruppen zu beeinflussen oder interne Spannungen aufzubauen. Wer das mag, ist hier gut bedient. Den Abschluss des Kapitels bildet die Prestigeklasse des Diabolisten. Dieser zeichnen sich durch zwei Dinge aus: Er bekommt einen Imp als Vertrauten und es fällt ihm leichter, Teufel zu beschwören (und zu beherrschen sowie deren wahre Namen in Erfahrung zu bringen). Ein Zauberwirker mit diabolischem Einschlag. Ich frage mich, ob es Sinn macht, diese Prestigeklasse zu wählen, selbst, wenn ich sie nur für NSC verwenden wollen würde. Die besonderen Fähigkeiten wirken sich auf Begegnungen mit Diabolisten kaum aus – im Zweifel sind die Teufel bereits beschworen und richtig schnell geht das zum Beispiel in einem Kampf auch nicht. Einen Diabolisten in einer Gruppe zu haben, verschiebt den Fokus des Spiels ein wenig, wenn man die Fähigkeiten ausschöpfen will. Daher bietet sich die Klasse wohl nur in speziellen Abenteuern oder Kampagnen an.

Neue Zauber runden das Kapitel ab.

Schließlich stellt das vierte Kapitel „Diablerie“ vier neue Teufel vor und darf deshalb als Bestiarium des Bandes angesehen werden. Jedem Teufel wird eine Doppelseite gewidmet, womit der Platz neben den reinen Spielwerten auch für eine textliche Beschreibung ausreicht. Die Bandbreite reicht hier über alle Herausforderungsgrade (3 bis 17), die Illustrationen sind sehr gut gelungen.

Nicht unerwähnt bleiben soll die Liste im Innenumschlag, die einen Überblick über Teufel bietet, die als „Götter“ eines Klerikers verehrt werden und Zauber gewähren können. Über den offensichtlichen Nutzen hinaus bekomme ich hier eine ganze Liste teuflischer Namen.

Fazit: „Das Buch der Verdammten 1“ lässt mich zwiegespalten zurück. Um die Frage zu beantworten, ob dieser Band zu empfehlen ist, muss ich zuvor die Frage stellen, was ich davon erwarte. Will ich eine Kampagne um das Thema Hölle und Teufel bauen? Dann liefert das Buch stimmungsvolle Hintergrundinformationen. Will ich ein Abenteuer in der Hölle spielen? Hierzu fehlt einfach zu viel. Hinzu kommt, dass aus meiner Sicht wenig Golarion-spezifisch Neues dabei ist. Ich habe das Gefühl, vieles schon gelesen zu haben. Es gibt im Grunde nichts, was mich wirklich überrascht und meine Neugier packt, um dem Thema weiter nachzugehen.

Am Ende bleibt für mich eine nette Lektüre, aus der ich für mein Spiel und mich nicht so viel herausziehen kann, wie ich das gehofft hatte. Am besten gefallen mir noch die ausführlichen Hintergründe zu den Erzteufeln – aber auf so einem epischen Maßstab werden die wenigsten wirklich spielen – sowie die Texte über das Entstehen des Seins und der Teufel, die zwischen den Kapiteln eingestreut sind. Nicht unerwähnt bleiben soll, dass das Buch sich insgesamt wie aus einem Guss liest und sich hier alles zu einem großen Ganzen zusammenfügt.


Das Buch der Verdammten 1: Hölle
Quellenbuch
F. Wesley Schneider
Ulisses Spiele 2014
ISBN: 978-3-86889-381-6
64 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 19,95

bei amazon.de bestellen