Darwin’s Journey

Ab zur Volkshochschule Galapagos, ein paar Teilnahme-Siegel von der lokalen Entdeckerzunft eingesammelt und schon dürfen in diesem schön gestalteten Arbeitereinsetzspiel von Simone Luciani und Nestore Mangone auch die extravaganten Aktionen genutzt werden – vorausgesetzt man hatte das richtige Seminar gebucht. Ohne passende Qualifikation läuft auf Galapagos eben nicht viel. Und nicht nur das macht „Darwin’s Journey“ besonders.

von LarsB

Eigentlich gibt’s auf Galapagos nicht viel Neues. Gut, neue Tierarten, die es zu erforschen und nach Europa ins Museum zu verschicken gilt, gibt es schon. Und das ist schließlich auch Sinn und Zweck unserer Expeditionen, auf die wir uns in „Darwin’s Journey“ begeben haben. Aber das gute alte Arbeitereinsetzen kennen die meisten von uns schon seit vielen Jahren. Doch hier auf den Galapagos-Inseln können unsere Arbeiter gerade die interessanten Orte nicht ohne die passende Qualifikation nutzen. Also bilden wir unsere Arbeiter im Laufe der Partie spezifisch aus. Dabei können Spezialisten bestimmte Aktionen dann besonders gut machen. Generalisten sind besonders flexibel einsetzbar. Und sechs Arbeitereinsetzfelder wechseln von Partie zu Partie. Sie verlangen ganz bestimmte Qualifikationskombinationen. Und Fortbildungen werden auf Galapagos für High Potentials immer teurer.

Dumm nur, dass es auch Geld kostet, die Aktionen in der Nachbarschaft in der Spielrunde bereits erfolgter Aktionen zu machen. Und Geld hat man auf seiner Expedition leider nie genug. Auch damals wurden die Forschungsgelder schon knauserig zugewiesen. Viel zu knauserig. Und so hat man auch schon das Setting: wenig Geld, schlechte Qualifikation der eigenen Arbeiter und die große Fragestellung nach dem richtigen Timing der Aktionen, weil da ja auch noch Mitentdecker um Aktionen und Anerkennung konkurrieren. Das macht „Darwin’s Journey“ zu einem äußerst reizvollen und interaktiven Rätsel.

Das Spielmaterial

Mann, passt viel in diese flache Spieleschachtel! Ohne Inlay, aber mit vielen Tütchen, bekommt man die Schachtel schon noch mühelos geschlossen, aber der große Spielplan, die vielen Karten, Plättchen, Token, Holzarbeiter usw. lassen nicht viel Luft übrig. Alles hat eine sehr gute Qualität und ist wirklich geschmackvoll hergerichtet. Alle in der Regel sehr eingängigen Icons auf den Karten sind auch auf dem Spielplan wiederzufinden, sodass Neulinge sich normalerweise gut selbst weiterhelfen können.

Die Spielhilfe ist vollständig und referenziert jede Karte und jedes Plättchen. Leider findet man gerade hier nicht die sonst hochwertige Anmutung der Komponenten. Nach ein bisschen Einguckzeit findet man aber alles auf dem dünnen Bogen, der aufgrund des vielen kleinen Textes zunächst ein bisschen abschreckend wirken kann. Schade, dass nicht zumindest ein weiterer Bogen beigelegt worden ist. Die Wahl von festerem Papier hätte besser ins sonst sehr positive Gesamtbild gepasst. Das ist aber nicht mehr als ein Haar in der sonst hervorragend präsentierten (Darwin-)Schildkrötensuppe.

Die riesige Anzahl an Plättchen, Karten, Token usw. lässt es schon vermuten: Die Aufbauzeit dieses Spiels liegt zwar nicht im Spektrum zwischen Hausbau und Doktorarbeit verfassen, spielbereit ist man nach dem Auspacken aber eben auch nicht gleich. Das dauert eher 15 bis 20 Minuten.

Der Spielablauf

In Runden und nach vorher bestimmter Spielerreihenfolge wird pro Spieler immer ein Arbeiter eingesetzt und direkt die zugehörige Aktion ausgeführt. Dabei gibt es drei Arten von Einsetzfeldern: a) Felder, die nach Einsetzen blockiert sind, b) Felder, die nach Einsetzen dieses Feld und die Felder im gleichen Tagebuchabschnitt mit einer Strafgebühr belegen und c) Felder, auf denen beliebig viele Arbeiter vollkommen gratis eingesetzt werden können. Viele der Felder haben dann noch Voraussetzungen an die Qualifikation des eingesetzten Arbeiters.

Es liegt nahe, dass eine der Hauptaktionen das Qualifizieren des Arbeiters in der Akademie ist. Für mich ist es die Volkshochschule Galapagos. Eine weitere Hauptaktion ist das Erkunden (Arbeiter auf einem der Inselpfade voranschreiten lassen). Damit können Tiere entdeckt werden oder Boni wie Geld oder „temporäre Qualifikationstoken“ gewonnen werden. Des Weiteren kann man durch Navigation sein Forschungsschiff voran fahren lassen, um neue Inseln zu entdecken, Boni zu erhalten und bei der Runden-Endwertung seinen Punktemalus zu minimieren. Und schließlich können über die Aktion Korrespondenz Briefmarken auf einen von drei Briefen geklebt werden. Diese verschaffen einem bei Markenmehrheit von Partie zu Partie unterschiedliche Boni in der belohnenden Belohnungsphase. Auch der Zweite bekommt hier noch einen (kleineren) Bonus.

Aktionsfelder, die sich von Partie zu Partie unterscheiden, kommen hinzu. Diese müssen genauso wie die mächtigeren Versionen der oben beschriebenen Hauptaktionen im Laufe der Partie durch die Spieler freigeschaltet werden. Weitere Aktionsmöglichkeiten zeigen, dass es sich hier um ein durchaus komplexes Spiel handelt: neu entdeckte Tierspezies können für Geld und Reputation an Museen verkauft werden (erlaubt das Voranschreiten auf der sogenannten Evolutionstheorieleiste), die Spielerreihenfolge kann manipuliert werden kann und Mini-Auftragsplättchen können erworben werden. Letztere erlauben einem für den Rest der Partie verbesserte Aktionsmöglichkeiten, einen zusätzlichen Arbeiter, Bonusaktionen und/oder Punkte am Spielende.

Sind alle Arbeiter eingesetzt, wird die Spielerreihenfolge angepasst, die Korrespondenzmehrheiten ausgewertet und die Boni abgehandelt sowie die Runden-Endwertung durchgeführt. Auch Letztere, und jetzt kommt’s, unterscheidet sich von Partie zu Partie. Das Thema Aufbauzeit wird damit sicherlich immer besser greifbar.

Nach sechs Runden ist das Spiel vorbei, und es gibt Zusatzpunkte für besonders qualifizierte Arbeiter, das Platzieren aller fünf Zelte (ja, auf den Inseln gibt es auch Campingplätze, die teilweise horrende Gebühren verlangen), die erfüllten Mini-Auftragsplättchen und – ganz wichtig – den Reputationstrack „Evolutionstheorieleiste“. Gewonnen hat, wessen Punktekonto am prallsten gefüllt ist.

Das Spielgefühl

„Dawin’s Journey“ ist ein komplexes und vor allen Dingen interaktives Rätsel. Wann mache ich welche Aktion? Und mindestens genauso wichtig: Wann beabsichtigen meine Mitspieler welche Aktion? Wie sorge ich dafür, dass mir das Geld nicht ausgeht? Ohne Geld bin ich nicht handlungsfähig, weil ich viele bereits besuchte Aktionen nicht mehr wählen kann. Das kostet Züge und damit wahrscheinlich auch den Sieg.

Alles ist miteinander verzahnt und womöglich auch verkettet. Zwischenziele sind auf verschiedenen Wegen zu erreichen. Beispiel 1: Ich könnte direkt eine Korrespondenzaktion machen, um mir in der Belohnungsphase einen Bonus zu sichern. Ich könnte aber auch die Insel weiter entdecken, um dort ein Zelt aufzuschlagen. Der Bonus dafür ermöglicht dann eine Korrespondenzaktion. Gleichzeitig kann ich dann noch den Platzierungsbonus für das Zelt abgreifen, der es mir zum Beispiel erlaubt, einen Arbeiter zu qualifizieren, womit ich dann im nächsten Zug mit dem gerade geschulten Arbeiter eine viel tollere Aktion machen kann als ursprünglich gedacht.

Beispiel 2: Ich könnte eine Schiffsaktion machen. Ich könnte aber auch ein neues Aktionsfeld (gegen Geld) freischalten, was es mir erlaubt, eben diese Aktion durchzuführen. Das könnte dann eine mächtige Aktion sein, die mir sowohl die Schiffsaktion wie auch die Aktion Erkundung ermöglicht. Durch letztere könnte ich vielleicht noch ein Tier entdecken, was ich dann in der nächsten Runde für viel Geld an ein Museum verkaufen kann. Ich hoffe, die Idee ist klar geworden. Auf die damit verbundene Gefahr der Gehirnschmelze weise ich hier ausdrücklich hin.

Alle Runden-Endwertungen sind bereits zum Start des Spiels bekannt. So kann man sich strategisch auf die Wertungskategorien einstellen und erheblich Bonuspunkte einheimsen.

Spätestens nach der Endwertung erfährt man, wie thematisch das Spiel wirklich ist. Hat man keinen Eintrag zur Erforschung der Inseln geleistet, bekommt man das schmerzhaft mit, wenn die anderen Spieler mit wehenden Fahnen auf dem Punktetrack förmlich an einem vorbeifliegen. In der Volkshochschule Galapagos wird allerdings schon im Grundkurs gelehrt, dass die Evolutionstheorieleiste von hoher Wichtigkeit ist.

Die Wiederspielbarkeit ist schon im Grundspiel hervorragend. Durch unterschiedliche Plättchen für die Endwertung, die speziellen Aktionsfelder, die Boni für Korrespondenzmehrheiten gestalten sich die Rahmenbedingungen so unterschiedlich, dass das Rätsel „Darwin’s Journey“ neu gedacht werden muss. Schmerzhaft ist diese Variabilität allerdings eben beim Aufbau. Für ein Spiel dieser Art wäre daher in intelligentes Inlay besonders wertvoll gewesen. Der freie Zubehörmarkt schafft hier Abhilfe.

Der erfahrene Galapagosist wischt das Deck der Beagle mit Neueinsteigern auf. Die Mini-Erweiterung „Animal Companion“ schaffte hier durch asymmetrische Startbedingungen elegant Abhilfe, wenn sie denn zu erhalten wäre. Wünschenswert wäre, wenn auch die anderen Mini-Erweiterungsmodule in ein zweites Erweiterungspaket gesteckt würden. Die sind alle gut und bringen jeweils noch einen interessanten Twist rein. Bis dahin können „Darwin’s Journey“-Fans aber mit dem Grundspiel viele abwechslungsreiche Runden spielen. Und dann gibt es ja auch noch die Erweiterung „Feuerland“ …

Fazit: „Darwin’s Journey“ ist ein Festschmaus für alle Spieler, die verzahnte und verkettete Spiele feiern, in denen sie die Möglichkeiten der Mitspieler jederzeit im Blick haben sollten. Zeit genug zum Tischdecken muss man allerdings einplanen. In einer Runde mit verkopften Spielern muss man aufgrund der Menge an Entscheidungsoptionen allerdings Bock auf Slow-Food haben. Eben weil Ressourcen knapp sind, ist der Unterschied der einzelnen Entscheidungsoptionen manchmal riesig und spielentscheidend. „Darwin’s Journey“ ist ein aus dem Eurobrei herausragendes Spiel, in dem Entscheidungen WIRKLICH den Unterschied machen. Und darüber hinaus ist es eben sehr schön angerichtet. Beim Volkshochschulkurs „Spiele entwickeln“ hatten die Herren Luciani und Mangone offenkundig sehr gut aufgepasst – und Paolo Voto als Illustrator auch.

Darwin’s Journey
Brettspiel für 1 bis 4 Spieler ab 14 Jahren
Simone Luciani, Nestore Mangone
Skellig Games 2023
EAN: 745178257626
Sprache: Deutsch
Preis: 59,90 EUR

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