von Andreas Loos
Zunächst bekommt der Leser einen Ausblick auf all das, was Pegasus Spiele an Veröffentlichungen geplant hat. Bis Mitte 2009 sollen neben dem Quellenband für die „USA – Großmacht unterm Sternenbanner“ und „Verschlusssache – Handbuch für Ermittler“ noch etliche Publikationen erscheinen. Die Veröffentlichung des Quellenbands „Mittelalter – Die dunklen Jahre“ wird sich hingegen verzögern.
Der schön aufgebaute Hintergrundartikel „Wo die Heide blüht“ bringt dem Leser die Lüneburger Heide als Schauplatz für die Ära um 1920 näher. Stefan Geisler hat das Grauen hinter dem Heideidyll in Tagebucheinträge eines „Heidertouristen“ der späten zwanziger Jahre gekleidet. Gespickt mit zeitgenössischen Abbildungen wird ein stimmiges Bild der Heide entworfen, das einen Eindruck von der Isolation und Abgeschlossenheit bietet, die man vom klassischen Arkham County kennt und die praktisch vor den Toren der hanseatischen Metropole Bremen liegt.
Und weil es in der Heide gerade so schön ist, wird auch gleich ein Mythoshintergrund für die Lüneburger Heide im nächsten Artikel geliefert, der praktisch nahtlos anknüpft. Die „Esoterische Bruderschaft der schwarzen Mutter“ in der Heide bietet einen Kult, der in die verschrobene Gesellschaft der der Heide passt und die Spieler vor einige Probleme stellen dürfte.
Eine mehr als würdige Fortsetzung aus der letzten Ausgabe findet man im Artikel „Spuk im Gemäuer – Teil 2“, der weitere Spukhäuser in Deutschland unter die Lupe nimmt. Prominentestes Gemäuer dürfte dabei die Burg Frankenstein sein. Aber auch Dortmund und Neuwied bieten unter anderem Lokalitäten. Natürlich fehlt es auch hier nicht an Anregungen für Abenteuer.
Eine weitere Facette des klassischen „Cthulhu“-Hintergrundes in Deutschland wird in einer kurzen Abhandlung über die Reichswehr näher beleuchtet. Neben allgemeinen Informationen über die Organisation und Bewaffnung und einem kurzen Abriss der Geschichte des offiziellen militärischen Arms der Weimarer Republik, wird natürlich auch vorgeschlagen, wie man diese in das eigene Spiel integriert. Ich bezeichne mich gern selbst als geschichtlich interessiert, und obwohl der Artikel natürlich nur an der Oberfläche kratzt und unmöglich ins Detail gehen kann, fand ich ihn sehr informativ und gut recherchiert, zumal speziell über die Kaderschmiede der späteren Wehrmacht kaum fundierte (und erschwingliche) Sachbücher zu erhalten sind. „Lustig“ fand ich eine Aufzählung von Truppenübungsplätzen, die von der Reichwehr genutzt wurden, unter anderem Munster-Lager in der Lüneburger Heide – ein Schelm, wer da nicht auf Ideen kommen könnte.
Der Artikel über berühmte Forscher und Expeditionsleiter beleuchtet einzelne Persönlichkeiten mit historisch verbürgtem Hintergrund. Archäologen, wie zum Beispiel Dorothy Garrod und der Forscher Percy Harrison Fawcett, werden anhand eines kurzen Lebenslaufs vorgestellt. Jede der vorgestellten Persönlichkeiten hatte theoretisch mehr als genug Gelegenheiten in ihrem Lebenslauf gehabt, um mit Aspekten des Mythos in Berührung zu kommen. Weshalb sich auch hier etliche Abenteuerideen anbieten.
Das anschließende Interview mit Scott David Aniolovski bringt dem Leser einen altgedienten Autor näher, der bereits seit Mitte der Achtziger die Rollenspielgemeinde mit Abenteuern und Szenarien erfreut.
Die Fertigkeiten hinterfragt ein Artikel von Thomas Michalski, der bereits in der vorangegangen Ausgabe die Attribute hinterfragt hatte. Seine Artikelreihe hinterfragt das Regelsystem nicht nur, sondern erschüttert es in seinen Grundfesten, was zu einigen Kontroversen im „Cthulhu“-Forum geführt hat. Diesmal werden die Fertigkeiten unter die Lupe genommen. Ich persönlich fand die dargebotenen Ideen sehr interessant, besonders die Reduzierung der Fertigkeiten auf einige Basisfertigkeiten und die Einführung von Spezialisierungen ist in meinen Augen durchaus sinnvoll. Allerdings wird hier auch nicht das Rad neu erfunden; eine Menge Systeme arbeiten mit ähnlichen Aufteilungen.
Neben den Weisheiten aus dem vorangegangenen Interview, bringt Scott David Anilovski, übersetzt von Frank Heller, interessierten Spielleitern noch Tipps zum Thema „Wie man das Unaussprechliche beschreibt“ und den Spielern mit ausgefeilten Beschreibungen das Grauen näherbringt. Damit der Effekt auch etwas dauerhaft wirkt und die Spieler bei der Stange bleiben, kann man sich die Anregungen, die Marcus Johanus zu diesem Thema hat, zu Herzen nehmen.
Das Abenteuer „Grinwood Manor“ führt eine Gruppe in den 1920ern nach Großbritannien. Das Abenteuer ist ein typisches Szenario nach dem Rezept: erst Spieler von der Außenwelt abschneiden, dann Schrecken verbreiten. Besondere Würze verleihen hier die anwesenden NSC, die in ein komplexes Netz aus Beziehungen verstrickt sind.
Das Abenteuer „Abwärts“ für „Cthulhu-Now“ ist ein packendes Echtzeit-Szenario in New York, welches sich hauptsächlich in einer Fahrstuhlkabine abspielt. Gut geeignet für Cons, lebt das Szenario vor allem von den vorgefertigten Spielercharakteren, was auf der anderen Seite bedeutet, dass etablierte Gruppen hier gar nicht oder nur sehr schwer das volle Potenzial des Szenarios ausschöpfen können.
Fazit: Mit der 15. Ausgabe der „Cthuloide Welten“ tut sich einmal mehr eine wahre Schatztruhe des Grauens auf – eine gelungene Mischung aus Hintergrundinformationen, besonders zu Schauplätzen und Organisationen in Deutschland, gepaart mit Tipps für Spielleiter und zwei gut ausgearbeiteten Szenarien. Besonders gut haben mir die Artikel über die Lüneburger Heide und die Reichswehr gefallen.
Cthuloide Welten #15
Offizielles Magazin für H. P. Lovecrafts Cthulhu
Frank Heller (Hrsg.)
Pegasus Spiele 2008
ISSN: 1610-5362
150 S., Softcover, A4, deutsch
Preis: EUR 8,95
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