Collector

„Collector“ – Science Fiction – Markus Heitz? Dem einen oder anderem mag es bei dieser Kombination ob des Seltenheitswerts etwas unwohl werden, Dritte wiederum werden wohl neugierig sein, was diese Kombination in sich verbergen mag. Eines sei vorweg genommen: Die Neugier wird sich lohnen!

von Tufir

Nun, im „Da Capo“ seines eigenen Werkes beschreibt der Autor selbst, dass ihm die SF nicht vollkommen fremd sei, sondern dass er ja quasi mit ihr („Raumschiff Enterprise“, „Deep Space Nine“, „Babylon 5“, diverse Comics/Animés, etc.) aufgewachsen sei. Auch als langjähriger Rollenspieler hatte er wohl Ende der 1980er eine Begegnung mit einem netten kleinen Science-Fiction-Pen&Paper-Rollenspiel, welches dann zur Realisierung dieses Romans beitrug. Mehr zu diesem kleinen Highlight für alle Rollenspieler unter den Lesern hier am Ende dieser Rezension.

In „Collector“ beschreibt Markus Heitz die Zukunft einer Menschheit, die ihre kleinen politischen und gesellschaftlichen Probleme weniger überwunden, als einfach in den Weltraum portiert hat. Ihr Weg ins Universum hat sie weniger der eigenen Wissenschaft als der Hinterlassenschaft diverser außerirdischer Rassen zu verdanken. Man weiß zwar nicht, warum diese Sternenantriebe und andere Fundstücke funktionieren, aber da man herausgefunden hat, wie man sie nutzen kann, tut man das eben. Dafür haben die Gentechnik und die Kybernetik ihren Siegeszug angetreten und Tier-Mensch Hybride sind ebenso existent, wie kybernetische „Ersatzteile“ für unzulängliche biologische Komponenten, wie Gliedmaßen und innere Organe, bis hin zum ganzen Körper mit Ausnahme des Gehirns. Auch die Kirchen haben es endlich geschafft, sich von ihren althergebrachten Dogmen und Differenzen zu lösen, haben sich mehr oder weniger vereinheitlicht und betrachten das Leben an sich, unabhängig von Abstammung oder Geburt, als höchstes Gut der Schöpfung. Nun missionieren sie mit Feuer und Schwert im Weltall! Politisch gibt es neben einzelnen Regierungen noch Konzerne, die ihre eigenen Truppen unter Waffen haben und von den Weltmächten relativ unabhängig agieren.

In diese Nicht-Idylle platzen nun eines Tages die Collectors. Eine außerirdische Rasse, von denen man nur ihre extrem widerstandfähige, künstliche Panzerung kennt und die es sich offenbar zur Aufgabe gemacht hat, die vom Aussterben bedrohte und schützenswerte Rasse Mensch unter ihre Obhut zu nehmen. Wenn man diesen Satz im Buch liest, bleibt dem SF-Fan der Gedanke an die Borg aus „Star Trek“ nicht lange fern! Doch was wirklich auf den Planeten geschieht, welche die Collectors annektieren und unter ihre Obhut nehmen, bleibt lange Zeit verborgen, denn niemandem gelingt es, von diesen Planeten zu entkommen. Dass die Ahumanen, wie man sie auch nennt, jedoch nichts für Mischwesen oder Kybernetische übrig haben, erkennt man sehr schnell, da diese gnadenlos von ihnen vernichtet werden.

Unter diesen Vorzeichen macht sich eine Gruppe unterschiedlichster Charaktere, die sich gegenseitig kaum ausstehen können und die doch ähnliche Hintergründe aufweisen und ein gemeinsames Ziel haben, auf den Weg, mehr über die Collectors herauszufinden und einen Weg aufzuzeichnen, wie sie besiegt werden können. Unter der Flagge eines Megakonzerns und mit dem Prototyp eines neuen Raumschiffes, sollen sie die Schwachstellen und die wahren Beweggründe der Collectors aufdecken.

Mit „Collector“ beginnt Markus Heitz die Erschaffung eines eigenen Universums – des Universums der Justifiers (so nennen sich die Personen und Truppen, die im Auftrag von Konzernen Probleme lösen, welche sich nicht auf dem Verhandlungsweg lösen lassen). Dabei handelt es sich um die Welt des eingangs erwähnten Rollenspiels, an dem er sich die Rechte gesichert hat und zu dessen erneuter Verbreitung er sich mit Ulisses zusammengeschlossen hat. „Collector“ ist der Grundstein für diese Space-Fiction-Welt, in der Romanidee und Rollenspielwelt miteinander verschmolzen wurden. Er erschafft somit ein Universum, welches sich nicht nur in Romanen, sondern auf in RPG-Abenteuern wiederfinden lassen wird.

In diesem Sinne ist der vorliegende SF-Roman nicht nur literarisch eine Heitz’sche Überraschung, sondern gerade auch für alle Rollenspieler allemal lesenswert. Der Spannungsbogen ist ein typischer Heitz, der gerade so auf- und abschwingt, dass es dem Leser schwer fällt, das Werk für eine Pause zur Seite zu legen.

Unterschiedliche Handlungsebenen in Zeit und Ort geben einem immer das Gefühl, weiterlesen zu müssen, weil ja aus dem vorigen Kapitel noch ein Rätsel der Lösung harrt. Die vielfältigen Protagonisten bieten genügend Identifizierungspotential über den gesamten Roman hinweg, und entgegen vieler seiner anderen Romane weicht der Autor hier tatsächlich von seiner Angewohnheit ab, zu Anfangs einen Charakter vorzustellen, den der Leser als Helden zu erkennen beginnt und der dann plötzlich auf Seite 30 stirbt.

Fazit: Kein Zweifel – wenn Markus Heitz phantastische Ideen hat, dann bringt er sie in überragender Weise zu Papier. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um Fantasy, Horror oder wie im vorliegenden Fall um Science Fiction handelt. Der Autor entwirft ein Universum voller phantastischer Schauplätze, krasser Ideen und spannender Handlungen. Wie so oft eröffnet er auch in diesem Werk Handlungsebenen und -pfade, die offen bleiben und Spielraum lassen für Fortsetzungen oder – und das ist in diesem Fall der Clou für alle SF-Rollenspieler – eigene Ideen. Zusammenfassend sei also gesagt, dass dieser Heitz ein ungewöhnliches Werk ist, das seine Fremdartigkeit jedoch schnell ablegt, sobald man zu Lesen begonnen hat.


Collector
Science-Fiction-Roman
Markus Heitz
Heyne 2010
ISBN: 978-345-352650-1
656 S., broschiert, deutsch
Preis: EUR 10,99

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