Clout Fantasy

Poker-Chips und Fantasy? Funktioniert so etwas? Allerdings. Und Hidden City Games beweisen es uns mit dem wahrscheinlich innovativsten Sammelspiele-Konzept seit den "MageKnight" Click-Basen-Miniaturen.

von Michael Wilhelm

 

Strategie und Geschick sind gefordert, wenn durch das Werfen bunter Plastik-Chips der epische Kampf zwischen den Fantasy-Völkern von "Clout Fantasy" simuliert wird. Elfen, Zentauren, Goblins und Untote sowie die nur in den Boostern vorkommenden Drachen kämpfen um die Vorherrschaft auf dem Schlachtfeld. Und dieses Schlachtfeld ist nur eine der Besonderheiten von "Clout Fantasy". Gespielt werden kann auf jeder auch nur annähernd glatten Fläche. Ein Tisch, das Bett, der Fußboden, gleich ob Fließen, Parkett oder Teppich, und sogar ein Sandstrand eignen sich als Spielfläche. Außergewöhnlich ist, dass je nach Bodenbeschaffenheit die Anforderungen an die manuelle Geschicklichkeit der Spieler unterschiedlich hoch sind. Auf harten, ebenen Flächen springen und rollen die Chips eben weiter als auf weichem Teppich oder gar Sandboden.

Für den Anfang eignet sich weicher Teppich am besten, und dürfte auch am leichtesten verfügbar sein. (Der nächste Strand ist leider mehr als 400 km von hier entfernt…) Hat man also eine passende Unterlage gefunden, wählt jeder Spieler eine der fünf Fraktionen. Theoretisch sind auch Spiele mit mehr als fünf Spielern denkbar, aber dann wird es schwierig, die Chips der einzelnen Spieler auseinander zuhalten. Glücklicherweise sind die Chips jeder Fraktion durch einen farbigen Rand gekennzeichnet. Die Untoten tragen (natürlich) schwarz, Elfen grün, Goblins orange, die durch Harpyien verstärkten Zentauren violett und die Drachen tragen Gold.

Jeder Spieler stellt sich einen Chip-Stapel aus 15 Chips einer Fraktion zusammen. Dabei ist auf die so genannten Clout-Kosten der Chips zu achten. Diese geben sowohl die Kosten zu Beginn des Spiels an als auch die Siegpunkte, wenn am Ende abgerechnet wird. Teure Chips sind stärker und bringen auch mehr Punkte, wenn sie das Gemetzel überleben. Da jeder Chip-Stapel maximal 25 Clout-Punkte kosten darf, führt das zu ausgewogenen Armeen auch mit schwachem Fußvolk. Nun wird reihum ein Chip auf die etwa 1x1 m messende Spielfläche geworfen. Landet der Chip auf dem Spielfeld, werden Fähigkeiten wie Angreifen oder Bewegen sofort ausgeführt. Dabei hat jeder Chip einen Reichweitenwert, der bestimmt, wie nahe er an einem potentiellen Opfer landen muss, um dieses anzugreifen, und einen Verteidigungswert, der angibt, wie stark ein Gegner sein muss, um den Chip zu schlagen.

Basen und Einheiten bleiben auf dem Spielfeld liegen und können von gegnerischen Chips angegriffen werden oder sich mit Fähigkeiten wie Gegenschlag oder Hinterhalt zur Wehr setzen. Aktionen-Chips mit einem einmaligen Effekt werden zwar wie andere geworfen, verlassen aber am Ende des Zuges das Spielfeld wieder. Das Spiel ist vorbei, wenn alle Spieler ihren kompletten Stapel auf das Spielfeld geworfen haben. Gewonnen hat derjenige, der über die meisten Clout-Punkte auf dem Feld verfügt. Boni gibt es, wenn die eigenen Einheiten innerhalb der Reichweite eines Basen-Chips liegen, diese sozusagen bewachen.

Die strategischen Elemente halten sich bei "Clout Fantasy" eher im Hintergrund, man wirft eben so aufs Spielfeld, was einem günstig liegenden, gegnerischen Chip gefährlich werden könnte. Dagegen ist manuelles Geschick von weitaus höherer Bedeutung als bei den meisten anderen sammelbaren Spielen. Die Lernkurve ist jedoch recht ausgeprägt, da schon nach ein paar Spielen recht gezielt gegnerische Einheiten angepeilt werden können.

Jede der Fraktionen hat so ihre Eigenheiten. Goblins werden erst in der Masse wirklich stark, die Untoten können mit der Fähigkeit "Zerstören" gegnerische Chips direkt ausschalten, ohne deren Verteidigungswert übertreffen zu müssen, Zentauren können sich auch nach dem Werfen noch auf dem Spielfeld bewegen und die Elfen haben in Form der Baumhirten wahre Basenbrecher (Man denke an die Ents in Isengart bei "Der Herr der Ringe"…).

Die Chips sind von herausragender Qualität und liegen vorzüglich in der Hand. Neben einem farbigen Ring findet sich auf beiden Seiten eine Illustration, wobei Hidden City Games namhafte Künstler gewinnen konnte. Die Spielwerte und Fähigkeiten finden sich auf beiden Seiten aufgedruckt, einmal auf Deutsch und einmal auf Englisch. Insgesamt gibt es mehr als 220 verschiedene Chips der Seltenheitsstufen Common, Uncommon und Rare. Zu haben ist "Clout Fantasy" in Form zweier Starter mit je zwei mal 15 Chips und in Boostern mit je zwei Chips.

In den Startern finden sich zusätzlich die Spielanleitung sowie ein Maßband. Das Preis-Leistungsverhältnis ist sehr unterschiedlich. Die Chips in den Startern sind zwar festgelegt und auch nur Common und Uncommon, aber in den Boostern muss nicht unbedingt ein Rare Chip drin sein. Bei dem Preis von 2 Euro für zwei Chips kann man sich vorstellen, wie schwer es ist, ein komplettes Set zu sammeln. Einfache Spiele lassen sich aber bequem aus den günstigen, vorgefertigten Zwei-Spieler-Startern spielen.

Fazit: Werft euch, oder besser eure Chips, in die Schlacht. "Clout Fantasy" ist mit Sicherheit eines der innovativsten Konzepte der letzten Jahre in der Spielebranche. Denn hier entscheidet wirklich nicht nur die Stärke des Geldbeutels über Sieg oder Niederlage, sondern vor allem das manuelle Geschick. Ob das aber zu einem ähnlichen Quantensprung wie bei "MageKnight" und "HeroClix" führen wird, bleibt anzuwarten.


Clout Fantasy
Grundset
Jesper Myrfors, Paul Peterson
Hidden City Games / Amigo 2005
220 Chips, deutsch/englisch
Preis: EUR 9,95 (Starter "Zentauren & Goblins" oder "Elfen & Untote"), EUR 1,99 (Booster)