Um es in einem Satz vorweg zu nehmen: Das Game ist so lecker wie ein Banana Split! Selten hatte ich so viel Spaß am Lesen eines „Regelwerks“, was ja schon per definitionem eher trocken daherkommt. Trocken ist hingegen in dem vollfarbigen und wunderschön aufgemachten Hardcoverband nur eines: der Humor. Mit einer Schreibe, die geradezu dem Buffyversum entsprungen scheint, führen uns die Autoren über 250 Seiten einmal quer durch die Standards jedweden Rollenspiels. Und weil die besten Sprüche einfach aus der Serie selbst stammen, hat sich ein ganzes Heer von „Quotemeisters“ seine Freizeit um die Ohren geschlagen, um unsere Lieblingsdämonen und -dämonenjäger zu jeder passenden Gelegenheit persönlich zu Wort kommen zu lassen. Auch wenn ich es sonst eher selten erwähne: Hier gewinnt eindeutig, wer im Englischunterricht zumindest Interesse geheuchelt hat.

Bereit für eine Runde Herzschmerz?

Dann packt Knobi und TicTac, Pflock und Lippenstift, Kreuz und Silberkettchen (für die fortgeschrittene Slayerette: Kreuz am Silberkettchen) in die Handtasche und los geht´s. Zur Einleitung gibt´s ein herzliches Willkommen von den Machern sowie die obligatorischen Was-Wie-Wo-und-Warum rund ums Rollenspiel. Für alle, die nicht regelmäßig ihren DVD-Player mit Buffy-Wiederholungen beglücken, werden im ersten Kapitel nochmal die ersten fünf Staffeln der Serie in handlichem Format zusammengefasst. Danach geht es ans fröhliche Alter-Ego-Schaffen. Attribute, Vor- und Nachteile sowie Fertigkeiten und Kampfmanöver wollen ausgewählt werden, wobei sich das Spielsystem – der Serie entsprechend – nicht mit zu viel Regelfinesse belastet, sondern beispielsweise 18 relativ breite Basisfertigkeiten entwirft, wie „Computers“, „Getting Medieval“ [= Nahkampfwaffen], „Mr. Fix It“ oder „Occultism“. Und unter Kampfmanöver ist schlicht zu lesen: „Siehe Kapitel 3“ – Äh, ja, das auch, aber eigentlich meinte ich: „Such dir aus der Liste aus, was du können willst!“ Berücksichtigt man, dass Buffy und ihre Leute – Xander vielleicht ausgenommen – bei Begriffen wie Mindestattributswert oder Prestigeklassenvoraussetzung (Gesundheit!) nur fragend die gezupften Augenbrauen heben würden, klingt diese „Regellosigkeit“ durchaus vernünftigt. Wer keine Lust hat, sich mit Details seiner numerischen Zeugung auseinanderzusetzen, kann auch einfach einen von zwölf vorgefertigten Charakteren übernehmen oder – nach Rücksprache mit dem „Regisseur“ der Spielrunde – einen der ebenfalls zwölf bekannten Helden aus der Serie. Andererseits: Wer will schon Cordelia spielen, bevor sie zu „Angel“ wechselte?

Im dritten Kapitel geht’s dann doch etwas regel-mäßiger zu. Das „Buffy“-Rollenspiel folgt dem hauseigenen Unisystem der Eden Studios, allerdings um der Atmosphäre Willen auf ein notwendiges Minimum zusammengekürzt. Die Basics sind so simpel, dass man sie in drei Sätzen wiedergeben kann: Wannimmer die Umstände eine Würfelprobe erfordern, würfel 1W10 und addiere entweder einen passenden Attributswert und einen passenden Skillwert oder 2x einen passenden Attributswert. Je höher das Ergebnis, desto größer der Erfolg (in zehn Stufen von „Adequate“ [9-10] bis zu „God-like“ [33-35]). Umstände mögen den Erfolgswurf modifizieren und manch eine Probe verlangt eine bestimmte Erfolgsstufe. Einfach und schnell. Geht es statt gegen Objekte gegen Spielleitercharactere (vom „Supporting Cast“ à la Joyce Summers bis zum „Not-So-Supporting Cast“ im Sinne von Blutsaugern, bösen Hexen und Höllenbrut), wird auf drei „Ability Scores“ zurückgegriffen, die im körperlichen, kriegerischen oder intellektuellen Wettstreit überboten werden wollen. Der Kampf (böse Sache), Drama Points (gute Sache – vor allem für Nicht-Jäger) und Experience Points (wir wollen ja nicht ewig kreischende Teenies bleiben) füllen den Rest des Kapitels. Hier kommen ein paar kleinere Formeln und Tabellen ins Spiel, aber nix, was einen geistig überfordern würde, wenn man beispielsweise „Die Siedler von Catan“ kapiert hat.

Hexentanz durch Sunnydale

Im vierten Kapitel wird’s magisch. Kleine Hexenkunde mit Willow ist angesagt, wobei vor allem betont wird, wie knifflig die Zauberei ist – und zu dieser Art von Risiken und Nebenwirkungen können weder Arzt noch Apotheker schlaue Ratschläge geben. Ansonsten liegt der Schwerpunkt eher auf der Entwicklung von Ritualen und Sprüchen, als auf fertigen Spruchtabellen (die sechs vorgefertigten Zaubertricks sind bestenfalls als Beispiele zu verstehen). In den meisten Fällen greift man im Buffyversum ohnehin nur zur arkanen Kunst, wenn es die Handlung erfordert, nicht, um vor dem Schlafengehen noch ein paar überschüssige Manapunkte zu verblasen. Dementsprechend sollten Rituale eher als einmalige, denn täglich wiederkehrende Ereignisse gehandhabt werden.

Danach geht es auf Kurztripp durch Sunnydale, wobei die Betonung auf kurz liegt. Viel mehr als eine okkulte Stadtrundfahrt mit einer Übersicht der wichtigsten Locations und Personalia namhafter (wenngleich meist temporärer) Mitbürger wird nicht geboten. Allerdings ist den meisten unter uns die lauschige Kleinstadt mit den niedrigen Grundstückspreise und der hohen Sterblichkeitsrate ja hinreichend aus der Serie bekannt. Wem nicht, dem sei entweder eine Staffel „Buffy“ empfohlen oder aber das Spiel in einem alternativen Setting (nicht die dümmste Idee, bedenkt man, wie stark „vorbelastet“ jede Kampagne in Sunnydale wäre – Cleveland wäre kein schlechter Ort für eine angehende Jägergruppe, habe ich gehört ...).

Wer immer sich in den Dunstkreis der Dämonen begibt, sollte wissen, worauf er sich einlässt, und damit die Hauptdarsteller ihre Lektion auf die harte Tour lernen, richtet sich das Kapitel „Creatures of the Night“ ausschließlich an die Regisseure. Vampire, Dämonen, Zombies, Killerroboter und die Big Bad-Riege der ersten fünf „Buffy“-Staffeln geben sich hier ein Stelldichein und werden in Stärken und Schwächen beleuchtet. Vor allem Draculas Artgenossen wird dabei Aufmerksamkeit geschenkt – das liegt an dem amerikanischen Untertitel der Serie „the Vampire Slayer“. Die Informationen werden vielleicht keine Anne-Rice-Jüngerin befriedigen, in Anbetracht der Tatsache, dass der durchschnittliche Nosferatu bei Buffy nach drei Kampfrunden zu Staub zerfällt, sind sie jedoch fürs Spiel mehr als ausreichend – und ganz Unersättliche können ja zum Quellenband „Monster Smackdown“ greifen.

Das vorletzte Kapitel (wir haben es gleich geschafft!) nimmt sich den angehenden Regisseur zur Brust und verpasst ihm einen Crashkurs in Sachen Staffelkonzeption, Spannungsdramaturgie und Spielbalance. Alte Hasen können entweder darüber hinwegblättern oder sich an der flotten Feder erfreuen, mit der die Autoren auch dies, traditionell langweiligste Kapitel, gemeistert haben. Den Abschluss bilden schließlich die spielfertige Episode „Sweeps Week“, die sich vortrefflich als Start einer neuen Staffel eurer persönlichen Slayer-Serie „Heribert im Bann der Dämonen“ (oder wie auch immer) eignet und die in den anderen Quellenbüchern wieder aufgenommen wird – billiger Trick der Edens, uns zum Kaufen all ihrer Produkte zu verleiten, hm? Das Buch endet mit einem vorbildlichen Anhang, der neben einer Übersicht aller wichtigen Tabellen, einem Glossar, einem Index, der Charakterkarte und den NSC-Bögen als Kuriosum mit sieben Seiten „Buffyspeak“ aufwartet, die allerdings vor allem englischsprachigen Spielrunden kommunikativ auf die Sprünge hilft.

Kurzfassung für Lesefaule: Cooles Spiel! Kaufen und Sunnydals aus erster Hand erleben! (War das nun kurz, oder was?)