Buch der Verdammten 2: Abyss

Blicke in den Abgrund. Dort lauern die Dämonen, sündige Seelen, die sich zu schrecklichen Kreaturen verwandelt haben und danach trachten, das Leben auszulöschen. Sie wollen verführen, zerstören und versklaven. Der zweite Band des „Buchs der Verdammten“ widmet sich der Abyss und ihren Bewohnern, chaotisch bösen Dämonen, die wie schon die Teufel in Band eins einen Klassiker der Antagonisten im Rollenspiel darstellen. Schauen wir, ob der Band aus der „Pathfinder“-Kampagnenwelt ihnen gerecht wird.

von Tobias Dworschak

 

James Jacobs, Urgestein des Rollenspiels im Allgemeinen und von „Pathfinder“ im Besonderen, ist bekennender Dämonen-Fan. Aus seiner Feder stammt das die typischen 64 Seiten umfassende Heft, das mir für die Rezension in der PDF-Ausgabe vorliegt. Mister Jacobs war bereits als Autor maßgeblich an dem „Codex Daimonis – Horden des Abyss“ für „Dungeons & Dragons 3.5“ beteiligt und legte mit den Grundstein für den dämonenlastigen Abenteuerpfad „Der Zorn der Gerechten“, der gerade bei Ulisses in der deutschen Übersetzung erscheint.

Apropos Übersetzung: Diese liest sich in der „Abyss“ holperig. Ich bin wiederholt an inhaltlichen Unverständlichkeiten und Wortwiederholungen hängen geblieben; zwar nicht in einem Maße, dass es zu einer Abwertung des Heftes führen würde, aber doch so, dass es mir aufgefallen ist. Ansonsten hält sich auch dieses Heft an die „Pathfinder“-Standards: vollfarbige Seiten, aufgelockert durch größtenteils passende Illustrationen von guter bis sehr guter Qualität, zweispaltiges Layout. Besonders hervorzuheben sind hier die zwischen den einzelnen Kapiteln eingestreuten Seiten aus dem fiktiven „Buch der Verdammten“, die von dem Abyss und den Dämonen erzählen.

Der erste Blick fällt auf das Cover – und auch wenn Kunst Geschmacksfrage ist, muss ich zugeben, dass ich es nicht mag. Die gute Nocticula, Dämonenherrscherin der Attentäter, Dunkelheit und Lust ist mir ein bisschen zu plakativ. Gelungen ist hingegen schon die Innenseite des Covers, auf der sich eine ganze Reihe von Namensrunen für Dämonenherrscher finden. Die lassen sich gut im Spiel einsetzen. Die Illustrationen im Heft bilden überwiegend Kreaturen ab. Obwohl sie gelungen sind, fangen sie doch vielfach keine Stimmung ein, wie ich es von szenischen Bildern kenne.

Das Heft umfasst vier einzelne Kapitel, wobei das letzte – „Die Dämonenhorde“ – natürlich ein Bestiarium mit neuen Dämonen ist. Auf jeweils einer Doppelseite werden vier neue Bewohner des Abyss vorgestellt. Dabei sind unterschiedliche Herausforderungsgrade vertreten, sodass die Dämonen in unterschiedlichen Kampagnen eingesetzt werden können. Neben bloßen Werten finden sich Hintergründe zu der Geschichte, dem Sozialverhalten und der Rolle des Dämonen, sodass am Ende ein runder Gesamteindruck entsteht.

Das erste Kapitel, „Herrscher des Abyss“, widmet sich den Dämonenherrschern. Im Mittelpunkt steht Lamasthu, die Mutter der Monster und vielleicht so etwas wie die Herrscherin der Dämonen. Es folgen eine Vielzahl anderer Dämonenherrscher, denen – von einigen Ausnahmen abgesehen – jeweils eine halbe Seite gewidmet ist. Der Platz wirkt auf den ersten Blick sehr spärlich. Beim Lesen bin ich aber überrascht. James Jacobs gelingt es, in den kurzen Zeilen stimmige Bilder zu zeichnen, die vor Inspiration überquellen. In wenigen Worten werden Wesen oder Herkunft des Dämonenherrschers dargestellt. Manchmal finden sich Motive, häufig Konflikte zu anderen Dämonen. Die Beschreibungen sind uneinheitlich was ihren Inhalt betrifft, aber immer passend. Eingeleitet werden sie jeweils von einem kleinen Infoblock, der neben Angaben zum unheiligen Symbol, typischen Tempeln, Anhängern und Dienern auch jeweils einen Akt des Gehorsams enthält. Letzterer dient Anhängern des Dämonenherrschers dazu, bestimmte Vorteile (in der Regel in Form von Segen, die auch gleich aufgeführt sind) zu erhalten und wendet sich damit in erster Linie an Nichtspielercharaktere. Auch wenn dies für die Spieler an sich nicht interessant ist, erlaubt es mir als Spielleiter, Dämonen konsistent in meine Kampagne einzubauen, etwa, indem die Spieler mit den Auswirkungen bestimmter Rituale konfrontiert werden.

Das Kapitel „Dämonenbrut“ wirft einen genaueren Blick auf die aus den Monsterhandbüchern bekannten Dämonen. Zuerst gibt es einen kurzen Abriss über die unterschiedlichen Legenden, wie die Dämonen entstanden sind. Dann betrachtet der Autor in alphabetischer Reihenfolge alle bisher veröffentlichten Dämonen (praktischerweise mit Quellenangabe), umreißt deren groben Rollen und widmet sich der Frage, wie ich solche Dämonen gut einsetzen kann. Abgerundet wird diese Beschreibung durch bevorzugte Opfergaben (falls ich mal einen Dämon beschwören möchte) und die mit dem Dämon verbundene Sünde. Der zweite Teil widmet sich werdenden Dämonenherrschern. Diese haben grundsätzlich den Vorteil, dass sie nicht so übermächtig sind wie wahre Dämonenherrscher und sich damit wesentlich besser als Endgegner einer Kampagne eignen. Ich erhalte Regeln, wie ich eigene werdende Dämonenherrscher erschaffen kann. Außerdem gibt es wieder einige Beispiel von bekannten werdenden Dämonenherrschern.

„Dämonologie“ beschäftigt sich schließlich mit der Interaktion zwischen Menschen und Dämonen und stellt damit den regellastigen Teil des Buches dar. Auf einer Seite erfahre ich, wie und warum bestimmte Klassen Dämonen verehren könnten. Ich lerne, wie ein Gegenspieler versuchen kann, sich selbst in einen Dämon zu verwandeln; entweder, indem er sich Körperteile eines Dämons implantiert (was ich aus erzählerischer Sicht für eine wirklich hervorragende Idee halte) oder indem er jahrelange Rituale durchführt, die seine Seele verderben und ihn immer mehr verwandeln.

Mit dem Dämonengefäß wird eine neue Prestigeklasse vorgestellt, die sich aus meiner Sicht vor allem für Nichtspielercharaktere eignet. Im Kern geht es darum, dass sich ein Wesen der dämonischen Besessenheit öffnet, um dadurch Vorteile zu gewinnen. Diese Klasse lässt sich gut nutzen, um damit einen Gegenspieler aufzuwerten und einzigartiger zu machen. Schließen fehlen auch neue Gegenstände und Zauber nicht, doch zum Glück ist deren Anzahl überschaubar. Hinzu kommt, dass mir gerade die beiden Zauber Ungeziefergestalt I und II ganz gut gefallen. Ich sehe Spitzel des Feindes schon als Spinnen durch die Dunkelheit huschen.

Fazit: Das „Buch der Verdammten II – Abyss“ überzeugt mich. Ich finde eine Menge Material, das ich über Golarion hinaus einsetzen kann und jede Menge Inspiration schon bei den kurzen Artikeln über die Dämonenherrscher. Mit spannenden Ideen, die nicht unbedingt neu sind, haucht James Jacobs den Dämonen Leben ein. Auch wenn ich mir angesichts des Titels vielleicht noch einen kleinen „Reiseführer“ in die Abyss gewünscht hätte, fehlt dem Buch insgesamt nichts. Gerade für den Spielleiter, der „irgend etwas mit Dämonen“ plant, erweist sich der Band als wertvolle Unterstützung.

Der zweite Teil des Fazits muss einen Vergleich zu dem ersten Band der kleinen Serie ziehen. Mit den Teufeln und der Hölle war ich nicht so zufrieden wie mit dem vorliegenden Heft, kann aber nur schwerlich festmachen, woran das liegt. „Abyss“ ist mit einer größeren Leidenschaft für das Thema geschrieben und ich merke den Zeilen an, dass der Autor wirklich hinter der Sache steht. Auch wenn gerade die Beschreibung der einzelnen Dämonenherrscher ähnlich unvollständig ist wie die der Erzteufel, hinterlässt sie doch mehr Inspiration.

Zum Schluss: „Pathfinder“-Veröffentlichungen stehen seit geraumer Zeit nicht alleine, sondern betten sich in ein Thema. Das gilt auch für „Das Buch der Verdammten 2“. Es erscheint im Zusammenhang mit dem Abenteuerpfad „Zorn der Gerechten“ (in dem es gegen die dämonischen Horden aus der Weltenwunde geht). Nach meiner Einschätzung eignet sich das Heft aber nur bedingt, um den Abenteuerpfad zu bereichern, weil alles Dämonische, das ich dazu brauche, bereits in den einzelnen Teilen des Abenteuerpfades vorhanden ist und „Das Buch der Verdammten 2“ einen weiteren Fokus setzt.


Buch der Verdammten 2: Abyss
Quellenbuch
James Jacobs
Ulisses Spiele 2014
ISBN: 978-3-95752-017-3
64 S., Softcover, Deutsch
Preis: EUR 19,95

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