Bodytech

Welcher Straßensamurai bei „Shadowrun“ liebäugelt nicht damit, seinen Körper immer stärker, schneller und widerstandsfähiger zu machen? „Bodytech“ erweitert das Grundregelwerk um neue Ausrüstung und Regeln, mit denen man diesem Ziel näher kommen kann, beschränkt sich aber nicht darauf.

von Holger Angenent

Ein nicht unbeträchtlicher Teil des Reizes von „Shadowrun“ liegt sicherlich in der Tatsache begründet, dass die Technik in der sechsten Welt so weit fortgeschritten ist, dass die Voraussetzungen des eigenen Körpers keine unüberwindbaren Beschränkungen mehr darstellen.

Die einzelnen Kapitel widmen sich detailliert den verschiedenen technischen Möglichkeiten. Durch Cyber- und Bioware können selbst extravagante Wünsche befriedigt werden. Das entsprechende Kapitel von „Bodytech“ erweitert das schon umfangreiche Basisregelwerk um weitere Optionen, den eigenen Körper zu verbessern. Es werden neue Arten von Implantaten vorgestellt, mit denen Runner den entscheidenden Vorteil gegenüber dem Gegner erlangen können. Symbionten beispielsweise sind ein Extra, die formell auch zur Bioware zählen. Diese eigenständigen Lebewesen nisten sich im Körper des Runners ein und ergänzen ihn um neue Funktionen wie zum Beispiel Elektrorezeptoren. Es ist sicherlich nichts für schwache Nerven, sich bewusst eine Art Parasit einpflanzen zu lassen, aber was tun manche Runner nicht für einen kleinen Vorsprung.

Doch nicht nur die Bedürfnisse von Kampfmaschinen werden aufgegriffen, auch das Aussehen von Metamenschen lässt sich mit Hilfe der Technologie beinahe beliebig verändern. Von einfachen Eingriffen der Schönheitschirurgie bis zum Hinzufügen von metamenschlichen und tierischen Merkmalen bleibt dem zahlungskräftigen Kunden nichts verwehrt.

Auch in der Welt von „Shadowrun“ schreitet die Technik voran. Der Bauplan des Lebens selbst, die Gene, können mittlerweile verändert werden. Ein kompletter Abschnitt widmet sich deshalb der Gentech und den regeltechnischen Auswirkungen. Da sich dieser Fortschritt fast noch im Entwicklungsstadium befindet, können sich die meisten Shadowrunner diese Erweiterung wohl kaum leisten. Für den Spielleiter gibt es mittels Gentech jedoch nun Möglichkeiten, die Spieler zu überraschen. Beispielsweise rechnen die meisten Spieler nicht mit 70-Jährigen, die das Aussehen von 20-Jährigen besitzen.

Ebenso hat die Nanotechnik Fortschritte gemacht, die es erlauben, bei der Verbesserung des Körpers eingesetzt zu werden. Stellenweise ganz ohne den Verlust wertvoller Essenz können Naniten in die Blutbahn zahlungswilliger (manchmal auch unfreiwilliger) Kunden gebracht werden. Seien es Implantatheiler, Nantidote oder Neuroverstäker, die Fortschritte der Nanotechnik ermöglichen neben der etablierten Cyberware Anwendungsgebiete, die bisher verschlossen blieben.

Doch was nützen die besten Körpermodifikationen, wenn man niemanden findet, der sie einem einbauen kann? Dieser und anderer Problematiken widmet sich das Kapitel der erweiterten Medizinregeln. Hier wird im Gegensatz zum Grundregelwerk klar geregelt, welche Institution welche Art Behandlung zu welchem Preis anbietet. Die Durchführung der Behandlung wird natürlich ebenso detailliert vorgestellt. Auch andere Dinge des Runneralltags werden mit optionalen Regeln erweitert. Im Fall von besonders schweren Wunden oder Patzern wird dem Spielleiter eine ganze Liste von unschönen Auswirkungen vorgestellt.

Wunden sind jedoch nicht das einzige körperliche Gebrechen, das den Einwohnern der sechsten Welt widerfahren kann, auch von Krankheiten bleiben sie nicht verschont. Ähnlich wie die Gifte des Grundregelwerks, werden in „Bodytech“ verschiedene gefährliche Krankheiten mit ihrer Wirkungsweise katalogisiert. Besonders üble Zeitgenossen sorgen mit biologischen Waffen dafür, dass fatale Krankheiten gezielt als Waffe eingesetzt werden können. Die dafür zum Einsatz kommenden biologischen Kampfstoffe erhalten ebenso wie die dafür existierenden Gegenmittel eine Erwähnung.

Wer meint, dass all diese technischen Errungenschaften nicht ausreichen, um eine Person zu vercybern, dem werden im letzten Kapitel schließlich auch noch Regeln an die Hand gegeben, um selbst die Hürden der Essenz zu überschreiten. Fast schon ins Mystische driften Cybermantie und Cyborgs ab. Diese Wesen, die fern jeder Natürlichkeit agieren, sind mehr ein Mittel für den Meister als für den Spieler. Sie bieten sich jedoch für eine Umsetzung der Runneralbträume an.

„Bodytech“ ist, wie für „Shadowrun“-Regelwerke üblich, sehr gut lesbar geschrieben. Das Buch ist im fiktiven Matrixforum Jackpoint angesiedelt, in dem Bewohner der sechsten Welt ihre Kommentare abgeben. Dadurch bietet es einen guten Unterhaltungswert, geizt gleichzeitig jedoch nicht mit Spieler- und Meisterinformationen.

Fazit: Alles in Allem wieder mal ein gelungenes Regelwerk zu „Shadowrun“ mit hohem Nutzwert für Spieler und Meister. Trotzdem würde ich „Bodytech“ bei einer Spielweise, die nicht darauf abzielt, die Runner maximal zu vercybern, nicht als absolutes Muss bezeichnen. „Shadowrun“ lässt sich prinzipiell auch gut ohne das Buch spielen. Für Spielleiter allerdings, die immer noch eine Überraschung in der Hinterhand haben wollen, ist es Pflichtlektüre.


Bodytech
Quellenbuch
Rob Boyle, Robyn King-Nitschke, Peter Taylor u. a.
Pegasus Press 2009
ISBN: 978-3-939794-77-6
184 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 29,95

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