Blue Moon

Der König ist tot, die Stadt Blue Moon wurde zerstört und in den Nachfolgekriegen fiel der goldene Drache. Daraufhin wandte sich der Gott Blue Moon von den dort lebenden Völkern ab. Die verheerende Nacht des Schicksals stürzte über sie herein, der Heilige Kristall des Psi zerbrach. Lediglich drei urgewaltige Drachen bewachen noch dessen zahlreiche Bruchstücke und warten auf den neuen Herrscher.

von Michael Wilhelm

 

Aufgabe der Spieler ist es nun, sich auf die Seite eines der Anwärter auf die Königswürde zu schlagen und im Kampf um den Thron zu unterstützen. Der Sieger soll von den Drachen mit Teilen des Heiligen Kristalles belohnt werden. Also schart der Spieler den Anführer und die Mitglieder eines der acht in Blue Moon City lebenden Völker um sich.

Dieser neueste Streich des Wirtschaftsmathematikers Reiner Knizia, bekannt durch Spielehits wie „Der Herr der Ringe“ (Kosmos) oder „Amun-Re“ (Hans im Glück), ist etwas ganz Besonderes. Es handelt sich um ein nicht sammelbares aber selbständig zusammenstellbares Kartenspiel, dessen Basis-Set bereits Anfang dieses Jahres erschien, und dessen zunächst sechs Erweiterungen paarweise im Abstand von etwa 6 Monaten erscheinen sollen.

Das besondere Konzept Knizias bestand darin, eine vollkommen neue, aus keinem Film, Buch oder Vorgängerspiel bekannte Phantasiewelt zu erschaffen, an deren Entwicklung und Hintergrund er maßgeblich beteiligt ist. Ihm schwebte vor, eine Welt zu erschaffen und dann dort im Laufe der Zeit verschiedene Spiele anzusiedeln, also immer wieder dorthin zurückzukehren, während diese Welt und deren Bewohner sich fast selbständig weiter entwickeln. Die erste Idee wurde zu einem Kartenspiel für zwei Spieler ab zwölf Jahren, eben in dieser "frischen" Phantasiewelt angesiedelt, an dessen Entstehung namhafte internationale Illustratoren aus dem Phantastik-Genre mitwirkten, darunter der mit seinen stimmungsvollen Bildern zu „Dungeons & Dragons 3rd Edition“ etablierte Todd Lockwood, der die amazonenhaften Mimix entwarf, und Franz Vohwinkel, der die Gelehrten vom Volk der Hoax, die Mutanten und das Spielbrett illustrierte.

Jeder Spieler wählt zu Beginn ein aus 30 Karten bestehendes Set und zusätzlich eine Anführerkarte. Der Anführer wird am Spielbrett an die dafür vorgesehene Stelle gelegt, ebenso der gemischte Kartenstapel. In der Mitte des Spielbrettes, an welche außerdem der Unterstützungsbereich und der Kampfbereich grenzen, werden dann drei Drachenfiguren postiert, um deren Gunst nun gekämpft wird. Für jeden gewonnenen Kampf erhält ein Spieler einen Drachen aus dem Vorrat in der Mitte. Geht danach ein Kampf verloren, muss der Spieler einen der gewonnenen Drachen zurück in die Mitte legen. Erst dann kann der Gegenspieler selbst Drachen erobern. Das heißt, dass immer nur ein Spieler Drachen vor sich liegen haben kann. Gewinnt ein Spieler nach dem Erobern von drei Drachen einen weiteren Kampf, hat er das Spiel gewonnen. Für den Sieg und jeden eroberten Drachen erhält der Spieler nun einen Teil des Heiligen Kristalls. Durch das Ansammeln von Kristallen lassen sich sozusagen auch Kampagnen um einen Gesamtsieg spielen.

Der Kampf läuft rundenweise ab. Zentrales Element sind Charakterkarten, deren wichtigste Eigenschaften Kampfwerte in den Elementen Erde und Feuer sind. Der Startspieler eines jeden Kampfes wählt das Element, in dem der Kampf abläuft. Dieses kann sich aber im Verlauf des Kampfes durchaus noch ändern. Jeder Spieler erhält sechs Handkarten. Nun wird reihum ein Charakter ausgelegt, und eventuell dessen Kampfkraft mit im Spiel verbleibenden Unterstützungskarten oder auf den im Kampfbereich liegenden Charakter gespielten Verstärkungskarten erhöht. Das Ziel ist, die Stärke des Gegners zumindest zu erreichen oder zu übertreffen. Besser noch ist es, wenn eine Stärke erreicht werden kann, die der Gegner gar nicht nicht erlangen kann, wenn dieser wieder an der Reihe ist, sodass er sich zurückziehen muss. Der Gewinner des Kampfes erhält einen Drachen. Dabei ist zu beachten, dass jede Runde ein neuer Charakter ausgelegt werden muss, es also durchaus sinnvoll ist, "klein" anzufangen, und nicht gleich alles schwere Geschütz zu Beginn zu verpulvern. Bis dahin ist alles noch sehr simpel. Komlpexer wird die Angelegenheit durch Sonderfähigkeiten auf vielen Charakter-, Unterstützungs- und Verstärkungskarten. So können gegnerische Karten abgeworfen werden, deren Effekte ignoriert oder geschwächt werden, die Stärken der eigenen Karten gesteigert werden oder Karten aus dem Reserve- oder Abwurfstapel oder dem Kampfbereich auf die Hand genommen werden. Auch kann die Anzahl der gewonnenen Drachen modifiziert werden.

Dadurch erhält das Spiel ein großes Maß an Abwechslung, und vor allem erhält jedes der verschiedenen Völker einen unterschiedlichen Charakter. So verfügen die im Basispiel vorhandenen Gelehrten vom Volk der Hoax über mehrfach verwendbare Unterstützungen und Charaktere, die immer wieder nach Gebrauch auf die Hand zurückgenommen werden können. Die Vulca, wie der Name schon sagt: Feuerwesen, ebenfalls aus dem Basis-Set, haben in ihren Reihen eine Menge Charaktere mit hohen Stärkewerten bei Kampf im Element Feuer. Die im Februar erschienenen vogelähnlichen Flit verfügen über paarweise kombinierbare Verstärkungen, die die Stärke des kämpfenden Charakters signifikant erhöhen, während die amazonenähnlichen Mimix zwar über viele kleinere Kämpferinnen verfügen, diese aber oft auch in Paaren gespielt werden können. Dagegen kommen die im Herbst erschienenen Khind geradezu in Massen. Durch die Fähigkeit zur Gang-Bildung können bis zu fünf der grünhaarigen Charaktere gespielt werden, die einen gegnerischen Kämpfer somit überwältigen. Sie verfügen auch über verschiedene Fähigkeiten zur Manipulation der eigenen Kartenvorräte und der gegnerischen Kampfbereiche sowie über die Möglichkeit, die Kampfwerte gegnerischer Charaktere zu modifizieren. Zeitglich kamen die erdverbundenen Terrah auf den Markt, deren Stärke vor allem im Element Erde liegt. Sie besitzen außerdem Möglichkeiten, direkt ohne Kampfgewinn Drachen zu erobern und den Gegner zu gewissen Aktionen zu zwingen, um sich nicht vom Kapmf zurückziehen zu müssen. Für das Jahr 2005 sind bereits die Völkersets Pillar und Aqua angekündigt.

Sowohl durch die stimmungsvollen farbigen Illustrationen der Karten als auch durch die Zitate erhält man während des Spielens immer tiefere Einblicke in die Welt von Blue Moon, besonders aber auch in die Denk- und Sichtweisen der jeweiligen Völker, deren Eigenheiten sich auch in ihren verschiedenen Kampffähigkeiten widerspiegeln.

Fazit: Blue Moon und die bisher erschienen Völkersets machen wirklich Appetit auf mehr. Ein kleiner Trick des Herausgebers ist sicher das Unterbringen von Karten fremder Völker in den einzelnen Völkersets, sodass man schon vorab einen kleinen Vorgeschmack auf noch nicht erhältliche Völker bekommt. Aber durch die Vielzahl an Kombinationsmöglichkeiten bei bisher sechs spielbaren Völkern und die Möglichkeit, Völker zu kombinieren, verfügt das Spiel über eine Vielseitigkeit, die sonst nur von Sammelkartenspielen bekannt ist, ohne vom Spieler große Investitionen zu verlangen. Die Kartenillustrationen sind von sehr hoher Qualität und allein schon sehenswert. Man kann nur gespannt sein, was Reiner Knizia mit der Welt Blue Moon noch so alles vorhat.


Blue Moon Basisspiel
Kartenspiel
Rainer Knizia
Kosmos 2004
ASIN: B0002M4BLU
Sprache: Deutsch
Preis: ca. EUR 12,00

bei amazon.de bestellen