Blades in the Dark

„Blades in the Dark“ ist ein innovatives Rollenspielsystem, das die Spieler in die düstere, von Intrigen und Verbrechen geprägte Welt der Stadt Doskvol entführt. Entwickelt von John Harper und veröffentlicht von Evil Hat Productions, hat sich das System einen festen Platz in der Rollenspielszene erobert. Doch was macht „Blades in the Dark“ so einzigartig, und wo liegen seine Stärken und Schwächen?

von Brandon Williams

Die Stadt Doskvol ist der zentrale Ort des Geschehens, welcher von Dunkelheit, Verbrechen und übernatürlichen Gefahren geprägt ist. Elektrische Lampen tauchen die Straßen in ein trügerisches Licht, während Geister und Dämonen in den Schatten lauern. Die Spieler schlüpfen in die Rollen von Mitgliedern einer kriminellen Bande, die sich in dieser gefährlichen Welt einen Namen machen will. Die Stadt selbst ist lebendig und voller Konflikte – von rivalisierenden Gangs und einer mysteriösen Geister-/Zwischenwelt bis hin zu korrupten Adligen und mächtigen Industriekonsortien.

Das Spiel bietet eine Auswahl an Klassen, die als „Playbooks“ bezeichnet werden. Jede Klasse repräsentiert eine bestimmte Rolle innerhalb der Bande; da wäre etwa der Hound (Kundschafter und Scharfschütze), der Slide (Manipulator und Schwindler) oder der Whisper (Experte für das Okkulte). Die Klassen sind flexibel gestaltet und erlauben es Spielern, ihre Charaktere individuell zu entwickeln. Dabei wird nicht nur auf Fertigkeiten, sondern auch auf Hintergrundgeschichten, Motivationen und Beziehungen zu anderen Figuren Wert gelegt. Als Bande fokussiert man sich auch auf eine Art des Verbrechens, in welcher man Boni erhält, kann aber trotzdem alle Arten des Verbrechens begehen.

Ein Highlight von „Blades in the Dark“ ist sein erzählerischer Fokus. Die Mechaniken sind speziell darauf ausgelegt, die Geschichte voranzutreiben, anstatt sie durch langwierige Regeln auszubremsen. Besonders herausragend ist das Flashback-System, das es Spielern ermöglicht, Szenen rückblickend zu gestalten und dadurch mühsame Planungsphasen zu umgehen. Diese innovative Mechanik sorgt für eine dynamische Atmosphäre im Stil eines „Ocean’s Eleven“-Heists und verbessert den Spielfluss erheblich. Die Atmosphäre der Welt ist ein weiterer großer Pluspunkt. Doskvol ist eine bis ins Detail ausgearbeitete, düstere Metropole voller Kontraste – von den schmutzigen Gassen des Hafenviertels bis zu den prunkvollen Villen der wohlhabenden Oberschicht. Diese Vielfalt bietet eine Fülle von Anknüpfungspunkten für spannende Abenteuer und macht die Stadt zu einem lebendigen Schauplatz, der Spieler regelrecht in seinen Bann zieht. Auch die Gruppendynamik trägt wesentlich zum Reiz des Spiels bei. Die Bande, die als zentrale Einheit agiert, entwickelt sich im Laufe der Kampagne kontinuierlich weiter. Diese Weiterentwicklung vermittelt nicht nur ein starkes Gefühl von Fortschritt, sondern stärkt auch das Gemeinschaftsgefühl innerhalb der Gruppe. Dadurch entsteht ein langfristiger Wiederspielwert, der das Spiel besonders für erfahrene Rollenspieler attraktiv macht.

Trotz dieser Stärken hat „Blades in the Dark“ auch einige Schwächen. Eine der größten Herausforderungen ist die hohe Einstiegshürde. Das Spiel erfordert von den Spielern ein gewisses Umdenken, insbesondere wenn sie an traditionelle Systeme wie „Dungeons & Dragons“ gewöhnt sind. Die narrativen und improvisationslastigen Mechaniken können zunächst ungewohnt wirken und erfordern ein hohes Maß an Anpassungsfähigkeit. Ein weiterer potenzieller Schwachpunkt ist die Abhängigkeit des Spiels von der Gruppe. „Blades in the Dark“ lebt von der Kreativität und dem Engagement der Spieler. Fehlt diese Bereitschaft zur aktiven Mitgestaltung, kann die erzählerische Dynamik schnell ins Stocken geraten, was dem Spielspaß abträglich ist. Zudem könnte die Spezifität des Settings für manche Spieler hinderlich sein. Wer sich nicht für düstere, urbane Szenarien begeistern kann, wird möglicherweise Schwierigkeiten haben, sich in der Welt von Doskvol wohlzufühlen. Die starke Fokussierung auf dieses Setting lässt wenig Raum für andere Genres, was den Zugang für Spieler mit anderen Vorlieben erschweren könnte.

Im Vergleich zu klassischen Systemen wie „Dungeons & Dragons“ oder „Pathfinder“ legt „Blades in the Dark“ weniger Wert auf taktische Kämpfe und detaillierte Regeln. Stattdessen stehen Improvisation und erzählerische Freiheit im Vordergrund. Das Flashback-System hebt es deutlich von Systemen wie „Shadowrun“ ab, die ebenfalls Heist-Szenarien bieten, aber auf umfangreichere Planung und Simulation setzen.

Im Vergleich zu narrativen Systemen wie „Fate“ oder „Apocalypse World“ bleibt „Blades in the Dark“ durch sein festgelegtes Setting und die darauf abgestimmten Mechaniken weniger flexibel, bietet dafür aber eine tiefere Immersion in eine spezifische Welt.

Fazit: „Blades in the Dark“ ist ein spannendes Rollenspielsystem, welches speziell am Anfang einen Moment braucht, bis man sich an die Welt und das System gewöhnt hat. Insbesondere wenn man  andere Rollenspielsysteme gewöhnt ist, kann der Übergang von einer wurf- und zahlenlastigen Spielweise zu einer im Vergleich simplen und narrativen Spielweise eine Hürde sein. Wer Lust hat, in einer düsteren Welt mit seiner Bande durch Intrigen, Verrat und clevere Schachzüge die Macht an sich zu reißen, sollte nicht zögern, denn das Verbrechen schläft nie – also greif zu, bevor jemand anderes es tut.

Blades in the Dark
Regelwerk  
John Harper  
System Matters 2023
ISBN: 978-3-96378-113-1
320 S., Hardcover, Deutsch
Preis: 59,95 EUR

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