Black Orchid

Als Superheldencomic-Leser liebt man es zuzusehen, wie ein Held an den Hindernissen und Herausforderungen, die sich ihm in den Weg stellen, wächst. Normalerweise ist dieses „Wachsen“ aber nicht wörtlich zu verstehen. Anders sieht es aus, wenn der Held, oder in diesem Fall die Heldin, eine Mischung aus Mensch und Pflanze ist.

von Bastian Ludwig

Inhalt

Die Superheldin Black Orchid wird bei einem Einsatz getötet. Gleichzeitig erwacht ein geheimnisvolles Lebewesen aus einer Art Dämmerzustand. Wer es ist, weiß es nicht, genauso wenig woher es kommt. Getrieben von bruchstückhaften Erinnerungen an ein früheres Leben begibt sich das Wesen, bald begleitet von einem zweiten seiner Art, auf die Suche nach seiner Identität, die enger mit der von Black Orchid verwoben ist, als es zunächst den Anschein hat.

Besprechung

Als ich mir diesen Band vorgenommen habe, hatte ich den Charakter Black Orchid absolut nicht auf dem Radar. Entsprechend verwundert war ich dann, als ich bemerkte, dass die Geschichte im DC-Universum angesiedelt ist. Ich hab mich also ein wenig schlau gemacht und bin zu dem Ergebnis gekommen, dass es keine Schande ist, Black Orchid zumindest nicht bewusst zu kennen. In den 1970er und 1980er Jahren hatte die Superheldin nur eine Handvoll Auftritte in verschiedenen Comic-Veröffentlichungen, zum Teil nur in Form von Cameos. 1988 wurde sie dann in einer Miniserie rebootet und mit einer neuen Hintergrundgeschichte ausgestattet. Um genau diesen Reboot geht es in dieser Rezension. Der Miniserie folgte eine eigene, kurzlebige Heftreihe und Black Orchid tauchte anschließend noch bei einigen DC-Events auf.

Lange Rede kurzer Sinn: „Black Orchid“ ist die Origin-Story einer Superheldin. Jedoch ist sie keine Entstehungsgeschichte nach Schema F, denn der Autor heißt Neil Gaiman und es würde dessen Talent nicht gerecht werden, wenn er dabei nach den üblichen Mustern vorgehen würde, wie sie uns allen ja spätestens durch die Superheldenverfilmungen der letzten Dekade bestens vertraut sind. Black Orchid muss nicht erst durch ein missglücktes Experiment entstehen, sie muss nicht langsam ihre Kräfte entdecken, sie erlernen, Rückschläge vertragen, die Geburt ihres Erzfeindes miterleben und diesen schließlich besiegen. Kurz gesagt: Sie muss keine klassische Heldenreise absolvieren.

Stattdessen inszeniert Gaiman die Superheldenwerdung als eine philosophische Reise, als die Suche eines mächtigen, aber kindlichen, der Welt entrückten Wesens nach seinem Platz in dieser Welt und vor allem nach sich selbst. Man merkt schon: Gaimans Handschrift ist deutlich zu erkennen. Die Grundstimmung der Geschichte ist geprägt von Melancholie, die Erzählweise ist ruhig, eine richtige Handlung gibt es – wie so oft bei ihm – nicht wirklich. Vielmehr geht es Gaiman um einzelne Episoden, um die Selbstreflexion von Black Orchid, ihre Begegnungen und Gespräche mit anderen Personen und letzten Endes um die Suche nach der Antwort auf die Frage, wer sie eigentlich ist.

Dave McKeans Illustrationen gehen mit Gaimans Erzählweise Hand in Hand. Jedes der von ihm gestalteten Panels ist ein kleines, wunderschön anzusehendes Gemälde. Details – vor allem in den Hintergründen – sind weniger wichtig als Farben, Verläufe und Pinselduktus und die dadurch transportierten Emotionen. Die handgemalten Bilder passen zum Organischen, Natürlichen, Sinnlichen von Black Orchid, dieser Superheldin halb Mensch, halb Pflanze; präzise Tuschestriche und digitale Farben wären hier fehl am Platz.

So dynamisch die Bilder in ihrem Pinselduktus und ihrer Farbmischung sind, so starr ist der Aufbau der einzelnen Seiten. Diese sind keine Arrangements von Panels, sondern reihen sie nach einem starren Schema, aus dem nur selten ausgebrochen wird, hintereinander. Eine gewisse Statik schleicht sich so in den Gesamteindruck des Illustrationsstils, was aber durchaus zu der beinahe schon meditativen Stimmung der Erzählung passt.

Fazit: „Black Orchid“ erzählt mit schönen Bildern und melancholischen, sehnsüchtigen Worten die Entstehung einer Superheldin fernab von den Klischees des Genres. Eine echte Empfehlung.


Black Orchid
Comic
Neil Gaiman und Dave McKean
Panini 2009
ISBN: 978-3-866077-88-1
164 S., Softcover, deutsch
Preis EUR 16,95

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