Bis(s) zum Morgengrauen

„Über drei Dinge war ich mir definitiv im Klaren. Erstens, Edward war ein Vampir. Zweitens, es gab eine Seite an ihm – und ich war mir nicht sicher, wie dominant diese Seite sein könnte –, die nach meinem Blut dürstete. Was den dritten Punkt anging, konnte ich ganz sicher sein – ich war bedingungslos und unwiderruflich in ihn verliebt.“ (aus: „Bis(s) zum Morgengrauen“)

von Tobias Bayerle

 

Eigentlich hat Isabella Swan nicht viel von ihrem neuen Leben in Forks erwartet. Die Kleinstadt in der Nähe von Washington ist nichts im Vergleich zum sonnenverwöhnten Phoenix, und auch die Schule ist ganz anders als die ihr bekannten riesigen Gebäude mit den Tausenden von Schülern, die sich durch die Gänge drängen. Doch Forks hat noch etwas ganz anderes zu bieten, wie sie, als sie die Cafeteria der Schule betritt, feststellen muss. Nämlich die Cullens. Die sitzen immer am selben Tisch, tuscheln leise miteinander, essen nie etwas und Bella kann vom ersten Tag an ihre Augen nicht von ihnen lassen.

Immer tiefer taucht sie in das Geheimnis der Familie ein und findet heraus, dass Japser, Emmett, Alice, Rosalie und Edward Vampire sind, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, kein Menschenblut zu trinken und sich wie ganz normale Teenager zu verhalten. Dass sie sich dabei in Edward Cullen verliebt und dieser ihre Liebe nach mehreren Warnungen zur Vorsicht – da er ja immer noch ein Vampir sei und Bellas Blut besonders süß riechen würde – zögerlich erwidert, ist vorprogrammiert. Als dann auch noch eine Gruppe Vampire auf der Durchreise an Forks vorbeikommen und Jagd auf Bella macht, ist das Chaos perfekt und eine mit viel Romantik, Fantasy und Spannung gefüllte Story nimmt ihren Lauf.

Stephenie Meyer bringt in diesem Buch sehr viele eigene neue Ideen im Bezug auf Vampire ein, die die Blutsauger nicht mehr nur als triebgesteuerte Nachtgestalten, die beim kleinsten Kontakt mit Sonne in Flammen aufgehen, darstellt. Edward und seine Familie wohnen zwar schon wegen der fast nicht existenten Sonnentage in Forks, jedoch aufgrund der Tatsache, dass ihre dem Sonnenlicht ausgesetzte Haut zu leuchten und zu glitzern anfängt. Den Status der Sagenfiguren haben sie nämlich auch in der Welt von Meyers Roman noch inne und so darf niemand erfahren, dass sie wirklich existieren. Auch in Sachen Stärke und Schnelligkeit stehen sie ihren in Särgen liegenden Verwandten in nichts nach.

Doch da wir gerade davon reden: Särge findet man in „Bis(s) zum Morgengrauen“ überhaupt nicht. Die Cullens residieren in einer Villa ein wenig außerhalb der Stadt die sie aufgrund der Fähigkeiten von Alice – die kurzzeitig in die Zukunft sehen kann – durch Aktiengeschäfte finanziert haben. Einige Vampire in Meyers Universum haben besondere Fähigkeiten, die aus der am besten ausgeprägten Fähigkeit des vorherigen menschlichen Daseins resultieren. So kann Jasper die Gefühle der Personen in seinem Umfeld kontrollieren und entsprechend verändern und Edward kann Gedanken lesen.

Man fragt sich jetzt sicher, wie die Beziehung zwischen Edward und Bella möglich ist, wenn er alle Gedanken seiner Geliebten im Voraus kennt, und die Antwort kommt prompt und ohne großen Einfallsreichtum: auf Bella wirken die Vampirkräfte einfach nicht. Nicht, dass diese fast schon plumpe Tatsache den Spaß an „Bis(s) zum Morgengrauen“
 verderben würde – NEIN – Meyer schafft es, sich diese Fähigkeit Bellas zunutze zu machen und bringt den Leser dazu, geradezu nach den Dialogen zwischen Bella und Edward zu dürsten, um mitzuerleben wie Edward sich ohne jegliche Hintergrundinformation in Konversation übt.

Dass Vampire in Stephenie Meyers Buch fast schon übermenschlich gut aussehen, macht es für Bella nicht besonders einfach bei Edwards bernsteinfarbenen Augen einen klaren Kopf zu bewahren, wodurch auch der Humor in diesem Buch nicht zu kurz kommt. Immer wieder verstrickt er die junge Teenagerin in Gespräche, bei denen die Seiten nur so dahinfliegen und man es gar nicht erwarten kann die nächsten Zeilen zu lesen.

Edward bleibt jedoch eisern zurückhaltend. Erotik wird man in diesem Buch nicht finden. Und auch auf die Frage der Fans, ob Edward und Bella jemals miteinander schlafen würden, hat Meyer eine klare Antwort: nein. So bleibt die Beziehung zwischen Edward und Bella eine unschuldige, jedoch deshalb nicht weniger interessante Verbindung zwischen Mensch und Vampir, in der jeder Kuss und jede Berührung die letzte für Bella sein könnte, denn nicht immer hat Edward die volle Kontrolle über seinen Blutdurst.

Das andauernde Anpreisen von Edwards Schönheit wird auf Dauer ein wenig lästig. Immer wieder wird betont, wie wundervoll Edwards Augen seien und wie wenig bewusst ihm seine Wirkung auf andere Menschen sei. Am Anfang mag es ja ganz amüsant sein, wenn die Bedienung in dem kleinen italienischen Restaurant, in dem Bella und Edward ihr erstes wirkliches Date haben, stotternd und gegenüber Edward aufreizend die Bestellungen entgegennimmt, doch irgendwann ist es für jeden einfach mal genug.

Fazit: Stephenie Meyer liefert ein Meisterwerk für den lesebegeisterten Fantasy-Fan. Über die kleinen Mängel kann man getrost hinwegsehen und die fehlende Erotik zwischen Bella und Edward wird schlichtweg auch gar nicht benötigt, um dieses Buch toll zu finden. Die Story fesselt den Leser von der ersten Seite an die Buchdeckel und es soll schon Menschen gegeben haben, die die sogar schon dreiteilige Serie in weniger als einer Woche des Dauerlesens verschlungen haben. Die Charaktere sind liebevoll dargestellt und so können sich viele Jugendliche mit selbigen spielend identifizieren, ob männlich oder weiblich ist hier völlig irrelevant, es ist für jeden etwas dabei. Ob man Action, Romantik oder Fantasy gepaart mit Vampiren mag, man kommt auf alle Fälle auf seine Kosten. Wer des Englischen mächtig ist, dem empfehle ich den Roman im Original (unter dem Titel „Twilight“ erschienen). Aber so oder so ist „Bis(s) zum Morgengrauen“ ein echter Geheimtipp.


Bis(s) zum Morgengrauen (Bella und Edward, Band 1)
Horror/Mystery-Roman
Stephenie Meyer
Carlsen 2006
ISBN: 978-3-551-58149-5
514 S., Taschenbuch, deutsch
Preis: EUR 19,95

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