Bestien und Ungeheuer – Kreaturen von Lorakis

„Ihr seid nun schon tief in das Verlies vorgedrungen. Das war ganz einfach, denn kein einziger Gegner hat sich euch in den Weg gestellt. Ihr lauscht. Nichts ist zu hören. Keine funkelnden Augen starren euch aus der Dunkelheit an, kein unbekannter Schrecken lässt euch die Nackenhaare zu Berge stehen. Plötzlich biegt der Gang vor euch scharf nach rechts ab. Mit gezückten Waffen springt ihr um die Ecke und werdet … nicht angegriffen.“ Hm? Ohne Monster ist so ein Abenteuer ganz schön langweilig.

von Bastian Ludwig

Aber zum Glück ist die „Splittermond“-Welt Lorakis ja alles andere als arm an Getier, Gezücht und Gefleuch. Eine große Auswahl findet sich im Regelband „Bestien und Ungeheuer – Kreaturen von Lorakis“.

Kern des Bandes ist natürlich das Bestiarium. Über das muss ich gar nicht so viele Worte verlieren, zeigt es sich doch so, wie es für solche Regelbände üblich ist. Die Monsterauswahl ist eine Mischung aus Entleihungen weltweiter Mythen, ein paar Fantasy-Klassikern und Eigenkreationen. Zu jedem Wesen gibt es einen Informationstext und eine Tabelle mit den zugehörigen Werten; außerdem eine hübsche Illustration. Ein paar zusätzliche Seiten sind noch dem Vampirismus und der Lykanthropie gewidmet. Normale Tiere – egal ob Wild- oder Nutztiere – werden sinnvollerweise kürzer und unbebildert abgehandelt; wer mehr über Bär, Wolf und Pferd wissen will, kann sich ja einschlägige Zoo-Dokumentationen anschauen.

So weit, so gut. Interessant wird der Band aber durch einige Zusätze, die um die Monstermenagerie angeordnet sind. Da wäre zunächst ein leider nur fünf Seiten langer Abschnitt über den Einsatz von Monstern im Rollenspiel. Da wird also beispielsweise überlegt, welche Funktion Monster im Abenteuer einnehmen können, wie man als Meister plausible Begegnungen erschafft oder welche Auswirkungen unterschiedliche Settings auf die Handhabung von Monstern haben. Das ist vielleicht nicht immer ganz ausgefeilt, aber ich begrüße den in vielen „Splittermond“-Publikationen verfolgten Ansatz sehr, der Rollenspieltheorie einen größeren Platz einzuräumen, als das bei vielen anderen Systemen der Fall ist.

Als tolle Ergänzung zum Bestiarium zeigt sich ein Veränderungssystem, bei dem mit den Werten der Tiere bestimmte Boni und Mali verrechnet werden, um sie in natürlich oder magisch veränderte Varianten ihrer Ursprungsform zu verwandeln. Mit Blick auf die nackten Zahlen kann man so die Herausforderung für die Helden anpassen, aber auch erzählerisch ist das System interessant, ist doch ein monströser Eber, der in einem Wald nahe eines Weilers sein Unwesen treibt deutlich aufregender und einzigartiger als ein … nun ja … normaler Eber.

Ausgezeichnet ist ein Abschnitt über legendäre Wesen von Lorakis, singuläre Kreaturen, die fester Bestandteil der Spielwelt sind und die ihre Spuren sowohl in Form von Legenden, als auch ganz konkret in Lorakis hinterlassen. Durch die Darstellung von Städten und Landschaften in Weltenbeschreibungen bekommt eine Spielwelt Verbindlichkeit und Tiefe, fest integrierte Personen – oder wie in diesem Fall Kreaturen – erfüllen die Welt aber meiner Meinung nach noch weit mehr mit Leben, machen sie greifbarer und so ein ganzes Stück plausibler.

Lobenswert sind die Anhänge. Neben ein paar knappen Informationen zu besonderen Materialien, die man aus Tieren gewinnen kann, gibt es zahlreiche Tabellen und Listen, in denen die Kreaturen nach verschiedenen Kriterien, zum Beispiel Monstergrad, Größenklasse oder Verbreitungsgebiet, eingeordnet sind. Das macht es für den Spielleiter sehr einfach, die richtigen Monster für ein bestimmtes Abenteuer auszuwählen. Solche Abschnitte sind es, die aus einem schönen Rollenspielbuch auch ein praktisches machen.

Fazit: „Bestien und Ungeheuer – Kreaturen von Lorakis“ ist ein schöner, sinnvoll gefüllter und praktisch aufgebauter Monsterband, der dem Spielleiter vielfältige Möglichkeiten gibt, seine Abenteuer mit allerlei spannenden Begegnungen auszuschmücken.


Bestien und Ungeheuer – Kreaturen von Lorakis
Quellenbuch
Tobias Hamelmann (Hrsg.)
Uhrwerk Verlag 2015
ISBN: 978-3-958670-26-6
192 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 39,95

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