Berserk – Master Edition 1

Die folgenden sieben Buchstaben hat wahrscheinlich schon jede und jeder einmal gehört, der sich für die Kunst des Mangas interessiert: BERSERK. Bei diesen Buchstaben handelt es sich um keinen anderen als den ewigen Tabellenführer vieler Manga-Listen. Er gehört damit zu einem „Must-Read“ und darf daher auch bei den Ringboten nicht fehlen. Was hat sich Kentaro Miura dabei nur gedacht?

von Daniel Pabst

Kentaro Miura (1966-2021) schuf sich mit „Berserk“ ein Denkmal. Was als Einzelband geplant war, entwickelte sich zu einer fortlaufenden Geschichte, die schließlich 42 Bände umfasste und posthum abgeschlossen wurde. Bei Panini Manga ist nun die erste kunstledergebundene „Master Edition“ erhältlich, die die ersten drei Bände beinhaltet. Das Format der „Master Edition“ von 18 cm x 25,2 cm macht was her. Wenn man bedenkt, dass hierauf 13 Bände folgen sollen, so wird einiges an Platz im Bücherregal benötigt werden! Als Bonus des beinahe 700-seitigen Bandes, dessen Farbschnitt in schwarz gefärbt wurde, liegt eine bunte Kunstkarte bei, die Figuren aus „Berserk“ zeigt. Am Ende des Bandes sind die drei Cover der Einzelbände (ganzseitig) abgedruckt. Die Geschichte dagegen ist – eines Mangas typisch – in Schwarz-Weiß gehalten.

Was die Begeisterung um „Berserk“ angeht, so muss der Blick mehrere Jahrzehnte in die Vergangenheit schweifen. Denn erstmalig kam der Manga im Jahre 1989 in die Verkaufsläden. Am Anfang der Geschichte steht ein Einzelgänger namens Guts, der mit dem Langschwert und auch der Armbrust umzugehen weiß wie kein Zweiter. Als Söldner verdient er sich seinen Lebensunterhalt und trifft dabei das ein oder andere Mal auf übernatürliche Wesen, die ihn sogar bis in den Schlaf verfolgen. Hier scheinen dunkle Kräfte ihre Hand im Spiel zu haben. Hinzu tritt ein sehr dunkles Mittelalter-Setting, in welchem Egoismus, Gefühlskälte und Brutalität allgegenwärtig sind und nur der Stärkere zu überleben vermag ...

Aufgelockert wird diese deprimierende Atmosphäre durch eine kleine Fee namens Puck, die von Guts in einer tödlichen Situation gerettet wird und sich fortan in seiner Schuld stehend fühlt. Obwohl Guts – der „schwarze Ritter“ – keine Begleitung auf seiner Reise wünscht und mit sich und seinen Gefühlen alleingelassen werden möchte, lässt sich Puck nicht abwimmeln. In den Gesprächen zwischen den Schwertkämpfen (und der teilweise ironischen Darstellung von Puck) tauchen die Leserinnen und Leser in die Gefühlswelt ab und lernen, dass Guts ein dunkles Geheimnis mit sich herumträgt und dies mit einem Mal zusammenhängt, das auch auf dem Kunstledereinband der „Master Edition“ eingraviert wurde.

Doch noch immer stellt sich die Frage, warum eine Geschichte über einen mittelalterlichen Schwertkämpfer die Manga-Charts seit Jahren so unangefochten anführt? Wahrscheinlich kann diese Frage nur von jeder und jedem selbst beantwortet werden, der „Berserk“ gelesen hat. Viele Motive, Figuren und Szenen aus „Berserk“ inspirierten nämlich die Werke anderer Künstler und Künstlerinnen, von denen die Videospielserie „Dark Souls“ eines ist. Damit wurden auch neue Generationen neugierig und wollten wissen, was der „Ursprung“ war? Hinzu kommen nachdenkliche Töne, die in dem Manga neben all den Kämpfen angeschlagen werden und fragen, wer man ist, was man tun sollte und wozu es sich zu leben lohnt?

Unumstritten genial sind die Zeichnungen von Kentaro Miura, die zu Lobeshymnen vieler Manga-Liebhaber und Manga-Liebhaberinnen führten – und führen. Der Mangaka zeichnete mit einer Hingabe und Detailtreue, die noch heute beeindruckt. Wenn Guts es beispielsweise gleich mit 50 Wachen aufnimmt, fliegen über die Doppelseite Körperteile, Waffen, literweise Blut und natürlich ein riesiges Schwert samt Mantel des „schwarzen Ritter“. Aufgrund der Brutalität und Freizügigkeit der Szenen richtet sich dieser Manga allerdings definitiv an ein erwachsenes Publikum – auch wenn Panini Manga als Leseempfehlung auf der Homepage angibt: „ab 16 Jahren“.

Die Komposition der Panels ist sehr lebendig und ermöglicht es einem, sich in die Szenen hineinzuversetzen und so ein Abenteuer der besonderen Art (mit-)zu erleben. Wird Puck es schaffen, die emotionale Seite des Schwertkämpfers mehr und mehr ans Tageslicht zu bringen? Kann Guts seine innere Traurigkeit überwinden und Erlösung finden? Welche dunklen Gestalten der Nacht lauern auf ihn? Wird er je ruhigen Schlaf finden? Entwickelt sich die Welt allmählich in den Schauplatz der Hölle? Was bedeutet es, sterblich zu sein? Und wozu leben wir? Nach den beinahe 700 Seiten ist man keinesfalls „erschlagen“, sondern sehnt sich nach mehr, um mit Guts und Puck Antworten auf diese und weitere Fragen zu erhaschen.

Die in diesem Band versammelten ersten drei Bände bieten einen Einblick in die sehr düstere Welt und zeigen verschiedene Facetten des Protagonisten Guts. Gleichzeitig wird auch Griffith – „der“ Antagonist von „Berserk“ – eingeführt, und es scheint, als hätte zwischen Guts und Griffith einst eine gute Freundschaft bestanden, ehe sich der eine für einen anderen Weg entschied. Das Zusammenspiel zwischen den beiden Männern macht neugierig auf weitere Zusammentreffen und Duelle. Da auf der kleinen beiliegenden Kunstkarte auch eine weibliche Ritterin zu sehen ist, welche in den drei Geschichten noch nicht auftreten durfte, steigt die Spannung, wer sie ist und welche Rolle sie wohl einnehmen wird?

Fazit: Der Auftakt der „Berserk“-Reihe in einer opulenten Aufmachung ist sehr gelungen. Die gewählte Seitengröße lässt die vielen Zeichnungen zu kleinen Kunstwerken werden. Dieser Manga wird all seinen Vorschusslorbeeren gerecht. Die Kombination aus martialischen Kämpfen und leisen – mitunter sehr versteckten – philosophischen Fragen macht diesen Manga lesenswert. Auch nach über 35 Jahren hat die Geschichte somit nichts an ihrer Faszination verloren.

Berserk – Master Edition 1
Manga
Kentaro Miura
Panini Manga 2025
ISBN: 978-3-7416-4175-6
696 S., Hardcover, deutsch
Preis: 49,00 EUR

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