von KaiM
Demnach wollen wir unsere Erwartungen an die Geschichte nicht zu hoch schrauben. 1 bis 5 Spielende ab 14 Jahren sollen bis zu 60 Minuten Spaß daran haben, auf ein riesiges Ungetüm einzukloppen, bis es darniederliegt und die Welt gerettet ist. Die Spielzeit ist dann aber höher als angegeben und eher bei 90 bis 120 Minuten anzusetzen. Allerdings sind die Monster nicht viel gruseliger als Pokémon, und die Spielmechaniken rechtfertigen die Einstufung ab 14 Jahren aus meiner Sicht auch nicht. Hier hätten es 12 Jahre getan.
Für ein ideales Erlebnis würde ich bei der Spielerzahl mindestens die drei ausklammern. Normalerweise übernimmt jeder einen oder zwei Charaktere, aber es werden mindestens vier davon im Spiel benötigt, also muss im Spiel zu dritt jemand als einziger zwei Figuren übernehmen. Das ist suboptimal.
Ansonsten konzentrieren wir uns darauf, unsere Figuren über das intelligente Spielbrett zu bewegen, Aktionen per Tablet oder Smartphone auszulösen und darauf zu warten, dass wir per App mitgeteilt bekommen, wie uns der Boss auf die Mütze haut.
Das Material
„Bad Karmas” kommt in einer ziemlich großen Box. Umso überraschter war ich, als ich sah, dass diese ziemlich leer ist. Es gibt vier große, um nicht zu sagen überdimensionale Bossmonster, denn Miniaturen kann man dazu eigentlich nicht mehr sagen. Dazu gesellen sich fünf kleine Heldenminis, ein intelligenter Würfel, mehrere Spielpläne, ein paar Stanzbögen mit verschiedenen Objekten und das war es. Trotz der großen Plastikungetüme ist noch viel Luft in der Box. Immerhin kann das Teburu-Board auch darin untergebracht werden und wahrscheinlich wurde noch Platz für die Erweiterungen gelassen, denn eigentlich sollen es ja zwölf Bosse sein, die es zu besiegen gilt. In der Kickstarterkampagne und in der App sind bereits weitere Bosse verfügbar, und inzwischen hat Pegasus auch mehrere Erweiterungen angekündigt.
Insgesamt war ich sehr erschrocken, wie wenig Spiel offenbar in der Box steckt. Keine Karten, keine Marker, keine Playerboards. Also sehr wenig von dem, was man normalerweise erwarten würde. Hier hat sich die Frage zum ersten Mal gestellt: Ist das noch ein Brettspiel?
Die Technik
Die Technik hat insgesamt ganz okay funktioniert. Die Updates der Komponenten gingen sehr flüssig, aber beim Spielen gab es doch hier und da Probleme. Es ist sehr zu empfehlen, dass alle Spieler ihr eigenes Smartphone oder Tablet nutzen und zusätzlich ein Master-Tablet verwendet wird, auf das alle am Tisch schauen können. Ich habe einen Fernseher angeschlossen und den Tisch entsprechend ausgerichtet und damit konnten alle gut sehen, was auch für alle wichtig ist.
Wer ein Tablet besitzt, dem würde ich empfehlen, es auch zu verwenden, denn die Schrift ist teilweise wirklich winzig und zoomen kann man nicht. Dementsprechend sollte man auch genug Möglichkeiten parat haben, die Geräte zu laden, wenn notwendig. Hier gab es zunächst ein paar Probleme, denn ohne Internet funktioniert die App nicht, und nicht alle Tablets hatten das Haus-WLAN gespeichert. Bis der Fehler gefunden war und das Spiel wirklich starten konnte, ist leider einige Zeit vergangen und ein wenig Frust machte sich breit.
Insgesamt dauert der Start eines Spiels, wenn das Setup bereit ist und die Technik läuft, etwa 10 bis 15 Minuten, was aus meiner Sicht ein guter Wert ist. Viele Spiele brauchen mehr Aufmerksamkeit, bis man wirklich loslegen kann. Leider kam es beim Spielen hin und wieder zu störenden Unterbrechungen, weil die App abstürzte oder der Würfel nicht mehr funktioniert hat (obwohl er voll geladen war). Ein Neustart war dann erforderlich, was mit allem drum und dran eben doch wieder einige Minuten dauert und spätestens ab dem zweiten Absturz in einer Partie wirklich anfängt nervig zu werden. Im Schnitt kam es bei uns im Schnitt ca. einmal pro Stunde zu so einem Absturz. Unschön.
Ein positiver Aspekt ist die Möglichkeit, an verschiedenen Orten zu sein, aber trotzdem gemeinsam zu spielen. Wenn alle Parteien ein Board und das Spiel besitzen, kann man die Apps synchronisieren und sich trotz räumlicher Distanz auf ein kooperatives Spielerlebnis freuen. Ein Test dieser Funktion steht leider noch aus, aber dennoch ist das aus meiner Sicht ein erwähnenswertes Feature.
Der Spielablauf und das Spielgefühl
Zu Beginn der Schlacht führt uns die App durch den Aufbau. Zunächst werden die smarten Geräte mit dem Mastertablet verbunden. So haben alle ihre eigene Ansicht und allgemeine Infos können ebenfalls gut eingesehen werden. Dann wird ein Spielplan auf das Teburu-Board gelegt, der Würfel wird registriert, Objekte und der Boss kommen ebenfalls aufs Brett. Man verbindet dann noch den oder die Charaktere mit dem eigenen Tablet und positioniert sie ebenfalls. Das war es eigentlich auch schon. Ein wenig Story für die Stimmung und schon geht es los. Mit der Kritik leider ebenfalls, denn die Stimme des Sprechers ging uns allen schon nach relativ kurzer Zeit ziemlich dolle auf die Nerven. Und um es vorweg zu nehmen: Bestimmte Sequenzen werden immer wieder abgespielt und es kommt auch immer wieder derselbe Spruch. Zusammen mit einer Hintergrundmusik, die zwar nicht immer gespielt wird, sich aber in all ihrer Rockigkeit ebenfalls sehr schnell repetitiv anhört, kann ich, gelinde gesagt, nicht gerade von einer gelungenen Darstellung sprechen.
Im Spielablauf sind die Charaktere jeweils im Wechsel mit dem Boss an der Reihe. In jeder Runde beziehen wir also jeder bis zu vier mal Prügel und dürfen selbst nur eine Aktion durchführen. Wenn es soweit ist, bewegen wir uns über den Spielplan und spielen Aktionskarten aus. Dies können Nahkampf- oder Fernkampfangriffe sein, Heilung oder andere unterstützende Aktionen. Anschließend haben die gespielten Karten eine Abklingzeit, man muss also je nach Karte einige Züge warten, bis die Aktion wiederholt werden kann.
Dabei kann die Position und der Status des Bosses von entscheidender Bedeutung sein. Der LED-Ring in der Basis des Bosses zeigt nämlich nicht nur seine Blickrichtung, sondern auch den Status seiner vier Seiten an. Denn je nach Situation kann eine Seite besonders empfindlich sein, gerade über einen starken Schutz verfügen oder instabil sein. Greift man dann von der richtigen Seite mit der richtigen Karte an, werden Sondereffekte ausgelöst. Und genau hier greift das Besondere an diesem Spiel. Man lernt seine Karten und ihre Effekte nach und nach kennen und kann sich gegenseitig unterstützen, damit alle das Maximum aus ihren Talenten herausholen können.
Während der Schildmann den Schaden einsteckt, verpasst der Wrestler dem Boss einen Spezialzustand und schon können Fernkämpferin und Assassine richtig draufhauen. Wir tanzen um das zornige Riesenbaby und spielen unsere Stärken aus, damit die Kreatur am Ende auf dem Boden liegt und wir glorreich obsiegen.
In der Theorie klingt das phantastisch und wenn es funktioniert, ist es das auch. Es gibt jedoch ein Aber in der ganzen Geschichte, denn man muss auch verstehen, wie sich der Boss verhält. Das unterscheide sich je nach Phase des Kampfes, dem Zustand des Bosses, dem Zustand und den Bewegungen der Charaktere und weiteren unbekannten Faktoren. Die Spielenden müssen das Puzzle lösen, wie sie ihn beeinflussen können. Allerdings lässt die App nur sehr wenig Spielraum zum Lernen. Alles rattert nur so über den Bildschirm, der Kampflog gibt zwar Aufschluss über das Geschehene, aber man muss sich selbst erarbeiten, was das bedeuten könnte, denn es gibt kein Regelbuch, kein Nachschlagewerk oder irgendeine Gedächtnisstütze. Es ist gar so, dass zu viele Ereignisse in einer Phase aus dem Kampflog wieder herausfallen und man gar nicht die Chance hat, alles nachzuvollziehen.
Hinzu kommt, dass gerade der erste Boss recht schwer zu lesen ist. Anstatt die Anfänger einer Kampagne mitzunehmen und die verschiedenen Aspekte nach und nach einzuführen, wird man fast komplett ins kalte Wasser geworfen. Immerhin gibt es ein Tutorial, in dem die Grundmechanismen und der Rundenablauf erklärt werden, aber das war es dann auch schon. Natürlich kann man das auch den Spielenden vorwerfen. Man kann vieles anklicken oder sich per Tooltipp erklären lassen, aber das muss man dann auch machen. Zudem hält es die ganze Gruppe auf, wenn man etwas verstehen möchte, was am Hauptbildschirm gerade passiert ist.
In jedem Brettspiel mit vielen Symbolen und Effekten ist es ein Muss, dass mindestens eine Übersicht am Tisch liegt, die alle erreichen können. Besser noch, haben alle eine Spielhilfe neben sich liegen, um schnell und unkompliziert Dinge nachlesen zu können. Hier hat man nichts zur Hand, sondern muss sich mit den teils etwas spärlichen ausgefallenen Tooltips zufriedengeben.
Bei dieser Informationsflut neigen manche dazu, aus dem Bauch heraus zu spielen, was nicht minder frustrierend sein kann. Wenig schön war beispielsweise eine Situation, wo die Fernkämpferin K.O. geschlagen wurde. Eine Runde aussetzen und sie konnte wiederbelebt werden, also alles kein Problem. Aber nach nur einer Aktion, die leider auch nicht sonderlich erfolgreich war, hat es sie schon wieder erwischt, woraufhin sie zwei weitere Runden aussetzen musste. In Summe vier unbefriedigende Runden am Stück haben nicht gerade für Euphorie gesorgt, was ich auch sehr gut nachvollziehen kann.
Jetzt könnte man denken, ich hätte meine Box nach den Tests sofort in den Müll geschmissen, verbrannt oder anderweitig entsorgt. Aber natürlich ist nicht alles schlecht. Im Gegenteil, es gibt vieles, was das Spiel wirklich gut macht. Ein reines Brettspiel dieser Komplexität würde jede Menge Vorbereitungszeit fressen. Man muss die Materialien heraussuchen, Kartendecks mischen, Marker auslegen und so weiter. Hier baut man das Spiel in sehr kurzer Zeit auf und legt einfach los. Keine Regeln, keine langen Erklärungen für den neuen Boss.
Das gleiche Thema setzt sich im Spiel fort: Man muss sich um gar nichts kümmern, die Apps managen alles, was den Boss betrifft und auch alles, was die Spieler betrifft. Es gibt also eigentlich gar keine Zeit, in der man mit etwas anderem beschäftigt bist, als Entscheidungen zu treffen. Schon gar nicht läuft es darauf hinaus, dass der oder die Besitzerin der Box immer alleine damit beschäftigt ist, sich um das Management zu kümmern, während die anderen sich über den letzten Grillabend unterhalten. Man bleibt ständig im Spiel und macht nichts, außer sich über die nächsten Spielzüge zu unterhalten. Wer hat welche Einschränkungen, wer möchte die nächste Runde eröffnen, wer kann in dieser Runde einen besonders mächtigen Zug machen? Können wir es schaffen, einen gemeinsamen Plan zu schmieden und ihn auch umzusetzen? Es geht nur um die Charaktere, den Boss und die Möglichkeiten.
Ganz besonders spannend finde ich noch den Aspekt, dass eine App in der Lage ist, Informationen geheim zu halten. Eastereggs, versteckte Fallen und vieles mehr sind möglich, ohne dass die Spielenden auch nur eine Ahnung davon haben. So kann es sein, dass man nach vielen Partien auf einmal etwas entdeckt, was vorher die ganze Zeit im Dunklen lag. So schafft das Teburu-System etwas, das sonst für ein Spiel dieser Art kaum möglich gewesen wäre: Es hat ein episches Erlebnis von abendfüllend auf Spielfilmlänge gebracht, dabei an den richtigen Stellen reduziert und die neuen technischen Möglichkeiten genutzt. Vielleicht sind die Designer ein wenig über das Ziel hinausgeschossen, aber mir haben die Partien gezeigt, was möglich ist.
Fazit: Ein technisch fast ausgereifter Ansatz, um Spielenden mehr Zeit für das Erlebnis zu schenken und weniger mit Verwaltung zu beschäftigen. Das Spiel selbst ist für Fans des Genres unbedingt einen Blick wert, auch wenn meine Erfahrungen gemischt ausfallen und ich durchaus eine Menge zu kritisieren habe. Die Designer hatten mit Sicherheit mit einer Vielzahl von Herausforderungen zu kämpfen, womit es dieses Erstlingswerk besonders schwer hatte. Insgesamt ein spannender, mutiger Schritt und ich bin gespannt, wie sich das System entwickeln wird.
Bad Karmas and the Curse of the Zodiac
Brettspiel für 1 bis 5 Spieler ab 14 Jahren
Davide Garofalo, Riccardo Landi
Pegasus Spiele 2025
EAN: 4250231741111
Sprache: Deutsch
Preis: 129,99 EUR
bei pegasus.de bestellen