B-Rex-Tag 2022

Wie in den letzten Jahren auch, wurde der ausklingende Sommer genutzt, um die Spielegemeinde noch vor der Messe von Essen in der Nähe von Merseburg zusammenzurufen und die Neuheiten des Jahres aus den Häusern Corax Games, Grimspire, Giant Roc, Kobold, Funbot und Mirakulus vorzustellen.

von KaiM

Schon am Freitagnachmittag ging es los und die ersten Gäste wurden auf Burgliebenau begrüßt. Die Räumlichkeiten waren dekoriert, die Tische aufgebaut und viele Regale mit Spielen standen bereit, die Herzen der Brettspielgemeinde höher schlagen zu lassen. Nachdem der Chef Frank Noak die Gäste begrüßt hatte, ging es auch direkt weiter. Es wurde Kaffee getrunken, gefachsimpelt und natürlich gespielt.

Dabei gab es jede Menge Neuheiten und auch einige Prototypen zu testen. Wie man in der heutigen Zeit erwarten kann, waren noch nicht alle Neuheiten verfügbar, aber von vielen konnte zumindest eine englische Version gespielt werden.

Im Folgenden gebe ich einen kurzen Überblick über die Spiele, die ich mir intensiver ansehen konnte. Leider waren das bei Weitem nicht alle verfügbaren Titel, aber für Essen muss ja auch noch etwas übrig bleiben. Und natürlich handelt es sich bei allen meiner Einschätzungen um Ersteindrücke, die unbedingt noch verifiziert werden wollen. Im Fokus meiner Bewertung lag immer die Frage: „Lust auf mehr?”

„Capitel Lux: Generations“

Ein einfaches Kartenblatt, wie man es schon unendlich oft in dieser und in anderer Form in der Hand hatte. Vier Farben, Zahlen, Bilder, fertig. Auf den ersten Blick machte sich nach dem Öffnen der Schachtel Ernüchterung breit, aber zusätzlich waren auch noch Geldmarker, jede Menge unterschiedliche Plättchen und ein paar Tableaus in der Box, also haben wir kurzerhand die Regeln in die Hand genommen und angefangen zu lesen. Nach etwa 15 Minuten war das meiste dann auch klar.

Nach einer kurzen Draftingphase haben alle sechs Karten auf der Hand und spielen sie reihum aus. Jeder möchte in jeder der vier Farben möglichst viele Einwohner (Summe der Kartenwerte) in der eigenen Auslage haben. Dabei sollten es aber niemals mehr werden, als es Einwohner in der Hauptstadt gibt, denn dann wandern die eigenen Bewohner alle ab. Da man sich im eigenen Zug entscheiden muss, ob man eine Karte in die Hauptstadt oder in die eigene Auslage spielt, entwickelt sich ein interessantes Psychospiel zwischen den Konkurrenten. Um den Anreiz zu schaffen, in die Mitte zu spielen, darf man als Belohnung die Spezialfertigkeit einer Fraktion ausführen. Davon gibt es im Grundspiel sechzehn Stück, von denen nur vier ins Spiel kommen.

Das bringt jede Menge Abwechslung und die spannenden Partien dauern auch nur ca. 30 Minuten, sodass man dieses Spiel immer und überall unterbringen kann. Zudem sind die Regeln schnell erklärt und einsteigerfreundlich.

Ersteindruck: Unbedingt bald wieder spielen.



„Luna Maris“


Auf einer Raumstation kämpfen die Spieler in diesem mittelschweren Euro-Game um die meisten Siegpunkte. Effizienz ist gefragt, denn Sauerstoff und Energie sind knapp bemessen, und jede der sechs Runden dürfen die Raumfahrer nur so lange agieren, wie ihr persönlicher Sauerstoffvorrat es zulässt. Erhöhter Stress führt dabei schneller zu Atemnot, und ernährt werden wollen die Wissenschaftler schließlich auch noch. Diese spielt man in Form von Handkarten aus und kann sie in passenden Räumen arbeiten lassen, um deren Effekte zu nutzen. Wenn man denn die notwendige Energie hat. Wird in einem Raum bereits gearbeitet, darf er kostenlos genutzt werden.

So entspinnt sich ein spannendes Netz aus Bewegungen auf dem Brett, und alle sind immer auf der Suche nach dem optimalen Kompromiss aus dem nächsten Ziel und größtmöglicher Effizienz. Die Möglichkeiten sind sehr vielfältig und die Downtime dank der kurzen Einzelaktionen trotzdem überschaubar. Man verwaltet Ressourcen inklusive des eigenen Mülls, bildet ein Deck aus Wissenschaftlern, startet Sonden und behält bei allem auch noch den CO2-Gehalt der Luft im Auge. Es gibt also viel zu tun und zu entdecken. Außerdem war ich von dem klaren Design und der Grafik wirklich angetan.

Auf den ersten Blick fehlte ein wenig Variabilität im Spielaufbau und einige schöne Ideen kamen weniger zur Geltung, als vermutet, aber dennoch bin ich neugierig auf die kommenden Partien, wie sich das Spiel in einer anderen Gruppe und verschiedenen Spielerzahlen anfühlen wird.

Ersteindruck: Gerne bald wieder starten.

„Mind Management“

Dieses Spiel hat von außerhalb Deutschlands eine Menge Lorbeeren geerntet. Ein Titel, bei dem ein Spieler gegen den Rest antritt und das eine „Hidden Movement“-Mechanik hat. Dabei thematisch aufbereitet und spannend im Ablauf.
 
Leider war dieser Tisch häufig verwaist und ich konnte keine eigene Testpartie machen. Ob das ein schlechtes Zeichen ist? Ich habe jedenfalls ein wenig über die Schultern einer Spielerrunde geschaut und die englischen Regeln studiert, denn erschienen ist das Spiel bisher nicht. Alles, was ich gesehen habe, macht mich ungeheuer neugierig.

Ersteindruck: Unbedingt antesten.



„Flick of Faith – Kirschblüte“


Mehr von den beliebten Elementen und weitere Spielmodi. Wer „Flick of Faith“ kennt und mag, bekommt mit dieser Erweiterung einiges zu entdecken. Neben dem asiatischen, hauptsächlich japanischen Thema, bekommt man die Möglichkeit, in Kombination mit der ersten Erweiterung sogar zu sechst zu spielen. Während die Optimalbesetzung für dieses Spiel meiner Meinung nach bisher bei vier Personen liegt, bringen die neuen Modi mehr zusätzliche Würze ins Spiel. Ein Modus für Teamplay sorgt für gesteigerte Emotionen und mehr Chancengleichheit am Tisch. Aber sogar kooperativ kann nun um das Schicksal der Welt geschnippst werden.

Ersteindruck: Kenner des Grundspiels sollten einen Blick riskieren.     

„Hennen“

Kein typisches Spiel für Leser des Ringboten, aber trotzdem eine Erwähnung wert. Es wird bei dem Verlag Funbot erscheinen, ist ab 10 Jahre und soll ca. 20 Minuten dauern. In dem kleinen Kartenspiel legt man Hennen mit verschiedenen Farben und Zahlenwerten in einem rechteckigen Raster von insgesamt 12 Karten aus, wobei die Legeregeln recht einfach sind. Die Hennen müssen nur zu ihren direkten Nachbarn passen. Die Rahmendaten über Verlag und Spieldauer sind dennoch erwähnenswert, denn das Spiel würde ich eher als „Calico“ light bezeichnen, das Legen der Hennen ist derart verzwickt, dass man schon aufpassen muss, um sich nicht nicht ins Abseits zu schießen.

Ersteindruck: Kleiner Hirnzwirbler.

„Terracotta Army“


Das Spiel vereint Mechanismen wie Arbeitereinsatz, Gebietskontrolle und Ressourcenmanagement zu einem schön verzahnten Spielerlebnis, bei der man sich durch die Optik und den Mechanismenmix sofort an die T-Spiele von Daniele Tascini wie „Teotihuacan” oder „Tekhenu” erinnert fühlt. Arbeiter müssen auf einem dreistufigen, beweglichen Rondell geschickt eingesetzt werden, und in einem Raster, auf dem die Armee aus Terrakotta platziert wird, streitet man sich um die besten Positionen, um am Ende die meisten Siegpunkte zu erhalten. Ein echtes Euro-Game mit den typischen Eigenschaften, verzahnt und mit einer angemessenen Spieldauer.  

Ersteindruck: Fans von T-Spielen müssen sich das anschauen.

„Roll Camera“

In diesem kooperativen Spiel bilden wir ein Team, das gemeinsam einen Film drehen muss. Jeder hat dabei eine unterschiedliche Rolle und damit auch unterschiedliche Fähigkeiten. Reihum würfeln wir in „Kniffel“-Manier, um das Set herzurichten, Probleme zu beseitigen, Szenen zu drehen und Teammeetings einzuberufen. Durch das lebendige Setting wird man zum Rollenspiel nahezu genötigt und der Humor ist grandios. Gewonnen hat man, wenn man einen richtig guten oder aber einen so schlechten Film gedreht hat, dass er schon wieder Kultstatus erreicht.

Ersteindruck: Ein Spaß für einen lustigen Abend ohne allzu verbohrten Blick auf das Endresultat.



„Unfair“


Man baut einen Vergnügungspark und möchte natürlich den besten und schönsten auf der ganzen Welt erschaffen. Vorerst muss man zwar nur in den Wettbewerb mit bis zu vier weiteren Parks treten, aber das ist auch wirklich genug. Denn immerhin wird niemand am Tisch davor zurückschrecken, das Leben der anderen so schwer wie möglich zu machen. Und das ist nicht metaphorisch gemeint, denn in diesem Spiel wird wirklich die grobe Keule ausgepackt. Verschiedene Kartendecks sorgen für die notwendige Abwechslung und es gibt sogar ein paar Regelvarianten, die dem Spiel nach Belieben hinzugefügt werden können.

Ersteindruck: Ein unfairer Kampf mit harten Bandagen.

„Wilde Serengeti“

Ein Blick auf das Spielbrett hat kaum einen der Besucher kalt gelassen. Tierfiguren aus Holz, ein großes Spielbrett, farbenfrohe Darstellungen, ein kleiner Baum, wie man ihn bei „Everdell“ findet. Ein echter Hingucker. Das Testspiel startete spannend und interessant. Jeder Zug ist ein kleines Puzzle, bei dem man versucht, die Tiere so in einem Raster zu platzieren, dass sie zu den eigenen Aufträgen passen (oder sich passende Aufträge zu angeln), und jeder Zug kann den Konkurrenten die Tour vermasseln. Natürlich ginge das auch absichtlich, aber zu viert ist es kaum möglich, die zahlreichen Ziele der Gegner im Auge zu behalten. Das macht durchaus Spaß, aber dieses Spiel ist auch lang. Ziemlich lang. Ob es das gebraucht hätte, kann man nach einer Partie nur schwer sagen.

Ersteindruck: Tolle Optik mit einem erfrischenden Spielprinzip. Aufgrund der Dauer: mit Vorsicht zu genießen.

„Queen of 12“

Im Prototypenbereich (fotografieren streng verboten) konnte ich den zweiten Nachfolger von meinem persönlichen Überraschungstitel „King of 12“ antesten. Es handelt sich dabei um ein Roll-and-Write-Spiel in Kombination mit dem Kartenmechanismus der beiden Vorgänger. Verschiedenfarbige Würfel werden gewürfelt und in zwei Bereiche gelegt. Durch die Auswahl einer Handkarte kann man versuchen, sich bestimmte Würfel zu sichern. Dabei gibt es eine Menge zu beachten, denn die gespielte Karte bestimmt nicht nur, welche Würfel man bekommt, sondern auch, wann man an der Reihe ist. Denn haben sich die Gegner schon alle Würfel geschnappt, geht man leider leer aus.  

Natürlich darf man auch nie dieselbe Karte spielen wie die Gegner, um nicht ebenfalls am Ende der Runde ohne Würfel dazustehen. Kann man einen oder mehr Würfel ergattern, kreuzt man passende Felder auf seinem Wertungsblatt ab und am Ende einer spielerzahlabhängigen Anzahl von Runden werden die Blätter ausgewertet und gewonnen hat man, wenn man die meisten Punkte ergattern konnte.

Das Spielprinzip büßt ein wenig an Leichtigkeit ein, aber übrig bleibt ein Roll-and-Write, das in Sachen Interaktivität seinesgleichen sucht.

Das Spiel kann man bis Mitte Oktober in der Spieleschmiede unterstützen.

Ersteindruck: Nochmal (aber hinterher noch eine Runde vom Original).

Das Event schürt die Vorfreude auf die Spielemesse im Oktober. Viele, viele, viele Neuheiten gab es zu bestaunen und auszuprobieren. Tatsächlich reichte die Zeit kaum aus, die Hälfte in Augenschein zu nehmen. Aber auch wenn nicht jeder Titel auf den ersten Blick überzeugen konnte, waren doch einige Highlights dabei, die klar machen: Wir bekommen einen starken Spielejahrgang 2023.