Aventurische Regionen 7: Aus Licht und Traum

„Elfen!“ Der Standardseufzer eines Zwergen oder Menschen, wenn der schmächtigste Streiter der Truppe bei seinen Begleitern auf Unverständnis trifft. Etwa weil er beharrlich ebenso den Krug Bier, wie das frisch gebackene Brot, den reifen Käse oder den frisch Gebrannten verschmäht. Weil sich die ausgemergelten Figuren kaum als Männlein oder Weiblein unterscheiden lassen, weil ihre Götterlosigkeit sehr frevelhaft scheint, weil sie auf Schiffen nur Unglück bringen, weil…

von Jorge C. Kafka

 

Wie schon für die Zwerge gilt für die Elfen umso mehr, dass diese Liste eine lange wäre, lauschte man nur geduldig genug den zahllosen Spielergruppen. Doch wie haben sich die unterschiedlichen Autoren die Elfen vorgestellt? Eines ist jedenfalls sicher: Einig sind auch sie sich nicht.

Auf der Grundlage der Bandes „Die Geheimnisse der Elfen“, der im Mai 1993 in der Box „Dunkle Städte, lichte Wälder“ enthalten war, legen Katharina Pietsch und Tyll Zybura eine in den meisten Teilen aktualisierte, umfangreich ergänzte und korrigierte Neufassung unter dem Titel „Aus Licht und Traum – Die Elfen Aventuriens“ vor. Dieses Buch erscheint als Nummer sieben in der Reihe „Aventurische Regionen“ und beschreibt „Die Heimat der Elfen“.

Mit 148 Seiten ist der Band ähnlich umfangreich wie der zu den Angroschim (150 Seiten). Damit aber weisen beide Bände über die nichtmenschlichen Kulturen einen deutlich geringeren Seitenumfang auf als beispielsweise der über die Thorwaler „Unter dem Westwind“ (200 Seiten). „Aus Licht und Traum“ enthält auch keine farbigen Karten, sondern zwei sepiafarbene DIN A3-Faltbögen, auf denen in DIN A4-Größe die Spieler-Karte der Siedlung Gerasim und die Weltkarte einer Legendensängerin sowie fünf unterschiedliche Archetypen und Behausungsformen abgebildet sind. Eine Doppelseite des Faltbogens macht die Darstellung der unterschiedlichen Siedlungsgebiete der verschiedenen Elfenvölker aus. Eine weitere DIN A4-Karte zeigt die Inseln im Nebel und die letzte DIN A4-Seite zeigt die Spielleiterkarten (beide DIN A5) für Gerasim und die Weltkarte der Legendensängerin.

Vorweg sei erwähnt, dass sich die Redakteure des Bandes „Die Geheimnisse der Elfen“ damals wagemutig entschieden hatten, ihre Publikation als eine Art Sammlung aventurischer Zeugnisse über die Elfen zu gestalten. Diese Zitate aus aventurischen Werken, Sagen, Legende und vielen anderen fiktiven Quellen waren alles andere als eindeutig. Sie ließen den Spielern sehr viel Raum für Interpretation. Regelinterpretationen war man seinerzeit ja schon gewohnt, Interpretationen englischsprachiger Regelwerke diverser Rollenspielverlage ebenfalls, aber wenn es um das lang erwartete deutschsprachige Quellenbuch eben jener Rasse ging, die nicht nur unter den Charakteren der Spieler immer wieder für Vorurteile, Missverständnisse, Unmut oder gar Ärger sorgte, sondern auch unter den Spielern selbst, da war die große Kontroverse vorprogrammiert.

Wer sich als Spielergruppe jedoch auf eine Art interpretative Ethnologie der fiktiven Texte über die Elfen einließ, der ahnte sicher, dass die Kultur und ihre Texte – egal, ob erfunden oder authentisch – ständig neuen Interpretationen und Bedeutungen unterliegen und niemals objektiv sein können. Und wer lieber unzählige, jedes Jahr neu aufgelegte, dicke und teure Schinken wälzen wollte, in denen Tabellen selbst für die Färbung der Nasenhaare des zwergischen Trollslayers oder Umrechnungskurse für Abenteuerpunkte in Gold zu finden waren (und sind!), der war schon seinerzeit falsch bei „DSA“, war ganz falsch beim Band über die Elfen und ist es noch heute.

Ob die Neuauflage in Zeiten von „DSA 4“ einen goldenen Mittelweg gefunden hat? Lest ruhig weiter…

Einer der wichtigsten Texte in „Aus Licht und Traum“ ist auf den ersten Seiten des Bandes zu finden. „Wie elfisch darfs denn sein?“ heißt diese Einführung und macht noch einmal deutlich, dass Elf nicht gleich Elf ist und dass es unter ihnen mindestens eben so viele unterschiedliche Charaktere gibt wie unter anderen Rassen in Aventurien auch. Die Spielbarkeit sollte also dadurch nicht eingeschränkt sein. Maßgeblich sein sollte jedoch immer die Spielergruppe, in die der elfische Charakter zu passen hat, und der Spieler selbst, der für sich selbst den Schwierigkeitsgrad der elfischen Darstellung finden muss.

Die überarbeitete und aktualisierte Geschichte des Volkes der Hochelfen und Elfen wird auf 18 Seiten detailliert dargestellt. Die wichtigsten Eckdaten sind noch einmal in einer Tabelle zusammengefasst. Erstaunlich kurz sind die elfischen Mythen und Legenden gefasst; auf nur drei Seiten erfährt der Leser etwas über Elfenstiefel und Zauberpfeile und ein paar wenige andere Geschichten der Elfen. Interessante Informationen erhält der Leser im Kapitel über die Sehenden und die Wanderer: jene beiden Fraktionen der Elfen, die ihre Wurzeln in der Jahrtausende zurückliegenden Vergangenheit haben. Mit Beginn des neuen Zeitalters in Aventurien stehen die Elfen an einem Scheideweg, der sie entweder ins selbst gewählte Exil führt oder sie darin bestärkt, sich der Wirklichkeit zu stellen.

Vom Wesen, der Kultur und der Lebensweise der Elfen berichten beinahe 30 Seiten, die eingeleitet werden von einer fast schon anthropologischen Beschreibung der elfischen Anatomie, ihrer Geburt und Entwicklung, aber auch dem Alter. Verständlich werden Glaube und Weltsicht, die von der Dualität des „nurdra“ und des „zerza“ im Gleichgewicht gehalten werden. Auch über den Aberglauben der Elfen und ihre Beziehungen zu fremden Göttern und Geweihten erfährt der Leser mehr. Dem „Seelenzustand“ „badoc“ haben die Autoren ausreichend Raum gewidmet. Auch für das Regelwerk relevant sind die Ausführungen über die Magie der Elfen, in denen nicht nur auf ihre Geschichte eingegangen wird, sondern auch regeltechnische Erklärungen zu finden sind. Schön ist das Detail, dass man die Namen der Zauber in der Sprache Isdira in einer Tabelle zusammengefasst hat. Die vielleicht wichtigsten Unterkapitel befassen sich aber mit dem Leben in der Sippe, den Festen und Bräuchen, der elfischen Musik und Kunst. Mit sehr viel Einfühlungsvermögen und Detailreichtum haben die Autoren versucht, ein fiktives aber fremdartiges Kultur schaffendes Volk zu konstruieren. Dieses Bemühen wird bestärkt durch spannende Informationen über die Hochelfen.

Ein weiteres großes Kapitel umschließt die vier Volksstämme der Elfen: die Au-, Wald, Firn- und die Steppenelfen. Natürlich wird die kleine aber vorhandene Gruppe der Halbelfen nicht vergessen; über ihre Abstammung, ihr Wesen und ihre Stellung in der Menschen- und Elfenwelt ist Interessantes zu lesen. Auch wie sich die Elfen fern der Heimat verhalten, wie sie ihre Siedlungen unter Menschen gestalten und wie ihr rechtlicher Status innerhalb der menschlichen Gesellschaft geregelt ist, haben die Autoren aufgezeichnet.

Die bekanntesten Siedlungsgebiete der Elfen stellt das Kapitel „Das Aventurien der Elfen“ vor. Zunächst werden die größeren Regionen, die Kernlande, benannt, darunter zahlreiche Gebiete in Auwäldern, Steppen und dem Ewigen Eis. Erfreulich ist, dass man sich eingehend auch dem „Sala Mandra“ – den Salamandersteinen – gewidmet hat; jener Region also, aus der vor Urzeiten die ersten Elfen „aus dem Licht traten“. Klein aber fein ist der eher unscheinbare Kasten über die verlorenen Gebiete der Elfen! Einen genaueren Blick erhalten die Leser auch auf die Elfen jenseits der Kernlande und aventurische Städte mit einer relevanten Anzahl elfischer Bevölkerung, darunter Gerasim, Kvirasim, Oblarasim, Donnerbach, Silz, Uhdenberg, Olport und Punin.

Wie üblich widmen die Autoren sich in „Aus Licht und Traum“ auch berühmten und berüchtigten Persönlichkeiten unter den Elfen. Man hat sie unterteilt in bedeutende, ursprüngliche und seltsame Charaktere. Auch wird in „Elfen auf Wanderschaft“ und „Elfen unter Menschen“ differenziert. Ebenso wenig fehlen dürfen die Mysteria et Arcana, die – niemanden wird es verwundern – bei den Elfen besonders umfangreich ausgefallen sind. Das Spektrum reicht hier von geheimnisvollen Orten über die Zauberlieder bis hin zu Artefakten. Wieder ist den Salamandersteinen ein eigenes Unterkapitel gewidmet. Es wird von geheimnisvollen Wesenheiten berichtet, verschollenen Sippen und fremden Völkern. Den Hochelfen versuchen sich die Autoren auf gut sechs Seiten zu nähern.

Gegen Ende des Buches ist das für Spieler und Spielleiter gleichermaßen wichtige Kapitel „Elfen im Rollenspiel“ zu finden. Der schöne Wahlspruch „wahrt das Mysterium – bedenkt die Spielbarkeit“ ist der Hilfestellung für das Rollenspiel mit Elfencharakteren vorangestellt. Auch hier bemühen sich die Autoren, dem Leser zu vermitteln, dass und wie Elfen spielbar sind. Noch einmal wird auf die beiden Strömungen der Sehenden und der Wanderer eingegangen. Auch die Elfische Weltsicht und der Seelenzustand des „badoc“ werden nochmals aufgegriffen. Ihre Bedeutung für das Rollenspiel wird nun noch mal genauer beleuchtet.

Für das Spiel werden zusätzlich einige Rassen-, Kultur- und Professions-Varianten angeboten; darüber hinaus zahlreiche elfische Archetypen und die regeltechnischen Besonderheiten der Elfen. Abgeschlossen wir der Band mit einem fast fünfseitigen Index und einer Liste der bisherigen „DSA“-Publikationen, die sich mit Elfen beschäftigen.

Fazit: Endlich ein neues Standardwerk über die Elfen Aventuriens! Nach über 13 Jahren Dauer bis zur aktuellen kanonischen Spielhilfe „Aus Licht und Traum – Die Elfen Aventuriens“ und den vielen Kontroversen über das Wie und Was der Elfen im „DSA“-Rollenspiel, muss man den Autoren schon gratulieren. Der vorliegende Band ist wesentlich homogener geraten, als man hatte befürchten können. Das Bild über die Elfen ist jetzt nicht nur differenzierter geraten, sondern auch durch die wortwörtlichen Spiel-Hilfen und die vielen Details spielbarer geworden. Dabei hat diese alte Rasse nichts an Faszination und Msyterium verloren, im Gegenteil. Besonders die gegenwärtigen Entwicklungen in der aventurischen Geschichte verhelfen den Elfen zu einer historischen Tiefe, die sich auch im Spiel der Elfenrolle wieder finden kann und darf.

Selbst wenn keine Farbkarten beiliegen, ist der Preis von 23,- Euro vollkommen in Ordnung. Die Innenillustrationen sind im Stil sehr unterschiedlich, aber durchweg von hoher Qualität. Die Zahl der Abbildungen minderer Qualität aus alten Veröffentlichungen tendiert gegen Null – perfekt. Die Vielfalt der Illustratoren steht im ästhetischen Einklang mit den überzeugenden Inhalten. Nurd’dhao, FanPro!


Aventurische Regionen 7: Aus Licht und Traum – Die Elfen Aventuriens
Quellenbuch
Katharina Pietsch, Tyll Zybura, Momo Evers
Fantasy Productions 2006
ISBN: 3-89064-433-3
148 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 23,00

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