Auf der Grundlage der Bandes „Von den Zwergen Aventuriens“, der im Mai 1991 in der Box „Dunkle Städte, lichte Wälder“ enthalten war, hat Momo Evers eine in weiten Teilen aktualisierte, umfangreich ergänzte und geringfügig korrigierte Neufassung unter dem Titel „Angroschs Kinder – Die Zwerge Aventuriens“ herausgegeben. Dieses Buch erscheint als Nummer vier in der Reihe „Aventurische Regionen“ und betrachtet „Die Heimat der Angroschim“. Beinahe 150 dick, enthält der Hardcoverband zusätzlich drei Karten in Schwarz-Weiß: „Die Welt der Zwerge“, „Xorlosch – Heilige Stadt der Angroschim“ und „Die Heilige Halle von Xorlosch“.

Ein übersichtliches Inhaltverzeichnis zeigt, wie gut strukturiert man sich dem Volk der Zwerge in diesem Buch nähert. Das bereits erwähnte Vorwort erläutert die Absichten der Autoren, vom Leben der Zwerge, wie sie wohnen, essen, trinken, lieben und kämpfen zu erzählen. Sie arbeiten die Geschichte des Volkes der Zwerge auf, um uns Einblicke zu vermitteln, wie Zwerge einst lebten und was diese erlebten. Auf 19 Seiten widmet sich das Buch diesem wichtigen Kapitel durch die verschiedenen Zeitalter Aventuriens hindurch, nicht ohne auch die großen Ahnen der Zwerge zu würdigen.

Vom Wesen und der Kultur der Zwerge wird der Leser zunächst über Äußerlichkeiten wie den Bartwuchs und die körperliche Entwicklung informiert, aber auch ungewöhnliche Aspekte des Zwergseins, wie das Zeitempfinden und die Wahrnehmung, werden erläutert. Auch und besonders dem Verhältnis der Geschlechter zueinander als merkwürdiges und zugleich bedeutsames Phänomen wird gleichsam Bedeutung zugemessen. Der Glaube und die Weltsicht der Zwerge sind nicht nur in Bezug auf die unterschiedlichen Gottesbilder oder der Verehrung der Ahnen innerhalb der verschiedenen Zwergenkulturen interessant nachzulesen, sondern gerade auch bezüglich ihrer alten Feinde: den Drachen oder dem Aberglaube. Familie und Sippe stehen da nicht nach: Frauen, Kinder und Seelenbrüder haben in allen Kulturen der Zwerge den gleichen hohen Stellenwert und werden entsprechend berücksichtigt

Sehr ausführlich geht der Band auf die Sprache und die Namen der Angroschim ein. Nicht nur auf die Aussprache und Grammatik wird ein Blick geworfen, verschiedene Varianten des Rogolan werden vorgestellt, eine ganze Reihe von Formeln und Redewendungen werden genannt. Auch Vokabeln, Konsonantenstämme und Monatsnamen sind zu finden. Der Ewige Kampf der Zwerge und Drachen wird beinahe erschöpfend dargestellt. Einige Mythen und Legenden der Angroschim werden beleuchtet und mit diversen Textfragmenten dokumentiert.

Auf 20 Seiten widmen sich die Autoren intensiv der Kunst und dem Handwerk der Zwerge: Berücksichtigt werden natürlich die Schmiedekunst und der Bergbau. Daraus resultieren muss zwangsläufig ein Kapitel über die spezifischen Waffen und Rüstungen der Zwerge und eines über ihre unübertreffliche Baukunst mit den verschiedenen Siedlungsformen Über- und Untertage. Zwerge beherrschen nicht nur die Kunst der Mechanik, sondern ganz besonders die des Zechens und Schmausens! Dazu zählt neben der hohen Kunst des Bierbrauens nicht nur die der Zwergenminne (sprich: Trinklieder schmettern), sondern auch die des Kochens und der Nahrungsbeschaffung bzw. -züchtung (z. B. Pilze).

Ein weiteres großes Kapitel stellt die vier großen Volksstämme der Zwerge vor: die Amboss-, Erz-, Hügel und Brillantzwerge. Natürlich werden die seltsamen Zwergenvölker wie z. B. die Tiefzwerge oder die Wilden Zwerge nicht vergessen. Auf gut fünf Seiten erfahren wir endlich mehr über diese Wesen zwergischer Abstammung. Ein sehr lobenswertes Unterkapitel widmet sich dem Zwerg fern der Heimat, darin wird vom Leben des Zwergen in der Ferne berichtet und auch auf die Lex Zwergia – die rechtliche Grundlage für das gemeinsame Zusammenleben von Menschen und Zwergen – wird eingegangen.

Die wichtigsten Siedlungsgebiete stellt das Kapitel „Aventurien der Zwerge“ vor. Darin finden sich zum Teil sehr detaillierte Informationen zu den Bergfreiheiten Xorlosch, Eisenwald und Koschim und zu vielen Städten und Grafschaften. Auch jenseits der Kernlande gibt es Zwergensiedlungen, von denen ausgiebig berichtet wird.

Die spannendsten Kapitel hat man sich jedoch für das Ende des Bandes aufgehoben. Berühmte und berüchtigte Angroschim wie diverse Hoch- und Bergkönige werden vorgestellt. Man widmet sich auch verschiedenen Geweihten, Zauberern, Kriegern, Handwerkern und Künstlern. Ebenfalls mit größtem Interesse verschlingen wird der Leser das Kapitel „Mysteria et Arcana“, in dem von geheimnisvollen Orten und Personen und verwunschenen Gegenständen berichtet wird. Leider fällt der Beitrag zu den Geoden sehr gering aus, doch dazu sollte der Leser die Box „Zauberei und Hexenwerk“ (seit Oktober 2002 auf dem Markt) für die näheren Informationen hinzuziehen, die den Geoden ausführlich beleuchten.

Für Spieler und Spielleiter gleichermaßen spannend und wichtig ist das Kapitel „Angroschim als Spielercharaktere“. Nicht nur die physische Perspektive des kleinen Volkes ist eine andere, die Zwerge verfügen über eine Unzahl an Eigenheiten, die es im gelungenen Spiel zu beachten gilt. Amüsant und bemerkenswert zugleich ist es, was die Angroschim über andere Volksgruppen und Rassen denken und im Gegenzug die anderen Völker über die Zwerge. Für die Spielmechanik relevant sind die detaillierten Aufschlüsselungen der Professionsvarianten und der zwergischen Archetypen. Hervorzuheben sind die knapp drei Seiten regeltechnischer Besonderheiten, die die Angroschim im Spiel so mit sich bringen. Ein gut dreiseitiger Index und eine Auflistung der bisherigen DSA-Publikationen, die sich mit Zwergen beschäftigen, runden den sehr gelungenen Band ab.

Fazit: Der für mich wichtigste Band der Reihe „Aventurische Regionen“ wird seinem Preis von 23,- Euro vollkommen gerecht. Das Buch stellt ein Standardwerk der DSA-Veröffentlichungen dar, das ich um keinen Preis missen will. Es ist geeignet sowohl für den Spieler, der gerne mehr über die oft un- oder missverstandene Rasse erfahren möchte, als auch für den Spielleiter, der den Angroschim endlich mal etwas mehr Farbe in seinen Abenteuern verleihen will. Selbst für Rollenspieler, die DSA nicht so sehr zugetan, ist der Kauf eine Überlegung wert, ist der Band doch voll von tollen Ideen, wunderbaren Anregungen und vielen Informationen, die das Volk der Zwerge so vielgestaltig machen. Kangroscha, FanPro!