Aventurische Regionen 13: Im Bann des Nordlichts

Der Hohe Norden Aventuriens: menschenleere Weiten und eisbedeckte Ebenen. Seit Jahrhunderten warten legendäre Schätze auf die Menschen, und immer wieder ziehen etliche Glücksritter in die unwirtliche Region aus, um diese Reichtümer zu bergen. Doch die lebensfeindliche Wildnis, in der zahlreiche Schrecken unter dem Schnee lauern, lässt nur wenige überleben. Der „DSA“-Regionalband um all diesen Schrecken widmet sich den Nivesenlanden, dem Herzogtum Paavi, dem Ehernen Schwert und dem gesamten eisigen Norden mit seinen Landschaften, Siedlungen, Völkern, Kulturen, Persönlichkeiten und Geheimnissen.

von Ansgar Imme

 

Mit „Firuns Atem“ hatten die Autoren um Bandredakteur Daniel Simon Richter auf rund 100 Seiten inklusive einiger ergänzender Teile aus der alten „Bornland“-Box eine gute Menge an Grundlagenmaterial, das sie neu bearbeiten, erweitern, auf einen neuen Stand bringen und zusammenfassen mussten. Dabei standen dem Bandredakteur mit Chris Gosse, Uli Lindner, Thomas Römer und Anton Weste ein paar der bekanntesten und beliebtesten „DSA“-Autoren zur Seite. Im Gegensatz zu den anderen Regionalspielhilfen war mit neun Autoren die Anzahl der Verfasser von Texten eher klein. Laut Gerüchten aus den Internet kam zudem dazu, dass einer der ehemaligen Konzeptschreiber zum hohen Norden Mark Wachholz ungefähr zur Zeit der Erstellung der Spielhilfe von seinen Arbeiten zu „Das Schwarze Auge“ entbunden und ein Teil seiner Konzepte nicht mehr übernommen wurde.

Layout, Aufmachung, Illustrationen

204 durchgehend klein und eng beschriebene Seiten inklusive eines kurzen zweiseitigen Indexes zum Nachschlagen umfasst der neue Regionalband. Dazu liegen zwei etwa DIN-A3 große Farbkarten der östlichen und westlichen Nivesenlande (die die Gebiete von Tjolmar und Riva bis zum Ehernen Schwert umfassen) bei sowie etwa DIN-A4 große Schwarz-Weiß-Karten der Städte Riva und Paavi, dazu kleinere Schwarz-Weiß-Karten der Dörfer und Städte Eestiva, Bjaldorn, Glyndhaven und Reelia.

Das Layout ist durchgehend stimmig und passend und bietet zusätzlich in grau hinterlegten Kästen Hintergrund oder vertiefende Informationen an den jeweiligen Stellen. Die Gliederung hätte man allerdings zu besseren Themenblöcken zusammenfassen können, was die geographische Einordnung betrifft. Bei den Illustrationen hat man leider den Eindruck, schon sehr viele zu kennen, sodass dies vermuten lässt, dass etliche aus alten Spielhilfen und Abenteuern übernommen wurden. Auch ist der Stil so unterschiedlich, dass sich in diesem Bereich kein durchgehendes Konzept erkennen lässt.

Der Inhalt

Mit dem hohen Norden Aventuriens besteht von der Beschreibung ein eher heterogenes Gebilde, da es keine großen Reiche außer dem Eis selbst gibt, sondern viele kleine Reiche, Mächtige und Naturgewalten kämpfen und wirken. In drei grobe Bereiche unterteilt sich die Spielhilfe: geographische Beschreibungen von Land und Städten, Kulturen und Völker des Nordens sowie Persönlichkeiten und Geheimnisse des hohen Nordens.

Nach dem üblichen kurzen Vorwort und Hinweisen auf Quellen und den Aufbau des Buches folgt im Vergleich zu anderen Spielhilfen auf minimalistisch kurzen fünf Seiten die Geschichte des „Hohen Nordens“. Bedingt durch späte Besiedlung und Erkundung sowie wenig menschliche Niederlassungen hält man sich auch kurz und beschränkt sich auf wichtigste Begebenheiten mit größerer Bedeutung vor allem für die Thorwaler und Menschen aus dem Mittelreich.

Auf den nächsten 22 Seiten folgt die geographische Beschreibung der Länder der Nivesen, die auch die menschlichen und elfischen Siedlungen wie Riva, Leskari, Gerasim, Oblarasim oder Travingen umfasst. Die Stadt Riva, die bereits in der Städte-Spielhilfe „Patrizier und Diebesbanden“ sehr ausführlich beschrieben wurde, wird an dieser Stelle nur kurz behandelt. Auf den nächsten 14 Seiten folgt das Herzogtum Paavi, wobei die Stadt Paavi und Bjaldorn die Schwerpunkte bilden.

Nach den eher zivilisierten Gegenden der Nivesenlande werden auf den nächsten fast 40 Seiten die urtümlichen Gegenden bereist: Das Eherne Schwert mit seinen tiefen Schluchten und Graten (inklusive der Beschreibung Fuldigors des Alten Drachen), der eisige Norden mit den Nebelzinnen und Ifirns Ozean, die Bernsteinbucht mit den kältesten Gegenden wie dem Yeti-Land oder der Grimmfrostöde und die Stadt Glyndhaven sowie zwergische und orkische Enklaven und zuletzt das Gletschermeer mit der Klirrfrostwüste, wo jedes Leben erstarrt, werden beschrieben.

Die nächsten 65 Seiten werden ganz und gar den Völkern und Kulturen des eisigen Nordens gewidmet, angefangen mit den nomadischen Nivesen, die mit fast 18 Seiten den größten Teil der Beschreibung erhalten, dicht gefolgt von den Fjarningern mit 13 Seiten. An dieser Stelle werden Gemüt und Lebensweise, Äußeres und Kleidung, sehr ausführlich die Mythologie und der Glaube sowie große Stämme bis zu Musik, Namen und Traditionen beschrieben. Auch über die Fjarninger erfährt man von Herkunft, Geschichte, Volk und Kultur, über ihren harten Lebensumständen im Eis und den Lebenswandel als Jäger und Handwerker, bis zur Rechtssprechung, Riten und Bräuchen einiges. In deutlich kürzeren Passagen werden die Mittelländer im hohen Norden sowie viele kleinere und seltsame Völker wie die Firnelfen, Dunkelelfen, Yetis, Schneeorks, Zwerge oder Affenmenschen beschrieben.

Ein kurzer Zwischenteil von neun Seiten wird dem Reisen im hohen Norden sowie dem Überleben in Schnee und Eis gewidmet. Neben Himmelszeichnen werden vor allem die unterschiedlichen Fortbewegungsmöglichkeiten von zu Fuß, über Reittier, bis zu Hunden- und Dachsschlitten sowie Eissegler thematisiert. Die Beschreibungen und Regeln zu Kälte, Eis und Kälteschutz sind dabei weitestgehend der Vorgängerspielhilfe „Firuns Atem“ entnommen.

Den Abschluss des Bandes bilden die Persönlichkeiten des hohen Nordens auf 14 Seiten und die ausführlichen Geheimnisse auf über 30 Seiten, die Szenariovorschläge und Ideen für den Spielleiter enthalten. Die Persönlichkeiten sind dabei nach Regionen (Paavi und die freien Städte), Völkern (Nivesen, Norbarden, Fjarningern etc.) sowie Geweihten, Zauberkundigen und Besonderen sortiert. Da der Schwerpunkt von Abenteuern und der monatlichen Postille „Der Aventurische Bote“ stärker auf den Mittellanden liegt, entdeckt man hier doch selten erwähnte oder gar unbekannten Gesichter. Die sogenannten „Mysteria et Arkana“ widmen sich Geheimnissen und Hintergründen zum Reich der Eishexe Glorana, anderen eisigen Mysterien der Völker und Regionen sowie zuletzt den Dunkelelfen. An einigen Stellen sind leider vorrangig Hintergrundtexte ohne sofortigen Spielbezug zu finden, die man besser gleich mit Ideen verknüpft hätte.

Bewertung

Sehr viel ausführlicher kann man den eisigen Norden mit den Nivesenlanden vermutlich kaum beschreiben. Dies führt aber auch dazu, dass selbst kleinste Städte und Dörfer, die in anderen Gegenden nicht mal erwähnt würden, hier eine Beschreibung und teilweise sogar Karten erhalten. Wie schon in Vorgängerpublikationen tritt aber auch hier wieder ein Layout- beziehungsweise Gliederungsproblem auf: Die Städte, die einem vielleicht sogar namentlich bekannt, aber die geographisch nicht gleich der genauen Gegend zuordenbar sind, finden sich nicht im Inhaltsverzeichnis. Diese muss man extra über den Index suchen. Dies liegt daran, dass das Inhaltsverzeichnis sich auf zwei Ebenen beschränkt. Eine dritte Ebene für genau solche Fälle wäre aus Sicht des Rezensenten sinnvoll gewesen. Und auch trotz der heterogenen Struktur ohne größere Reiche wäre eine bessere Gesamtordnung damit möglich gewesen. So wirkt der Band immer wieder sehr zerstückelt und ungeordnet.

Die Beschreibungen und das Flair vieler eisiger Gegenden, der Tundra und endlosen Weiten sind sehr stimmungsvoll und lassen tolle Bilder vor dem inneren Auge entstehen, jedoch fehlen oft an diesen Stellen der Bezug und die Möglichkeiten für Abenteuer und Szenarios, da die Orte teilweise so lebensfeindlich oder verlassen sind, dass es kaum Gründe gibt, dass die Helden sich dort herumtreiben.

Bei aller Ausführlichkeit zu den verschiedenen Themen und Regionen hat man doch sehr oft den Eindruck, vieles zu kennen. Texte und vor allem Illustrationen scheinen stark in gleicher oder nur leicht abgewandelter Form aus der Vorgängerspielhilfe „Firuns Atem“ oder aus der alten „Bornland“-Box übernommen worden zu sein. Die Texte an sich sind immer noch spannend und voller Atmosphäre. Dabei kommen manche Themenbereiche wie die Schneeorks, die wilden Zwerge oder auch die Dunkelelfen eher noch zu kurz, sodass man dort eher den Platz hätte nutzen können. Der Index ist zudem sehr kurz gehalten. Medienempfehlungen waren gar nicht enthalten und wurden erst später als PDF vom Verlag nachgereicht.

Fazit: Die Menge an Material ist erst einmal umfangreich und detailliert. Jedoch hat man ständig den Eindruck, vieles schon gelesen zu haben. Die lebensfeindliche Umgebung macht es zudem schwerer, Abenteuer anzusiedeln. Als Kauf für nebenbei lohnt sich die Anschaffung nicht, für eine Kampagne im hohen Norden oder Hintergrundwissen für Helden ist der Band jedoch unverzichtbar und sehr zu empfehlen. Sofern die Vorgängerwerke vorhanden sind, ist ein Kauf zu überlegen, da doch etliche Wiederholungen enthalten sind.


Aventurische Regionen 13: Im Bann des Nordlichts
Quellenbuch
Daniel Simon Richter u. a.
Ulisses Spiele 2010
ISBN: 3868890408
208 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 30,00

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