Aventurische Regionen 1: In den Dschungeln Meridianas

Eine Reise in den aventurischen Süden gefällig? Warum nicht! Sonne, Meer, Strand... Boronkult, Sklavenjäger, Echsenmenschen. Der vorliegende umfangreiche Hardcover-Band „In den Dschungeln Meridianas“ (IDDM) ist der erste aus der neuen Reihe „Aventurische Regionen“. Er ist hervorgegangen aus der 1995 erschienen Box „Al’ Anfa und der tiefe Süden“. IDDM beschreibt den aventurischen Süden im Jahre 1027 BF und enthält als Farbkarten Al’ Anfa-Stadt, Altoum und das Regengebirge. Eine weitere Schwarz-Weiß-Karte zeigt Brabak und Al’ Anfa.

von Jorge C. Kafka

 

 

Knapp neun Jahre hat es gedauert, bis FanPro (im Zuge der Vierten Edition DSA) eine komplett überarbeitete und ergänzte Auflage einer ihrer Regionalboxen herausgebracht hat. Andere Rollenspielverlage bringen in der gleichen Zeit drei- bis viermal so viele Neuauflagen mit drei- bis viermal so wenig Änderungen und Neuerungen heraus! Und das zu immer höheren und meist weniger gerechtfertigten Preisen...

Aus der Box werde Hardcover. Das neue Konzept von FanPro geht auf, denn mit jeder neuen Pappschachtel – oft zu nett gemacht, um sie wegzuwerfen, meist zu unpraktikabel, um sie im Regal stehen zu haben – steigt der Platzbedarf im Regal und man will den Band ja griffbereit haben! Was den Umfang betriff, so fällt dem Kenner der alten Box auf: Es fehlt das schwarze Heft „Unter Piraten“. Es wurde – zumindest in der damaligen Form – nicht in IDDM übernommen. Die 60 Seiten des Heftes wurden ‚eingedampft’ auf sechs Seiten. Ob das eine gute Entscheidung war, dazu weiter unten mehr.

IDDM ist eine Spielhilfe zur Geographie, Geschichte und Kultur des aventurischen Südens. Es beschreibt mit viel Freude am Thema das ehemalige Vizekönigreich Meridiana, die Heimat verschiedener Waldmenschenstämme, schurkischer Piraten und tapferer Kauffahrer. Außerdem widmet sich der Band der zweitgrößten Stadt Aventuriens: Al’ Anfa.

Der Band weist ein sinnvoll strukturiertes Inhaltverzeichnis auf, einen sehr üppigen (sechst Seiten!) Index und Farbkarten der gegenwärtigen Inseln des Südmeers (1024 BF). Zunächst gibt IDDM einen geographischen Überblick zu Meridiana, den Dschungel und seine Flora und Fauna. Ein besonderes Augemerk sollte der Spiel(leit)er auf das Thema „Überleben im Dschungel“ richten, es handelt sich dabei um ein sehr spannendes Thema.

Dass der Süden eine sehr geschichtsträchtige Region Aventuriens ist, wird schnell deutlich, liest man über die Zeit der Echsen, die Tulamiden oder die ersten güldenländischen Siedler. Der Aufstieg und Fall des Vizekönigreiches und das alanfanische Imperium kommen natürlich auch nicht zu kurz.

Auf fast 50 Seiten finden sich schier endlose Details u.a. zur Sklaverei, Macht, den Mächtigen, Kultur, und der Dekadenz in Al’ Anfa. Wirtschaft und Handel werden genau so liebevoll behandelt wie die Wissenschaft und Universitäten. Eine spiel(leit)erfreundliche Idee ist das Unterkapitel „Spielen in Al’ Anfa“, in dem hilfreiche Tipps und Anregungen für Abenteuergestaltung, Charakter- und NSC-Handhabung gegeben werden.

IDDM spart weitere Städte der Region wie z.B. Brabak, Mengbilla, Mirham und Charypso natürlich nicht aus. Sie werden ebenfalls mit eigenen Beschreibungen gewürdigt. Zudem wird ein genauerer Blick auf die kleinen und kleinsten Inseln des Südmeers geworfen.

Das Kapitel Piraten und Seeräuberei fällt leider etwas kurz aus. Auf nur sechs Seiten widmet sich IDDM dem Pack aus Piraten, Freibeuter und Korsaren, zeigt kurz das Leben an Bord eines Piratenschiffes, beleuchtet die Bukaniers und die Rolle der Piraten im Spiel der/mit den Mächtigen Al’ Anfas. Mit der Kürzung bzw. Weglassung von Material aus der alten Al’ Anfa-Box tun sich die Macher von FanPro und damit auch ihren Lesern aber einen Gefallen, denn es wurde unnötiger Ballast abgeworfen, enthielt das Heft „Unter Piraten“ doch vorwiegend Material um eine Kampagne im Stile der Karibischen Korsaren, spezielle Kampfregeln (längst überholt) und Hintergrundinformationen zu diversen Piratenabenteuern. Da sollten sich Spieler und Spielleiter lieber auf das eine oder andere ausgebuffte Abenteuer aus dem Hause FanPro freuen, denn da könnte wesentlich mehr drin stecken, als in dem weggefallenen Material!

Auf über 30 Seiten stellt und IDDM die Waldmenschen und Utulus vor, die in der südaventurischen Region heimisch sind. Beginnend mit banalen Dingen wie ihrem Aussehen und der Verbreitung widmet sich das Kapitel beinahe schon ethnographisch den Ureinwohnern und beleuchtet ihre Lebensumstände in der Grünen Hölle ebenso akribisch wie ihre Kunst zu kämpfen, ihre kulturellen Gemeinsamkeiten und Eigenheiten, ihre Sprache und natürlich auch ihre Wirtschaft, den Handel, Religion und Glauben, Recht und Gesetze. Eine wissenschaftlichen Anspruch darf man an die Beschreibung der verschiedenen Ethnien allerdings nicht haben, zeichnen sie sich doch eher durch die rollenspieltypischen und -notwendigen Typisierungen und die eine oder andere Klischeebildung aus, jedoch ohne einen einzigen flachen fremdenfeindlichen Fauxpas abzuliefern, wie man sie bisweilen in angloamerikanischen Werken finden darf.

In einem leider viel zu kurzen Kapitel werden die schuppigen und anderen Völker Meridianas erwähnt. Da würde ich mir mehr und detailliertere Informationen wünschen. Eine schöne Hilfestellung ist das Kapitel „Ein Held aus dem Süden“, in dem verschiedene (Arche)Typen von Helden behandelt und viele unterschiedliche Professionsvarianten aufgeführt werden, sodass sich der Spieler ein besseres Bild machen kann von einem oder einer, die aus dem Süden auszog, ein Held/eine Heldin zu werden.

Noch mal richtig ‚aufgedreht’ wird auf den beinahe 20 Seiten, auf denen die Persönlichkeiten der Region mit ihren Marotten, Vorlieben und Geheimnissen beschrieben werden. Daran schließen sich die so genannten „Mysteria et Arcana“ an, hinter denen sich unter anderem die Geheimnisse Al’ Anfas, die Vermächtnisse der (echsischen) Vergangenheit und die Drachen des Südens verbergen! Als gelungener Abschluss wird den Lesern eine Auswahlliste an Literatur, Musik und Filmen angeboten, die als Anregung bzw. Untermalung für das Spiel im und um Südaventurien dienen kann.

Die Innenillustrationen bilden zum Teil wirklich gelungene Zeichnungen verschiedener Illustratoren und Illustratorinnen. Unschön jedoch ist der dadurch entstehende Stilmix der verschiedenen Künstler. Auch von Nachteil ist, dass sich die künstlerische Entwicklung einzelner Illustratorinnen (z.B. Caryad) im Band verfolgen lässt, werden ihre Zeichnungen doch mit jedem Jahr ihrer beruflichen Karriere besser, aber muss man das an den Zeichnungen in einer Spielhilfe eine Rollenspielsystems ablesen können? Warum nicht gänzlich neue Zeichnungen und Karten anfertigen und verwenden? Schließlich sind manche der Abbildungen zehn oder mehr Jahre alt!

Fazit: Dieses erste Buch der Reihe „Aventurische Regionen“ ist eine Empfehlung nicht nur für Spielleiter sondern auch für Spieler wert. Mit nur kleineren Mankos behaftet (s.o.) stellt der Hardcoverband eine Bereicherung nicht nur für das Bücherregal, sondern ganz real die Spielrunde dar. Wird bei künftigen Regionalbänden noch an den Details gefeilt (Thema ‚Illustrationen’) bzw. mehr Korrektur gelesen („Empfohlene Literratur“, S. 6), dann ist auch der griesgrämigste Meckerdrache zum Schweigen gebracht.


Aventurische Regionen 1: In den Dschungeln Meridianas – Das Imperium von Al’Anfa und die Länder der Waldmenschen
Quellenbuch
Stefan Küppers (Hrsg.)
Fantasy Productions 2004
ISBN: 3-89064-290-X
208 Seiten, Hardcover, deutsch
Preis: EUR 25,00

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