Aus Äonen

„Aus Äonen“ ist der zweite Abenteuerband aus der Reihe „Ctuhloide Welten Bibliothek“ für das Rollenspielsystem „Chtulhu“ von Pegasus. Wie in letzter Zeit üblich, beinhaltet das Buch mehrere Abenteuer, die in den unterschiedlichsten Epochen spielen.

von Reinhard Kotz

 

An der Aufmachung lässt sich wie meist bei Pegasus nichts bemängeln. Die Abenteuer haben ein sehr sauberes Layout, werden übersichtlich präsentiert und durch zahlreiche Photographien, Bildern und Handouts ergänzt. Kurz: Die Aufmachung ist so, wie sie sein soll.

Das erste Abenteuer „Der Blutsauger von Schwarzbrunn“ (34 Seiten) entführt die Spieler in das finstere Mittelalter, genauer in das Jahr 998 AD. Die Charaktere werden von der Kirche beauftragt, ins Kloster nach Schwarzbrunn zu gehen, um seltsame Ereignisse aufzuklären. Vor Ort erfahren sie, dass mehrere Kinder verschwunden sind. Ähnliches ist schon vor etwa einem halben Jahr geschehen. Damals sind die Kinder wieder aufgetaucht: ausgeblutet mit dem Kopf nach unten an einem Baum hängend. Da das Blut aber nicht vorgefunden wurde, ging in der verängstigten Bevölkerung das Gerücht um, ein Blut saugender Werwolf habe die Kinder getötet. Dies wird auch jetzt vermutet, doch bei ihren Nachforschungen stoßen die Charaktere bald auf einen geheimnisvollen Mönch in einer blutroten Kutte. Hat dieser womöglich etwas mit dem Verschwinden der Kinder zu tun?

Eine finstere abgeschiedene Gegend, wenige aber interessante NSC sowie eine düstere eco-eske Stimmung sind die Grundpfeiler dieses Abenteuers. Und wahrlich, sie wissen zu gefallen. Auch wenn man sich bei mittelalterlichen Klosterabenteuern immer an den „Name der Rose“ erinnert fühlt, so handelt es sich hier doch um ein eigenständiges Abenteuer, dessen Handlung nichts mit dem Buch zu tun hat und sogar mit einigen unerwarteten Wendungen aufwarten kann. Alles in allem ein sehr schönes Abenteuer.

„Der Garten der Lüste“ (25 Seiten) spielt in Spanien im Jahre 1597. Die Spieler schlüpfen in die Rollen von Inquisitoren und müssen in einem Bergdorf überprüfen, ob an dem Gerücht, dass eine Jungfrau ein Kind erwartet (was der Wiedergeburt Jesu bedeuten würde), etwas wahres dran ist. Bei Ihren Nachforschungen stoßen sie natürlich auf ein düsteres Geheimnis...

Auch dieses Abenteuer ist spannend inszeniert und gerade die außergewöhnliche Rolle eines Inquisitors macht es zu einem besonderen Erlebnis. Zudem vermittelt es als angenehmen Nebeneffekt etwas Allgemeinbildung über die Inquisition. Allein bei der Darbietung des Abenteuers fallen einige Schwächen auf. Die Karte von dem Dorf ist zu klein. Ferner wäre ein Handout zum Start des Abenteuers für die Spieler wünschenswert gewesen, in dem die Stellung eines Inquisitor mit seinen Rechten und Pflichten näher erklärt wird, da es sich doch um eine Herausfordeung handelt, eine solch exquisite Rolle zu spielen. Auch hätte ich mir eine ausführlichere Beschreibung einer Kreatur gewünscht, die im Abenteuer eine wichtige Rolle spielt. Stattdessen wird auf das Spielleiterbuch verwiesen. Doch trotz dieser Kritikpunkte, ist das Abenteuer auch in dieser Form gut spielbar und eine Bereicherung für jede Runde.

„Die Zeit der dunklen Träume“ (22 Seiten) spielt in Paris des Jahres 1898. Ein Charakter wird von seltsamen Träumen geplagt. Darin wird ein großes Unheil für Paris angekündigt. Wenn die Charaktere herauszufinden versuchen, was es mit den Träumen auf sich hat, dann stoßen sie auf einen mächtigen Geheimbund...

Das vorliegende Abenteuer ist etwas schwieriger zu leiten, da man als Spielleiter die Handlungen des Geheimbundes an die Aktionen der Charaktere anpassen muss. Doch wer sich diese Mühe macht, wird mit einem packenden Abenteuer belohnt, das ein überraschendes Ende hat. Kurz: Auch dieses Abenteuer ist hervorragend.

„Fairy Tales“ (45 Seiten) spielt in der gewohnten „Cthulhu“-Epoche, sprich in Amerika der 1920er. Die Charaktere kommen in ein kleines Dorf irischer Einwanderer und helfen bei der Suche nach einem verschwundenen Kind. Diese Suche führt sie schließlich in die Anderswelt, die Welt der Feen und Geister, wo sie einige schwierige Aufgaben zu erledigen haben.

Auch dieses Abenteuer ist liebevoll gemacht. Es versetzt sich Charaktere in einen märchenhafte Atmosphäre, die von dunklen Elementen beherrscht wird. Als Bonus gibt es eine ausführlichen Quellenteil über die Anderswelt.

Das letzte Abenteuer „Das Icarus-Projekt“ (41 Seiten) entführt die Charakter in die ferne Zukunft, nämlich das 27. Jahrhundert. Die Charaktere sind die Ersatzmannschaft eines Raumschiffes. Eigentlich sollten sie die ganze Zeit über im Kälteschlag verbringen und nur geweckt werden, wenn etwas schief geht. Doch genau dies passiert. Die Charaktere erwachen in ihren Schlafkammern und wundern sich, was los ist, denn niemand ist da, der sie empfängt. Die Mannschaft scheint verschwunden zu sein, doch schnell finden sie heraus, dass sie trotzdem nicht die einzigen an Bord sind. Etwas ist hier gehörig faul...

Das Abenteuer ist „Cthulhu“ at its best! Eine düstere Atmosphäre, ein gnadenloser Gegner und ein Wettlauf gegen die Uhr garantieren einen spannenden One-Shooter. Dazu gibt es zahlreiche gute Tipps, wie man die Atmosphäre noch besser auf den Spieltisch zaubern kann. Von der Verwendung von Musik bis zum Einsatz von Licht ist alles vorhanden. Wer diese Tipps beherzigt und sich bei den Spielvorbereitungen etwas mehr Mühe gibt als sonst, der kann hier einen unvergesslichen Abend kreieren. Die Anforderungen an den Spielleiter sind auch nicht zu hoch, wobei es von Vorteil wäre, wenn er ein gutes technisches Verständnis hätte, damit er die Möglichkeiten, die ein Raumschiff so bietet, im Überblick behalten kann. Meiner Meinung nach das beste Abenteuer im Buch.

Fazit: Fünf Abenteuer, die alle zu gefallen wissen, das findet man selten! Allein deswegen kann man den Band uneingeschränkt empfehlen. Wer Abwechslung liebt und One-Shooter bevorzugt, der sollte unbedingt einen Blick hineinwerfen. Aber auch Nicht-„Cthulhu“-Spieler haben hier die günstige Gelegenheit, „Cthulhu“ kennen zu lernen, denn bestimmt wird eines der Abenteuer genau ihren Geschmack treffen. Wenn man etwas kritisieren möchte, dann ist es die Vielfalt der Abenteuer. Wer (so wie ich) nur ganz bestimmte Epochen spielt, für den sind die meisten der Abenteuer zwar schön zu lesen, aber letztlich überflüssig, da man sie vermutlich nie spielen wird. Insoweit sind mir Bände wir „Terror Britannicus“, die sich zeitlich und örtlich auf ein Gebiet konzentrieren, lieber. Aber wer die Vielfalt liebt oder gerne mal über den Tellerrand schaut, der wird „Aus Äonen“ lieben!


Aus Äonen
Abenteuerband
Frank Heller, Jan Christoph Steines u. a.
Pegasus Press 2004
ISBN: 3-930635-90-9
172 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 16,95

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