Armory

"Armory" ist ein 220 Seiten starker Ausrüstungsband für die neue Welt der Dunkelheit, in dem man wirklich jedes nur erdenkliche Stück Equipment findet, das ein Charakter eventuell haben wollen könnte. Ich hatte eine Menge Spaß bei der Lektüre, aber ob das Buch für eure Runde nun ein nützliches Werkzeug ist oder nur unnötiger Ballast ist, hängt stark von eurem bevorzugten Spielstil ab. Werfen wir doch einen näheren Blick drauf!

von Nicolas Hohmann

 

Optisch ist das ganze Buch ein Leckerbissen. Das dunkel gehaltene Cover zeigt eine Spezialeinheit, die im Wald ein übernatürliches Wesen – diese violetten Tentakel, die farblich im krassen Kontrast zum dunklen Grün stehen – jagen. Die Innengestaltung ist ebenfalls hervorragend, die Bilder sind von mittlerer bis sehr guter Qualität. Es gibt keines, das mir missfällt und einige regen mich sogar zum Spielen an. Die Verarbeitung ist, wie heute üblich, handwerklich hervorragend und die Papierqualität überdurchschnittlich.

Inhaltlich hat mich "Armory" auf ganzer Linie überzeugen können. Es ist eben das, was draufsteht, nämlich ein Waffen- und Ausrüstungskompendium. Und somit beginnt das Buch, nach der Kurzgeschichte über eine Spezialeinheit und der Einführung, mit dem Kapitel über Nahkampfwaffen. Zunächst erhält man sechs Seiten allgemeine Informationen, so zum Beispiel welchen spieltechnischen Effekt eine Dekowaffe oder eine historische Waffe hat, Regeln für das Anfertigen von Waffen aus unterschiedlichen Materialien – Silber, Knochen, Damaskusstahl – und das Schärfen und Instandhalten von Waffen. Weiterhin findet man eine Auflistung, wo man in unserer modernen Welt das Kämpfen mit Nahkampfwaffen erlernen kann. Dem schließt sich ein 25 Seiten starker Waffenkatalog mit allen möglichen Nahkampfwaffen, nach Kategorien geordnet, an. Man findet hier von Messern und Dolchen über Schwerter, Werkzeuge und improvisierten Waffen jedes nur erdenkliche Objekt, mit dem eine Person einer anderen Schaden zufügen könnte. Die spieltechnischen Werte (Schaden, Größe, Haltbarkeit, Kosten und Besonderheiten) werden tabellarisch zusammengefasst, zu jeder Waffe gibt es im Fließtext noch einen Eintrag, in dem eine allgemeine Beschreibung und eventuelle Sonderregelungen zu finden sind. Beispielsweise findet man in der Kategorie Messer und Dolche sowohl das Bajonett als auch das Taschenmesser. Ersteres verursacht zusätzlichen Schaden, wenn es auf ein Gewehr montiert ist, letzteres ist für den Kampf eher untauglich, es gibt einen Malus auf den Würfelpool und bricht, wenn es drei Schaden oder mehr verursacht. So in etwa kann man sich die Einträge zu jeder Waffe vorstellen.

Das nächste Kapitel handelt von Fernkampfwaffen, seien es Pistolen, Gewehre, Armbrüste oder Bögen. Schwere Artillerie wird erst im folgenden Kapitel behandelt – kein Witz! Schematisch ist das Kapitel aufgebaut, wie das vorhergehende. In den allgemeinen Informationen finden sich diesmal eine ganze Menge nützliche Informationen darüber, wie eine Feuerwaffe funktioniert, welche Arten von Feuerwaffen es gibt, welche Kaliber es gibt, wie zu schießen ist, was von Rückstoß zu halten ist und wie man richtig ausgebildet wird. Insgesamt ist der Tonfall locker gehalten und der Autor bemüht sich, Mythen und falsche Vorstellungen, die sich durch Hollywoodfilme in die Köpfe der Leser eingebrannt haben könnten, aufzuklären. Man hat das Gefühl, dass sich das Autorenteam wirklich mit der Materie auseinandergesetzt hat, was auf jedenfall positiv zu vermerken ist. Wer bisher noch keine Ahnung von Schußwaffen, Kaliber, etc. hatte, hat hier eine Fundgrube an Informationen, damit in der nächsten Chronik die Pistole nicht nur einfach eine Pistole, sondern eine SiG-Sauer P220 mit Kaliber .45 ACP ist. Wer sich mit der Thematik auskennt, wird keine groben Fehler entdecken und sich ebenfalls an dem Kapitel erfreuen können. Der Waffenkatalog umfasst hier 35 Seiten und enthält wieder alle nötigen Spielwerte (Schaden, Reichweite, Magazin, nötige Stärke, Größe, Kosten) und Sonderregeln samt einer kleinen Beschreibung von Aussehen, Geschichte und Einsatzmöglichkeiten der Waffe. Da man nicht jede auf dem Markt erhältliche Waffe mit einzelnen Regeln ausstatten konnte, findet man erst die generische 9mm Halbautomatik, besonders hervorgehoben und mit Werten versehen sind dann legendäre Modelle wie die Luger Parabellum P08 oder die Walther PPK. Am Ende des Kapitels werden noch verschiedene Munitionstypen behandelt.

Kapitel 3 handelt von schweren und taktischen Waffen. Darunter sind im Spiel noch einsetzbare Waffen wie Handgranaten, Sprengstoffe, Flammen- und Raketenwerfer zu verstehen sowie Waffen, die eher eine Funktion für die Geschichte erfüllen werden, wie leichte und schwere Artillerie, chemische und biologische Kampfstoffe und taktische nukleare Sprengköpfe. Auch hier sind oben genannte Waffen einfach nur Kategorien, die noch diversifiziert und näher beleuchtet werden, sodass auch ein regeltechnischer Unterschied zwischen einer Stielhandgranate 24 und einer amerikanischen Fragmenthandgranate Typ M67 existiert. Handgranaten, Flammenwerfer und Sprengstoff wurden in meinen Chroniken bereits verwendet. Bei der schweren Artillerie und der Atombombe kann ich mir zumindest Kampagnen vorstellen, in denen ich die Regeln gebrauchen könnte – mit "Vampire" oder "Mage" hat das dann allerdings weniger zu tun.

"Vehicles" beschreibt die unterschiedlichsten Fahrzeuge regeltechnisch. Man findet hier eine große Anzahl an zivilen und militärischen Landfahrzeugen, Flugzeugen, Helikoptern und Booten. Leider ist dieses Kapitel etwas uninspiriert geschrieben und außer den Tabellen mit den Werten für Stabilität, Beschleunigung und Maneuvrierbarkeit sowie den Regeln für die Modifikation von Fahrzeugen konnte ich nicht viel daraus ziehen. Erwähnenswert ist noch die Umrechnungstabelle Meilen in Kilometer, durchaus ein Zeichen der Wertschätzung an die europäischen Fans.

Das nächste Kapitel "Gear and Accessories" ist ein Potpourri an diversen Ausrüstungsgegenständen und somit eine sehr heterogene Gruppe. Kurz gesagt, hier sind die Regeln für alle möglichen Gegenstände, die ein Charakter mit sich führen oder mit denen er sein Fahrzeug oder seine Waffe modifizieren möchte. Meist darf man bei Einsatz des Gegenstandes zusätzliche Würfel in seinen Pool legen, einige Gegenstände erlauben erst auch einige Aktionen, so wird in tiefster Nacht schießen erst wirklich effektiv, wenn man über ein Nachtsicht verfügt. Als weiteres Beispiel möchte ich Spionageausrüstung erwähnen, die hier gelistet ist. Ein Wanze erlaubt das Abhören von Feinden, während eine versteckte Kamera optische Informationen liefert. Und wenn ich oben schon die Atombombe erwähnte, so gibt es hier das dazugehörige Kaliumiodid als Antidot gegen Strahlenvergiftungen (nicht dass es wirklich was helfen würde). Wirklich regeltechnisch interessant sind die verschiedenen Rüstungen vom Kettenhemd bis zur kugelsicheren Weste. Der Rest ist eher trivial.

Kapitel 6 ist dann wiederum ein sehr gutes Kapitel, da es sich mit praktischen und juristischen Konsequenzen des Besorgens und Führens von Waffen beschäftigt. Selbst wenn der Typ da drüben in der Ecke im schäbigen Nachtclub ein untotes Monster auf der Jagd nach Blut ist, wenn der Vampirjäger seine Schrottflinte in ihn entlädt, findet die Polizei nur einen leblosen Körper. Und ob die Vampirerklärung dann zieht, steht auf einem anderen Blatt. Wie besorgt man sich ein nicht registriertes Sturmgewehr oder gar einen militärischen Flammenwerfer über den Schwarzmarkt? Und welche Regelungen und Gesetze gelten was Waffenbesitz und -führung in den USA und – bemerkenswert – anderen Staaten in Europa und dem Rest der Welt angeht? Hier findet man Antworten.

Der Anhang enthält neue "Merits" für Charaktere, wobei hier die neuen Kampfstile wie zum Beispiel "Sniping" und "Combat Marksmanship" hervorzuheben sind. Die Kampfstile sind ziemlich mächtig und verbessern die Kampfkraft der Charaktere enorm.

Fazit: Um "Armory" zusammenfassend bewerten zu können, muss man ein wenig den eigenen Spielstil analysieren. Fakt ist, dass das Buch hervorragend recherchiert ist und ein Fundus an Informationen. Die Regeln stellen zwar nur Permutationen des Grundprinzips dar, sind aber gut durchdacht. Wer Spaß an Sonderregeln für Ausrüstung und einem würfelintensiven, kampforientierten Spiel hat, für den ist dieses Buch definitiv gemacht. Wer einen spürbaren Unterschied zwischen 9mm Stahlmantelgeschossen und .45 ACP Hohlmantelgeschossen haben will, auch regeltechnsich, wird Freude an diesem Buch haben. Wer allerdings eher den "Storytelling"-Aspekt der "World of Darkness" in den Vordergrund rückt und in einer Pistole einfach nur eine Pistole und bestenfalls ein Plotdevice sieht, der sollte die Finger hiervon lassen, denn wenn man mit "Armory" spielt, verändert es das Spielgefühl sehr stark. Zusammen mit "Armory" und "Second Sight" zeigt das Regelwerk der neuen Welt der Dunkelheit auf jeden Fall, was es kann, und es hat sich hin zu einem sehr versatilen Universalsystem entwickelt.

Armory
Quellenbuch
Clayton Oliver, Keith Taylor, Chuck Wendig
White Wolf 2006
ISBN: 1588464865
218 S., Hardcover, englisch
Preis: $ 29,99

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