Stell dir vor, du bist ein paranormaler Ermittler (und untot) und willst einfach nur deinen Job machen. Menschen helfen, Dämonen jagen, das Übliche halt. Und dann wirst du über Nacht – oder vielmehr über eine Reihe von Nächten, während denen deine ganze Stadt in einer Höllendimension festhängt – zum Star. Das lässt sich nicht so einfach abschütteln. Mit dem Tagesgeschäft ist es dann jedenfalls vorbei.

Diese Feststellung muss Angel, der Vampir mit Seele, machen, als er nach der Rückkehr von Los Angeles plötzlich zur Celebrity wird. Die Kerle wollen ein Autogramm von ihm, die Mädels ein Kind, die leicht verschnupften Dämonenprinzen, die auf einmal nur noch kleine Lichter sind, wünschen ihm den Tod an den Hals (und versuchen mithilfe von Attentätern diesen Wunsch auch regelmäßig in Erfüllung gehen zu lassen). Da ist es gar nicht so leicht, wieder neu anzufangen.

Zumal sich Angels alte Truppe in Auflösung befindet. Cordelia und Wesley sind ja schon eine Weile tot. Der Drache Cordelia und der Groosalug sind ebenso verschwunden, wie die Ex-Werwölfin Nina und die Ex-Fred Illyria. Gunn, der zwischendurch ein wahnsinniger Vampir war, verschwindet, um sich selbst zu finden. Lorne kehrt zu seiner Vergangenheit als Gastwirt zurück. Spike ... ist eben Spike und treibt sich sonstwo herum. Bleiben nur die ehemalige Polizistin Kate, Angels schwieriger Sohn Connor und dessen verräterische Freundin Hexen-Freundin Gwen, um so etwas wie „Angel Investigations“ wieder zu eröffnen. Und dass Angel nach wie vor gebraucht wird, zeigt sich gleich doppelt. Denn seltsame Tiermenschen treiben sich seit der Rückkehr aus der Hölle in L.A. herum. Und dann wären da noch diese Engel, die auf einem Kreuzzug fürs Gute zu sein scheinen – und dabei keine Gefangenen machen.

Im vierten Sammelband um Angel wird die Höllenfahrt von L.A. zwar noch als Hintergrund thematisiert, doch die Zeichen stehen deutlich auf Neuanfang. Angels alte Truppe wird spürbar reduziert und durch zwei interessante Neuzugänge bereichert, von denen zu hoffen ist, dass sie uns eine Weile erhalten bleiben. Die Probleme sind wieder kleinerer Natur, aber trotzdem nicht völlig unwichtig, und werden auch innerhalb des Sammelbandes gelöst. Das heißt, dass man eine halbwegs abgeschlossene Story, die zugleich als Übergang von der „Nach dem Fall“-Trilogie zum Kommenden, dient, vor sich hat.

Leider gibt es auch einige Brüche. So wird weder das Verschwinden von Illyria erklärt, noch das von Nina. Auch der paranormal begabte Fisch ist plötzlich weg (okay, er war eh etwas schräg, aber was drin war, sollte auch drin bleiben – oder erkennbar rausgeschrieben werden). Möglicherweise hängen diese Continuity-Fehler damit zusammen, dass Joss Whedon nicht mehr unmittelbar an der Story beteiligt ist, sondern diese komplett von Kelley Armstrong stammt. Vielleicht folgen die Erklärungen auch irgendwann noch.

Visuell ordnet sich der Comic in der guten Mittelklasse ein. Dave Ross weiß sowohl Action als auch die Figuren zu inszenieren, auch wenn man das Gefühl hat, er ist durch die Marvel-Schule-des-Zeichnens gegangen. So muskulös war Angel selten. Nichtsdestoweniger kommen seine Zeichnungen dynamisch rüber, und auch wenn nicht jeder Gesichtsausdruck sitzt, ist man dennoch die meiste Zeit bei den Figuren innerlich dabei. Auch die Farben wirken sichtlich aufwändiger gestaltet, als bei 8. Staffel der Schwesterserie „Buffy“.

Fazit: Der epische „Nach dem Fall“-Handlungsbogen ist vorbei, und Angel ist wieder in der Realität angekommen. Dort gehen die Probleme weiter wie gehabt, mit etwas neuer Besetzung. Unterm Strich ein unterhaltsamer und in sich fast geschlossener Comic um den beseelten Vampir, der die Bühne für neue Abenteuer bereitet.