Andromeda

Ein uraltes Raumschiff einer untergegangenen Raumfahrer-Zivilisation treibt leblos im All, randvoll mit geheimnisvollen Relikten überlegener Technologie. Anstelle der längst verschwundenen Menschheit streiten die im Galaktischen Ältestenrat vertretenen Völker um die alten Technologien, die den entscheidenden Vorteil in einem schwelenden Konflikt bedeuten könnten. Zwei bis vier Spieler übernehmen in diesem Mehrheiten-Spiel die Kontrolle über eines der Völker, die das Raumschiff-Wrack erforschen und die Relikte bergen wollen.

von Michael Wilhelm

Zentrales Element des Spiels ist der aus 11 Raumteilen variabel zusammengestellte Spielplan. Im Spiel zu zweit werden nur 7 davon benötigt, im Spiel zu dritt oder viert 9, von denen lediglich die Zugangsschleuse einen festen Startplatz hat. Die anderen 6 beziehungsweise 8 werden zufällig ausgewählt und verdeckt als Raumschiff-Umriss verteilt. Jeder Spieler erhält eine von 8 verschiedenen Völkerkarten mit der speziellen Fähigkeit seines Volkes, sowie 16 Forscher-Figuren, kleine Plastik-Aliens in vier Farben.

Die Völkerkarte gibt auch an, wie viele Alien-Figuren, Forscher genannt, sich bereits in der Schleuse oder als trainierte (spielbereite) Forscher auf der Völkerkarte befinden. In den meisten Fällen jeweils 2 bis 4. Der Rest liegt im benachbarten Vorrat.

Neben dem Spielplan werden 4 Technologie-Karten (aus einem Pool von 8) und 2 Stapel an Auftragskarten bereitgelegt. Der gemeinsame öffentliche Auftragsstapel besteht aus 7 Karten, von denen jede Runde eine aufgedeckt wird, was nach der siebten Runde das Ende des Spiels markiert, wenn bis dahin kein Spieler 7 Siegpunkte erringen konnte. Die übrigen 23 Auftragskarten stellen den persönlichen Auftragsstapel dar, von dem jeder Spieler eine verdeckte Auftragskarte erhält. Startspieler ist derjenige, der der Alien-Abbildung auf der Völkerkarte am ähnlichsten sieht. Letztlich muss man sich wohl irgendwie anders einigen, da man keinem wünschen möchte, diese Bedingung zu erfüllen.

Siegpunkte gibt es auf zwei Wegen: entweder durch das Erfüllen von Aufträgen oder durch die Kontrolle von Räumen im Schiff. Am Ende jeder Runde wird überprüft, ob ein Spieler 7 Punkte erreicht hat.

Jede Runde besteht aus 4 Phasen. In der ersten Phase „Befehle zuordnen“ werden zunächst die je nach Spielerzahl 7, 10 oder 13 Befehlswürfel gewürfelt. Das sind Spezialwürfel, die auf ihren 6 Seiten die Symbole „Trainingscamp“ (mit zwei Gehirnen), „Unterstützung“ (mit zwei Alien-Köpfen), „Kontaminierung“ (mit einem Biohazard-Symbol), „Bewegung“ (mit drei Füßen), „Technologie nutzen“ (mit einem Atommodell) und „Improvisation“ (mit einem Gehirn und einem Alien-Kopf) zeigen. Der Startspieler teilt davon eine Gruppe Würfel ab und bietet sie mit einer der vier nummerierten Ablaufkarten den Mitspielern an. Wenn keiner der Mitspieler die Würfel nehmen möchte, muss der Startspieler sie selbst nehmen und der nächste Spieler muss einen Würfelpool zusammenstellen und den Mitspielern anbieten, bis schließlich alle Spieler mit einem Würfelpool und einer die Reihenfolge angebenden Ablaufkarte versorgt sind. Dieser Mechanismus erscheint zunächst kompliziert, geht aber in wenigen Runden in Fleisch und Blut über. Auch wird dadurch auf faszinierende Weise eine faire Balance erreicht, da jeder Spieler darauf bedacht ist, seinen Mitspielern keine zu interessanten Würfelpools anzubieten, oder den Pool zumindest durch die negativen „Kontaminierung“-Würfel auszugleichen.

Beginnend mit dem Spieler der die erste Ablaufkarte und den zugehörigen Würfelpool genommen hat, werden nun in Phase 2 die Würfel-Aktionen abgehandelt. Zunächst wird für jeden Würfel „Kontaminierung“ ein Forscher vom Schiff in die Reserve zurückgesetzt. Mit „Trainingscamp“ werden 2 Forscher aus der Reserve auf die Völker-Karte gesetzt, mit „Unterstützung“ kommen zwei Forscher von der Völker-Karte aufs Schiff, entweder in die Zugangsschleuse oder auf ein anderes Raumteil mit Teleporter. Für „Improvisieren“ wird entweder ein Forscher trainiert oder kommt als Unterstützung aufs Schiff. Mit „Bewegung“ können drei Forscher in Nachbarräume bewegt werden und mit „Technologie nutzen“ eine der vier Technologie-Karten verwendet werden. Da finden sich zusätzliche Teleporter, die Abkürzungen ins Raumschiff ermöglichen, ein vor Kontaminierung schützender Impfstoff, Klonen (ein zusätzlicher Forscher wird in den selben Raum wie ein bereits vorhandener gesetzt) oder Gedankenkontrolle (womit gegnerische Forscher bewegt werden können, um Mehrheiten zu verändern). Nach den Würfelaktionen kann der Spieler prüfen, ob die Bedingungen von Auftragskarten erfüllt werden. Dadurch können Siegpunkte gewonnen werden, etwa durch Anwesenheit in bestimmten Räumen, Gleichstände oder Mehrheiten in bestimmten Räumen, eine bestimmte Anzahl Teleporter auf dem Schiff oder Forscher auf der Völkerkarte. Für die meisten Aufträge müssen Forscher vom Schiff geopfert werden, dafür gibt es aber Siegpunkte, die bis zum Spielende sicher sind, während sich Mehrheiten verändern und damit errungene Siegpunkte wieder verloren gehen können. Wenn alle Spieler ihre Würfelaktionen erledigt haben, werden Siegpunkte für Raumkontrolle überprüft. Sollte noch kein Spieler 7 Punkte durch Aufträge und Raumkontrolle erreicht haben, wird für die nächste von maximal 7 Runden vorbereitet. Dazu wird eine neue gemeinsame Auftragskarte aufgedeckt und neue persönliche Auftragskarten werden verteilt.

Bemerkenswert ist die gute Balance der verschiedenen Siegpunkt-bringenden Strategien. Es ist sowohl möglich, alleine durch Auftragskarten zu gewinnen (wodurch aber immer wieder Forscher geopfert werden müssen, was Mehrheiten im Schiff schwierig macht), als auch durch ständigen Nachschub im Schiff eine erdrückende Präsenz zu bekommen. In einigen Räumen kann der kontrollierende Spieler spezielle Raumaktionen nutzen, wie Bonus-Bewegungen oder Bonus-Forscher, was Mehrheiten zusätzlich interessant macht.

Obendrein ist die atmosphärische Umsetzung des Spieles hervorragend gelungen. Spielmechanismen, Setting und Design bilden eine perfekte harmonische Einheit. Man hat tatsächlich das Gefühl, ein verlassenes Raumschiff zu erforschen und einen unterschwelligen Konflikt unter den Alien-Völkern auszutragen. Über mangelnde Interaktion kann man nicht klagen, obwohl zwar keine kämpferischen Aktionen vorgesehen sind, kommt man sich doch ständig im begrenzten Raum in die Quere und die Mehrheiten verschieben sich immer wieder. Der einzig sichere Weg, Siegpunkte zu bekommen sind die Aufträge, was aber mit Opfern verbunden ist.

Auch zu zweit ist „Andromeda“ keinesfalls schwächer, da der kleinere Spielplan den verfügbaren Raum einengt und damit fast die gleiche Dynamik garantiert. Die Spieldauer ist mit 60 Minuten realistisch angegeben, kann zu zweit oder dritt aber auch mal kürzer sein. Die Altersempfehlung ist meines Erachtens mit 14 Jahren ein bisschen hoch gegriffen, da sicher auch schon 12-Jährige mit etwas anfänglicher Schützenhilfe erfolgreich mitforschen können. Auch ist „Andromeda“ trotz des Science-Fiction-Themas als Familienspiel bestens geeignet, sobald die anfangs verwirrende Würfelpool-Bildung in Fleisch und Blut übergegangen ist.

Fazit: „Andromeda“ ist ein kurzweiliges und hervorragend ausbalanciertes Mehrheiten-Spiel mit stimmungsvollem Setting. Der Würfel-Mechanismus mag anfangs etwas gewöhnungsbedürftig sein, garantiert dann aber eine anhaltende Spannung und sorgt für regelmäßiges Schmunzeln und überraschende Wendungen. Zu guter Letzt bildet das hochwertige Spielmaterial eine harmonische Einheit mit Thema und Spielmechanik. Damit sei „Andromeda“ sowohl Familienspielern als auch echten Science-Fiction-Fans wärmstens empfohlen.


Andromeda
Brettspiel für 2 bis 4 Spieler ab 14 Jahren
Jan Zalewski
Heidelberger Spieleverlag 2015
EAN: 4015566033702
Sprache: Deutsch
Preis: EUR 39,95

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