American Gods

Viele hat es in das Land der unbegrenzten Möglichkeiten geführt. Aus aller Welt sind sie gekommen, um ihr Glück zu finden. Doch was ist aus ihren Göttern geworden? Sind sie zurückgeblieben oder hat es sie ebenfalls in das Neue Land verschlagen, auf der Suche nach Glück und Gläubigen. Und was ist mit den neuen Göttern, die die Menschen anbeten, die nichts mehr mit ihrer alten Tradition zu tun haben?

von Sebastian Thies

 

Shadow hat drei Jahre im Knast gesessen und freut sich darauf, endlich wieder nach Hause zu seiner Frau zu kommen. Doch es kommt für ihn ganz anders, als er es sich vorgestellt hat. Er muss vom Tod seiner Frau und seines besten Freundes erfahren, und als sei das nicht genug, scheinen die beiden auch noch ein Verhältnis miteinander gehabt zu haben. Shadow heuert daraufhin als Bodyguard und Fahrer bei dem suspekten Trickbetrüger Wednesday an und gerät hierdurch in eine Welt voller Mythen, Legenden und Götterkulte.

Wednesday stellt sich nämlich als der nordische Göttervater Odin heraus, der nicht die einzige Gottheit ist, die sich in den Vereinigten Staaten herumtreibt. Auf ihrer an ein Roadmovie erinnernden Reise durch das Herz Amerikas und seiner skurrilen Örtlichkeiten erfährt Shadow immer mehr über die verschiedenen Götter und ihrem langsamen Niedergang gegenüber den neuen, von den Menschen vergötterten Inkarnationen des Internets oder Fernsehens. Am Horizont zeichnet sich jedoch ein ultimatives und finales Aufeinandertreffen der beiden Seiten ab und welche Rolle Shadow und seine neu gefundenen „Freunde“ darin spielen werden, wird sich erst zum Schluss offenbaren.

Neil Gaiman, wohl am besten bekannt für seine „Sandman“-Comic-Serie, schafft in diesem Roman einen gelungenen Mix aus Thriller, Fantasy, Komödie und Roadmovie. Wie schon in seinen früheren Werken, wie den erwähnten „Sandman“-Comics, aber auch den Roman „Ein gutes Omen“, welchen er zusammen mit Terry Pratchett verfasste, verwebt Gaiman auch hier verschiedene Mythen und Legenden zu einem Konglomerat und erzählt damit eine stimmige und spannende Geschichte.

Zwar muss man sich bei den 624 Seiten auf einige Längen innerhalb der Geschichte einlassen, jedoch wird man hierfür jedes Mal entlohnt, wenn sich der Autor den einzelnen Personen beziehungsweise Gottheiten widmet und etwas mehr über ihr Innenleben preisgibt.

Mit Shadow hat man einen sehr bodenständigen Protagonisten, der sich durch die wenigsten Dinge, seien sie auch noch so fantastisch, aus der Ruhe bringen lässt. Nach Außen mag er zwar ein bisschen naiv erscheinen, doch findet man als Leser schnell zu ihm und kann sich auch genauso rasch mit ihm identifizieren.

Genauso liebevoll werden die Nebencharaktere, soweit man einen solchen Ausdruck für Götter überhaupt verwenden darf, behandelt und ihr langsamer Untergang und ihr Abdriften in die Sphären der Bedeutungslosigkeit kann man leicht als einen Schlag eines britischen Autors gegen den „American Way of Life“ sehen. Insgesamt generiert Gaiman hier einen sehr düsteren Blick auf das Land jenseits des großen Teichs, doch sein skurriler Humor lässt kein Gefühl des anklagend erhobenen Zeigefingers aufkommen.

Fazit: Mit „American Gods“ hat Neil Gaiman einen kurzweiligen und spannenden Genremix geschaffen, der seinen Protagonisten auf eine Odyssee durch die Vereinigten Staaten schickt, mit dem einen Unterschied, dass dieser (Irr)Fahrer nicht nach Hause will. Hin und wieder wäre zwar ein bisschen weniger mehr gewesen, aber der Entfaltung der Charaktere wird der benötigte Respekt entgegengebracht. Wer sich nicht in einem einzigen Genre zu Hause sieht und die stimmige Verschmelzung verschiedener Mythen und Legenden miterleben möchte und dabei obendrein noch den typisch britischen Humor mag, dem sei dieses Buch wirklich ans Herz gelegt. Es verwundert nicht, dass der Autor  Douglas Adams zu seinen Freunden zählen durfte und schon mit Terry Pratchett zusammenarbeitete.


American Gods
Fantasy-Roman
Neil Gaiman
Heyne Verlag 2005
ISBN: 3-453-40037-2
624 S., broschiert, deutsch
Preis: EUR 12,00

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