Almanach der Kampfkünste

In der Region der Inneren See gibt es viele einzigartige, kämpferische Kulturen: raue Barbaren des eisigen Nordens, Wüsten- und Ebenenreiter, Kreuzfahrer gegen das dämonische Böse, Mönche des Ostens, Streiter des Bösen und ehrverbundene Schwertjunker. Der „Almanach der Kampfkünste“ widmet sich all diesen kriegerischen Aspekten.

von Tobias Dworschak

 

Wie die anderen Hefte aus der „Almanach“-Reihe umfasst das dieser Rezension zugrundeliegende PDF 68 vollfarbige Seiten im zweispaltigen Layout, die mit zahlreichen Zeichnungen guter bis sehr guter Qualität versehen sind. Das Autorenteam besteht aus Dennis Baker, Jesse Benner, John Compton und Thurston Hillman. Das erste Durchblättern verwirrt mich, denn eine klare Struktur erkenne ich nicht. Alles wirkt ein bisschen zusammengewürfelt. Ich erschrecke bei der Masse an magischen Gegenständen am Ende des Buches.

Im ersten Kapitel werden unterschiedliche „Kampfkünste der Inneren See“ vorgestellt. Dies geschieht in kurzen Einträgen zu den Regionen, die in irgendeiner Form eine besondere Kampfkunst hervorbracht haben oder sich in anderer Weise durch Taktiken auszeichnen. Die Texte sind dabei hinreichend stimmungsvoll, auch wenn ich wirklich neue Aspekte vermisse. Ich meine, das in anderen Quellenbänden, insbesondere dem Weltenbuch, schon gelesen zu haben. Auf zwei Seiten folgen Kombattanten der Inneren See, winzige Visitenkarten mit Portrait und einem kurzen Satz, wer das sein soll. Wozu diese Sammlung gut ist, erschließt sich mir nicht.

Im Kapitel „Kampftechniken“ wird es regellastiger. Das wundert mich insofern, als dass ich die Bände aus der „Almanach“-Reihe bislang eher als Quellen- denn als Regelbücher wahrgenommen habe. Es soll sich noch zeigen, dass es bei diesem Heft anders ist. Unter dem Ansinnen, für Golarion typische Kampftechniken vorzustellen, erhalten wir neue Talente für Duellanten (welche die Regeln für Duelle aus den „Ausbauregeln II“ nutzen), und für Gladiatoren (welche die Schaukampfregeln aus dem gleichen Regelwerk verwenden). Es gibt Listen mit Talenten, die Waldläufer als Kampfstile wählen können, wenn sie einer bestimmten Gottheit anhängen. Dazu kommen neue Eide für Paladine, neue Fertigkeitstricks für Schurken, neue Talente für Mönche und für Ritter die Möglichkeit, besondere Reittiere zu erhalten. Von der Liste ist für mich nur der letzte Aspekt spannend. Allerdings erscheint mir die Auswahl mit Greif, Pferdegreif, Seepferd und Worg arg eingeschränkt. Zum Abschluss werden noch ein paar Talente für Schuss- und Belagerungswaffen eingestreut.

Das Kapitel „Kampfschulen“ stellt, wie der Name vermuten lässt, unterschiedliche Kampfschulen der Inneren See vor. Dazu zählen Dojos, Diebesgilden und Arenen für Gladiatoren. Enthalten sind Informationen, wie man einer „Schule“ beitritt und welche Vorteile man gewinnt, wenn man dort Ansehen erlangt. Was ich an diesem Kapitel wirklich schade finde ist, dass für die Hintergründe der Schulen, ihren Motiven, Gegnern und wichtigen Personen bestenfalls drei oder vier Zeilen übrig sind. Das Kapitel besteht aus einer Aneinanderreihung von Blöcken mit Voraussetzungen und Vorteilen. Nur Regeln, Regeln, Regeln. Hier haben die Autoren viel Potenzial für stimmungsvolle Schulen verschenkt.

„Experten der Kampfkünste“ ist eine Sammlung von Optionen für den Kampf, die beim Lesen bei mir den Eindruck entstehen lassen, die einzelnen Aspekte seien irgendwo übriggeblieben und würden jetzt verwertet. Ich vermisse hier einen deutlichen, roten Faden. Was ich bekomme sind neue Optionen: Zwei neue Ritterorden, zwei neue Prestigeklassen und 12 Seiten neuer Archetypen für die Klassen, die keine Magie wirken. Diese Optionen weisen wiederum alle irgendeinen Bezug zu Golarion auf, der mir manchmal etwas weit hergeholt erscheint. Und wieder erfahre ich kaum etwas über die einzelnen Aspekte, die sich hinter diesen Optionen verbergen.

Zum Abschluss präsentiert uns das Buch 15 Seiten „Magische Gegenstände“. Natürlich sind diese dem Thema des Bandes treu: viele Waffen, Rüstungen und Verbesserungen für den Kampf. Natürlich sind hier ein paar originelle Ideen dabei.

Fazit: Auf mich wirkt der Almanach wie eine Sammlung von Einzelheiten und Ideen, die eigentlich in die „Ausbauregeln II“ gehört hätten, dort aber keinen Platz mehr gefunden haben. Vielleicht auch deshalb, weil alle Ideen einen Bezug zur Kampagnenwelt besitzen und deshalb in den eigentlich welten-unabhängigen Regelwerken nichts zu suchen haben. Diese Ideen wirken auf mich vielfach nur wie eine Überschrift. In diesem Sinne ist der Almanach aber ein Buch der verschenkten Möglichkeiten und kommt über eine bloße Regelsammlung nicht hinaus. Hier wäre der Raum gewesen, die einzelnen Kampftechniken oder Schulen näher vorzustellen und ihnen Leben einzuhauchen – ihnen in der Spielwelt Bedeutung zu geben. Welche Geheimnisse stecken hinter der einen Schule, welche Geschichten kann ich in der Gladiatorenarena entdecken? Diese und andere Fragen angereichert mit dem Plan eines Verstecks der Diebesgilde und der Vorstellung wichtiger oder einzigartiger NSC hätte der Band behandeln sollen – und dabei seine Archetypen unterbringen können. Dadurch hätte der Almanach weniger Optionen geliefert – aber die meisten davon brauche ich sowieso nicht.

Almanach der Kampfkünste
Quellenbuch
Dennis Baker, Jesse Benner, John Compton, Thurston Hillman
Ulisses Spiele 2015
ISBN: 978-3-95752-056-2
64 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 19,95

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