Abenteuer 2: Gefängniswelt

„Weltraumreisender! Sie werden für schuldig befunden, das Imperiale Gesetz gebrochen zu haben. Sie werden dazu verurteilt, Ihre Strafe im Imperialen Gefängnis von Tarkwall zu verbüßen. Vielleicht nutzen Sie die Gelegenheit, um Ihre Missetaten zu bereuen, während Sie in den unterirdischen Uranminen schuften. Vielleicht wird Ihr Wille gebrochen, wenn Sie im Loch schmoren. Vielleicht verzichten ihre Mithäftlinge darauf, Sie im Schlaf abzustechen.“ Wow, wenn das mal nicht der ideale Auftakt zu einer spannenden Kampagne bei „Traveller“ ist.

von Andreas Loos

Wenn jemand gedacht hat, in der Zukunft gäbe es nur „humanen“ Strafvollzug, der die Resozialisierung von Straftätern zum Ziel hat, der wird hier eines Besseren belehrt. Das hier beschriebene Gefängnis liegt mitten in der Wüste auf dem abgelegenen Planeten Keanu in einem verrufenen Winkel der Spinwärtsmarken. Die Gefängnisleitung und ihre Angestellten sind korrupt und die Mitgefangenen ebenso brutal wie mitleidlos. Im Gefängnis herrschen Zustände wie in einem Arbeitslager. So werden Arbeitsschutzbestimmungen dort nicht beachtet. Das Ganze ist aufgebaut wie eine Mischung aus Alcatraz und einem sowjetischen GuLag.

Es ist also eine „echte Wonne“, in diesem Gefängnis seine Strafe abzusitzen. Jedenfalls ist der dortige Kampf ums überleben nicht langweilig. Und irgendwann in der Kariere eines Abenteurers bei „Traveller“ kommt es durchaus vor, dass seine Handlungen als Straftat bewertet werden können. Wenn der Lange Arm des Gesetzes die Spielercharaktere am Kragen packt, kann der Spielleiter einfach nach der Haft weiter machen, oder die Spieler in diesen Horrorknast stecken.

Zwischen zwei stabilen Buchdeckeln, versehen mit zwei Lesebändchen, breitet sich auf 132 Seiten ein sehr detaillierter Abenteuerhintergrund aus. Die Bebilderung beschränkt sich auf ein paar stimmige Schwarz-Weiß-Zeichnungen.

Nach einer kurzen Einleitung und einer Auswahl von Inspirationsquellen aus Film und Fernsehen, mit denen man sich auf das Kommende einstimmen kann, erhält der Spielleiter ein paar einleitende Tipps, um die Kampagne hinter Gittern in Szene zu setzen. Das Kapitel „Eingekerkert!“ bietet dem Spielleiter das Rüstzeug, um eine Revision eines Strafverfahrens oder eine vorzeitige Haftentlassung regeltechnisch abzuwickeln.

Sowohl für den Spielleiter als auch für die Spieler bietet der Abschnitt „Die erste Woche“ die Gelegenheit, die Lokalität näher kennen zu lernen. Die Spieler kommen frisch in das Gefängnis und werden dort erfasst, entlaust und nach einer „herzlichen“ Willkommensansprache von Direktor Grice einer Zelle zugewiesen. Nach und nach sammeln die Spieler dann weitere Eindrücke von Tarkwall – von den Zellen bis zu den Minenschächten.

Eine ausführliche Beschreibung des gesamten Gefängnisses – abgerundet durch ein paar Grundrisszeichnungen für den Spielleiter – folgt im Anschluss. Die Beschreibungen lassen keine Wünsche offen. So werden auch die Stärken und Schwächen in der Überwachung angesprochen. Um hier effektiv spielen zu können, sollte der Spielleiter mit dem Aufbau des Gefängnisses gut vertraut sein, da das Gebotene recht umfangreich aufbereitet wurde. Den Abschluss macht eine Beschreibung der hier verfügbaren Fahrzeuge, die teilweise auch als Fluchtmöglichkeit eingesetzt werden könnten.

Nachdem man nun die Örtlichkeit näher in Augenschein nehmen konnte, wird es Zeit, die Nachbarn zu treffen. Das Setting lebt vor allem von den hier präsentierten Nichtspielercharakteren. Auf gut 14 Seiten werden eine Menge Häftlinge in Szene gesetzt, von denen jeder mehr oder minder gut ausgearbeitet wurde, je nachdem, welche Rolle er in der Hackordnung im Gefängnis einnimmt. Im Anschluss werden die Wächter, das übrige Gefängnispersonal sowie Persönlichkeiten von jenseits der Gefängnismauern, die direkt oder indirekt mit Trakwall zu tun haben, vorgestellt.

Dann wird es ernst. Der Spielleiter bekommt noch ein paar Regeln mit auf den Weg, wie er die Interaktion mit den Bewohnern des Gefängnisses und den Gefängnisalltag im Allgemeinen gestalten kann. Was sich hier – unter anderem auch an Gerüchten – finden lässt, birgt das Potenzial für viele Stunden Spielspass. Daneben gibt es noch ein paar kleine „Zwischenfälle“, die den Gefängnisalltag aufpeppen können. Neben diesen „normalen“ Ereignissen im Gefängnis gibt es noch ein paar besondere, ausführlich ausgearbeitete Szenarien für die Spieler zu bestehen. Einige dieser Szenarien sind auf eine längere Laufzeit eingestellt und können zeitgleich parallel zum Gefängnisalltag nebeneinander eingestreut werden. Andere dieser Ereignisse dagegen fokussieren sich nur auf ein paar Stunden. In jedem Fall hat jedes dieser Szenarien das Potenzial, den fragilen Status Quo im Gefängnis erheblich zu stören. Einige Szenarien können dadurch unspielbar werden oder müssen umgestellt werden, weil sie durch den Wegfall von Akteuren in der vorgeschlagenen Art und Weise nicht mehr funktionieren.

Den Abschluss dieses Kapitels bietet eine Übersicht über die gängigsten Fluchtpläne und deren Durchführung. Damit bekommt der Spielleiter das Rüstzeug, ohne großen Aufwand die Flucht der Spielercharaktere durchzuspielen. Ein Kapitel über die Ausrüstung, die man im Gefängnis üblicherweise findet, und wie man sich Ausrüstung als Häftling beschafft, schließt sich an. Sehr schön fand ich auch die Übersicht, welchen Gegenstand man wo finden kann. Außerdem war der Bereich über Drogen sehr aufschlussreich. Nachdem man eine Menge Zeit in Tarkwall verbracht hat, wird es Zeit, sich auch den Rest des Planeten Keanu anzusehen. Besonders nach einer Flucht kommen die in diesem Kapitel präsentierten Informationen zum Einsatz.

Den Abschluss machen neben einem sehr hilfreichen Index und einem Datenblatt für Insassen ein eigener „Karriereweg“ als Häftling.

Fazit: „Gefängniswelt“ ist ein Mammutabenteuer, das sehr viele Stunden Spielspaß garantiert. Das Gefängnis Tarkwall und seine Bewohner warten gleichermaßen mit einer sehr hohen, liebevoll gestalteten Detailliertheit auf. Hartgesottene „Traveller“-Veteranen kann man hier durch den Dreck ziehen und ihnen mühelos einen authentischen Gefängnisaufenthalt verschaffen, an den sie sich noch lange zurückerinnern werden. Der Spielleiter sollte dafür allerdings das Abenteuer gut kennen, da eine Menge von Informationen und Tabellen ineinander spielen. Wer seine Spieler schon immer hinter Schwedischen Gardinen sehen wollte ist als Spielleiter genau richtig.


Abenteuer 2: Gefängniswelt
Abentuerband
Lawrence Whittaker, Gareth Hanrahan
13Mann-Verlag 2010
ISBN: 978-3941420502
140 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 24,95

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