von KaiM
Zwei Bauleiter wetteifern um die größten Erfolge bei der Errichtung des Flatiron Buildings in New York Anfang des 20. Jahrhunderts. Auch wenn sich keine Belege finden, dass es diese Konkurrenzsituation tatsächlich gegeben hat, ist das Spiel auf seine Weise durchaus thematisch. Denn gemeinsam werden nach und nach Säulen errichtet und die einzelnen Etagen darauf gebaut und so wächst eine echte Konstruktion in die Höhe (was allerdings auch nicht ganz der Bauweise des echten Flatiron entspricht). Natürlich gibt es auch jede Menge Elemente, die sich thematisch nicht erklären lassen, aber man merkt, dass sich die Autoren Mühe gegeben haben, ein stimmungsvolles Punktewettrennen zu kreieren.
In 45 Minuten sollten ein Ingenieur und eine Ingenieurin mit einem Mindestalter von 12 Jahren gegeneinander antreten können. Wir haben in den bisherigen Partien immer etwas länger gebraucht, und wenn wir versuchten, es in dieser Zeit zu schaffen, haben wir uns mehrfach über voreilige Entscheidungen geärgert. Daher würde ich für eine Partie immer 70 bis 80 Minuten einplanen. Auch solo kann man versuchen, das Gebäude zu errichten, und wird dann mit etwas weniger Zeit auskommen, aber dieses Spiel hat schon starke, taktische Interaktionselemente, weshalb es unbedingt in der Duellbesetzung gespielt werden sollte.
Das Material
Die Boxgröße entspricht in etwa der halben Standardbox und ist gut gefüllt. Ins Auge fallen vor allem die Säulen, große, farbige Holzscheiben. Der ausgebreitete Spielplan dient als Fundament für das „Flatiron”, an den vier Stapel Karten angelegt werden und auf dem im Laufe des Spiels das ikonische Gebäude entsteht. So schön das aussieht, hat es leider ein paar praktische Nachteile. Beispielsweise ist die Farbe der Säulen wichtig, die für den Aufbau verwendet wurden. Diese kann man im Laufe des Spiels aber gar nicht mehr alle auf einmal sehen. Dazu muss man schon drumherum oder hindurch schielen. Außerdem verdeckt das Gebäude irgendwann auch teilweise die Kartenstapel, was der Übersicht auch nicht gerade förderlich ist.
Das persönliche Tableau, welches im Laufe des Spiels über Karten zu einer Maschine mit individuellen Fähigkeiten ausgebaut wird, ist praktisch gestaltet und zeigt jederzeit auf übersichtliche Art und Weise die Möglichkeiten, die man in jeder Runde hat. Die Karten werden dann von oben und unten unter das Tableau geschoben, was ein toller Mechanismus ist, auf den wir nachher noch stärker eingehen wollen. Aber warum die Karten aneinanderstoßen und man das Tableau eben gerade nicht breit genug ausgelegt hat, damit man die Karten schön platzieren kann, ist ein Rätsel.
Die Anleitung ist schnell gelesen und lässt wenig Fragen offen. An einer Stelle hat sich ein kleiner Fehler in der deutschen Übersetzung eingeschlichen, aber der Rest ist verständlich und logisch geschrieben. (Ein Errata-Dokument findet sich auf der Verlagsseite.) Eine beträchtliche Menge an Symbolen, die man verstehen und behalten muss, mindert den Spielfluss etwas, aber in der Anleitung findet man alles halbwegs schnell wieder.
In Summe hinterlässt das Material trotz der diversen zu bemängelnden Kleinigkeiten aufgrund seiner Einzigartigkeit einen positiven Gesamteindruck.
Der Spielablauf
Die Kontrahenten haben je eine Figur, die sie in jedem Zug zu einem anderen Ort bewegen müssen. Die Orte, die zur Verfügung stehen, sind die vier Straßen, die an das Gebäude angrenzen, und das Rathaus. Dabei muss man sich bewegen und darf auch keinen besetzten Ort aufsuchen, also hat man in jedem Zug drei mögliche Alternativen. Auf den Straßen kann man eine von drei Aktionen wählen: vom jeweiligen Kartenstapel eine Karte kaufen, Aktionen des eigenen Tableaus auslösen oder sich im schlechtesten Fall einfach zwei Geld zu nehmen. Gekaufte Karten muss man an sein Tableau anlegen, welches ebenfalls die vier Straßen zeigt.
Jede Karte hat eine Ober- und eine Unterseite mit unterschiedlichen Effekten, man muss sich also entscheiden, ob man sie von unten oder von oben zur Hälfte unter das Tableau schiebt. Entscheidet man sich, Aktionen auszulösen, arbeitet man die Karten und die Aktionen auf dem Tableau von oben nach unten ab. Von daher sind nicht nur die Aktionen selber von Bedeutung, sondern auch die Reihenfolge, in der sie ausgelöst werden. Schließlich ist es viel effizienter, das große Geld abzusahnen, direkt bevor man kostspielige Aktionen für viele Siegpunkte auslöst.
Im Rathaus kann man statt der anderen Möglichkeiten Karten kaufen, die am Ende der Partie wichtige Siegpunkte versprechen, wenn sie denn zur eigenen Strategie passen. Außerdem gibt es dort Geld oder kleine Sonderboni durch sogenannte Zeitungsmarker, die im Laufe des Spiels verschiedene Optionen bieten. Die Zeitungsmarker sind zudem Bonusplättchen, die man durch Voranschreiten auf der Siegpunktleiste bekommt.
Durch die wichtigsten Aktionen werden Säulen erworben, wieder verkauft oder auf dem aktuellen Stockwerk platziert. Hat das aktuelle Stockwerk schon drei Säulen, muss aber zunächst ein neues Geschoss eingezogen werden. Sind schließlich sechs Böden respektive Decken gebaut und die mit dem Bau verbundenen Siegpunkte verteilt, ist das Spiel vorbei und es gibt noch eine kurze Endwertung, bis schließlich ein Gewinner feststeht.
Das Spielgefühl
Wir haben hier ein Duell um die beste Maschine, die passendsten Boni und natürlich die meisten Siegpunkte. Das Spiel lebt davon, dass man es schafft, in einer oder zwei Spalten eine lohnenswerte Sammlung von Aktionen aufzubauen. Nebenher muss man sich passende Siegpunktkarten sichern und darauf achten, was die Gegenseite so macht. Geschicktes Blocken ist auch, vor allem gegen Ende des Spiels, vonnöten, damit man sich die dickstens Siegpunktbrocken sichern kann.
So entsteht ein taktischer Schlagabtausch, der insbesondere in den ersten Runden vom Aufbau einer guten Maschine geprägt ist. Da pro Spalte lediglich drei Karten angelegt werden dürfen, muss man noch abwägen, wann man sich auf die limitierten Endwertungskarten stürzt, anstatt auf mächtige Aktionen. Und als wäre das alles nicht schon verzwickt genug, haben alle Aktionen und Endwertungen noch einen Zustimmungswert. Ist dieser innerhalb einer Spalte negativ, gibt es einige Minuspunkte, während ein positiver Wert wertvolle Pluspunkte verheißt. Und natürlich, wie könnte es anders sein, haben mächtige Aktionen eher schlechte Zustimmungswerte.
Innerhalb von knapp eineinhalb Stunden hat man eine ganze LKW-Ladung voll kniffliger Entscheidungen zu treffen, bis der Bau der letzten Etage schließlich ein zumeist spannendes Finale einläutet. Dabei kann es für einen Sieg notwendig werden, schlechte oder zumindest ineffiziente Züge zu machen, nur um ein Feld zu blockieren. So eine offensichtlich sehr konfrontative Spielweise dürfte nicht allen Spielern liegen. Aber auch Enginebuilding und das Timing von Aktionen sind für den Erfolg wichtig, und das alles macht jede Partie zu einem spannenden, interaktiven Spielerlebnis. In Summe ist „Flatiron“ damit ein Highlight unter den reinen Zwei-Personen-Spielen mit einer zudem gut verträglichen Spieldauer. Damit kickt diese Box für mich in derselben Liga wie „Targi“.
Fazit: „Flatiron“ hat mir und meinen Mitspielenden wirklich gut gefallen. Ein taktischer Leckerbissen für zwei Personen, die nicht nur einsam vor sich hin bauen wollen. Eine volle Empfehlung mit Ausrufezeichen.
Flatiron
Brettspiel für 1 bis 2 Architekten ab 10 Jahren
Israel Cendrero, Sheila Santos
Pegasus Spiele 2025
EAN: 4250231741531
Sprache: Deutsch
Preis: 29,99 EUR
bei pegasus.de bestellen