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Cthulhu: Death May Die – Staffel 4-Erweiterung

Das Grauen lauert an den unterschiedlichsten Orten: in leerstehenden Herrenhäusern und verwilderten Gärten, über den Wolken und unter der Erde. Das lehren uns nicht nur die Geschichten des Horrorschriftstellers H. P. Lovecraft, sondern auch die Abenteuer des auf seinem Cthulhu-Mythos aufbauenden Brettspiels „Cthulhu: Death May Die“. Die Erweiterungbox „Staffel 4“ bietet ganz neue Herausforderungen für unerschrockene Ermittler.

von Bernd Perplies

Die recht prosaisch schlichtweg „Staffel 4“ betitelte Erweiterung für das kooperative Pulp-Horror-Brettspiel „Cthulhu: Death May Die“ bietet, das sei gleich eingangs verraten, vor allem von allem mehr. Über neue Regelmechnismen müssen sich Käufer keine Sorgen machen – sofern sie die zwei Module zu „Unbekannten Relikten“ und „Unbekannten Monstern“ schon aus der zweiten Grundbox „Furcht vor dem Unbekannten“ kennen. Aber man braucht diese zweite Grundbox keinesfalls zwingend zum Spiel mit „Staffel 4“. Die erste Grundbox funktioniert genauso. Die Regeln und neuen Karten, um eben jene zwei Mini-Module einer Partie beizufügen, sind auch hier vorhanden, sodass man das Spiel nach Belieben leichter oder schwerer gestalten kann. (Genaueres hierzu in meiner Besprechung von „Cthulhu: Death May Die – Furcht vor dem Unbekannten“.)

Was bietet diese schwergewichtige Box also? Im Detail: einen neuen Großen Alten, sechs neue Ermittler, sechs neue Episoden sowie die hierzu benötigten 17 doppelseitigen Spielplanteile und sieben neue Monster (teilweise mehrfach vorhanden, daher 17 Miniaturen an der Zahl). Mit den drei Schergen des Großen Alten, sind es sogar acht Monster und 20 Minis. Dazu gesellen sich vier neue Psychosekarten für weitere Spielarten des Wahnsinns, sechs Unbekanntes-Relikt-Karten und die nötigen sieben Unbekanntes-Monster-Karten plus passender Mythoskarten und Spieltableau, um die vorliegenden Monster als „Unbekannte Monster“ in eine Partie nehmen zu können. Alles in allem ist die Box damit ziemlich satt gefüllt, allerdings ist auch der Preis irgendwo zwischen 70 und 80 Euro nicht ohne. Die Preissteigerungen gerade im Segment der miniaturenlastigen Genre-Spiele machen es den Fans nicht gerade leicht. Zum Vergleich: Noch „Staffel 2“ war 2020 problemlos für 60 Euro und darunter zu bekommen. Nun muss man hinzufügen, dass in „Staffel 2“ kein Großer Alter enthalten war. Dafür gab es ein paar Ermittler mehr.

Lohnt sich „das neue Zeug“ denn? Schauen wir es uns mal genauer an. Beim Großen Alten handelt es sich um Nyarlathotep. Dessen Miniatur ist wirklich eindrucksvoll und macht auf dem Tisch gut was her. Darüber hinaus ist er knackig schwer, denn anders als die anderen Großen Alten ist Nyarlathotep von Anfang an auf dem Spielplan – in menschlicher Form. Dabei kann er nicht angegriffen werden, solange das Ritual der jeweiligen Episode nicht unterbrochen wurde, das heißt, er rennt einem nur nach, richtet Schaden an und zieht sich dann kurzzeitig wieder zurück. Das ist schon ziemlich unerfreulich und macht Nyarlathotep definitiv zu einem der schwierigeren Gegner des Spiels.

Die sechs Ermittler dagegen sorgen für viel Spaß. Schlägertyp Bruno eignet sich mit vielen Bonuswürfeln besonders gut für Solo-Partien. Die robuste Rosario ist nicht nur zäh und schießt wie der Teufel, sondern lockt auch Gegner zu sich, um sie dann beim Betreten ihres Feldes direkt zu verwunden. Dynamitschleuder Gary räumt zuverlässig den Weg von kleineren Gegnern frei. Und die Ex-Kultistin Sylvia ist besonders effektiv gegen ihre früheren Mitstreiter. Anführer John nutzt seine Mit-Ermittler strategisch, was für größere Spielrunden sehr nützlich ist. Einzig die Studentin Anika ist eher defensiv ausgelegt und funktioniert nur als „Mit-Läuferin“ in größeren Gruppen. Allein hat sie, genau wie John, ziemlich zu kämpfen, um zu überleben.

Die Gegner kommen einmal mehr als bunte Mischung daher, vom Ziegenmensch von Leng über den Albinopinguin bis hin zur Mondbestie und einem Weißen Polypischen Ding. Auffällig ist, dass viele von ihnen Effekte auslösen, wenn sie angegriffen werden, das heißt selbst würfelreiche Killerattacken gehen nicht ohne Echo für die Ermittler vonstatten. Das hebt ein klein wenig den Herausforderungsgrad, ohne jedoch die Balance zu kippen.

Sehr gut gefallen hat mir die Mischung der neuen Episoden. Es beginnt mit einer Geiselnahme in einem Zeppelin über den Wolken. Danach muss ein überwucherter Garten eines alten Hauses gesäubert werden. Bauern opfern Touristen für eine gute Ernte. Dann wiederum kommt es zu einem mysteriösen Tod auf dem Nil – Agatha Christie lässt grüßen. Indiana-Jones-Feeling kommt in den fallenreichen Korridoren einer antiken Pyramide auf. Und ein verwaistes Herrenhaus ist nur der Startpunkt einer Reise durch verschiedene Welten. Klar, all diese Abenteuer finden auf begrenztem Raum statt, auch die, die größer klingen. Mehr als ein Dutzend Spielplanteile kommen selten zum Einsatz. Klar ist auch, dass die grundsätzliche Mechanik der Abenteuer immer ähnlich bleibt. Man läuft über den Spielplan, um gewisse Aufgaben zu lösen – gegen die Schwemme aus Gegnern und die verstreichende Zeit. Manchmal muss man dabei panische Reisende beruhigen und sammeln, manchmal muss man Statuetten auf Altäre legen, mal gilt es, den Stab des Ra (hat hier jemand „Indiana Jones“ gesagt?) zusammenzusetzen. Aber das ist in Ordnung. Das Setting ist stets so individuell, dass man – gepaart mit den Schnipseln an Geschichte, die man geboten bekommt – durchaus das Gefühl eines eigenständigen Abenteuers hat.

Fazit: „Staffel 4“ ist gewissermaßen eine Erweiterung nach Schema F für „Cthulhu: Death May Die“. Es gibt halt von allem mehr: Monster, Ermittler, Episoden. Wer sich neue Regeln erhofft, wird enttäuscht. Wer allerdings das Grundkonzept liebt und sich mehr Abwechslung wünscht, wird hier perfekt bedient. Nyarlathotep ist ein knackiger neuer Gegner, die Ermittler – vor allem Bruno, Rosario und Gary – erweisen sich als kampfstark und die neuen Episoden zeugen von der ungebrochenen Fantasie der Macher, wenngleich diesmal deutliche Anleihen bei Agatha Christie und „Indiana Jones“ genommen wurden. Aber in einem Pulp-Abenteuer, das naturgemäß neben dem Horror auf Action und hemmungslose Referenzen setzt, ist das vollkommen in Ordnung. Ob man – vor die Wahl gestellt – eher zu „Staffel 2“ oder „Staffel 4“ greift, hängt vor allem davon ab, ob man gern einen neuen Großen Alten möchte. Ansonsten haben beide Erweiterungen zu den Grundboxen ihren Unterhaltungswert. Wobei ich die Episoden in „Staffel 4“ etwas spannender finde, weil sie uns auch über die Wolken, aufs Wasser und in eine Pyramide führen.

Cthulhu: Death May Die – Staffel 5-Erweiterung
Brettspiel-Erweiterung für 1 bis 5 Spieler ab 12 Jahren
Marco Portugal, Rob Daviau
CMON/Asmodee 2024
EAN: 4015566605213
Sprache: Deutsch
Preis: 79,95 EUR

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