Yedo

Beim Brettspiel „Yedo“ gilt es, im 17. Jh. als Oberhaupt eines Clans den neuen Shogun für sich einzunehmen. Dieses gelingt via Prestigepunkten, von welchen man am Ende der Partie durch das Erfüllen von Missionen mehr als die Mitspieler haben sollte. – Oder soll man doch lieber den Shogun ableben lassen?

von Lars Jeske

 

 

„Yedo“ ist von der Ausstattung her ein klassisches Brettspiel für 2-5 Spieler. Es wurde von Thomas Vande Ginste und Wolf Plancke entwickelt. Zum umfangreichen Spielmaterial gehören der Spielplan, Marker, Figuren und jede Menge Karten. Alles was man erwartet, alles was man braucht. Auf dem Spielplan findet man dann nicht nur die eigentliche Spielfläche, sondern auch Ablageflächen für diverse Karten und Marker. Dadurch ist der Spielplan an sich etwas größer als nötig, ist aber okay und stört nicht das Ambiente.

Zentraler Teil ist das farbenfroh illustrierte Stadtgebiet von „Yedo“. Den Stil von Franz Vohwinkel erkennt man hierbei (vgl. Spiele wie „Siedler von Catan – Das Kartenspiel“, „San Juan“ oder „Wizard“). Passt alles gut zusammen und man fühlt sich optisch schon einmal in das Tokyo des Jahres 1605 zurückversetzt. Zudem sind die Angaben in der Anleitung historisch korrekt, sodass man resümieren kann, dass das Thema gut vorbereitet und aufgearbeitet wurde. Es wurde also nicht nur eine beliebige Geschichte über einen Spielmechanismus gestülpt. Obwohl ich schon ein paar Spiele kenne, fällt mir spontan kein Vergleichbares zu „Yedo“ ein. Die bekannten Spielmechanismen sind gut zusammengesetzt und allesamt nicht neu, das Spielgefühl aber schon. Vom historischen Setting kommt „Yedo“ am ehesten „Shogun“ oder „Senji“ gleich, ist jedoch kein kriegerisches Eroberungsspiel wie „Risiko“, sondern eher wie „Village“.

Die Spielanleitung mutet mit 16 Seiten recht umfangreich an, wartet jedoch mit jeder Menge Illustrationen und Beispielen auf und ist sachlich geschrieben. Alle Regeln werden gut erklärt und sind in sich stimmig. Allerdings bedarf es schon ein paar Minuten, um diese zu erklären und im Spiel dann aufgrund der Fülle diese richtig anzuwenden. Die angesetzten 14 Jahre als Einstiegsalter sind schon eine Herausforderung für sich.

Jeder Clanchef bekommt ein Spielertableau, auf und um welches die aktuellen Karten und Marker abgelegt werden. Ebenso sind ein paar Gedächtnisstützen bezüglich der Funktion der Ausbauten und der zusammengefasste Rundenablauf darauf vermerkt. Beides wichtig und bis zum Spielende extrem hilfreich. Hervorragend durchdacht, um nicht immer wieder die Regeln konsultieren zu müssen.

Spielprinzip

Grundmechanismen bei „Yedo“ sind Worker-Placement, um Missionskarten zu erfüllen, und das Bieten auf Optionen. Dabei herausgekommen ist ein Strategie- und Planungsspiel mit einer geringen Glückskomponente. Es wird in Runden gespielt, in denen jeder für sich allein versucht, Siegpunkte (die hier Prestigepunkte heißen) zu sammeln. Diese entscheiden am Ende darüber, wer der Günstling des neuen Shoguns wird und damit das Spiel gewinnt. Diese Punkte erhält man primär durch erfüllte Missionen, die das Kernstück des Spiels sind.

Die 11 Spielrunden laufen immer gleich ab. Zuerst wird um Karten, Waffen, Geishas oder zusätzliche Diener geboten. Anschließend gibt es ein globales, zufälliges Ereignis. Nun setzt jeder seine Diener auf ein Spielplanfeld oder seine Aufbauten und der neutrale Wächter versucht anschließend, Diener zu fangen und die Aufträge zu vereiteln. Danach dürfen die Spieler meist untereinander tauschen, so sie Diener in den richtigen Bezirken (Taverne oder Hafen) platziert haben. Am Ende kommt die Aktionsphase, in der gewertet wird. Hier werden die Missionen abgerechnet und die Beute dafür eingesackt. Alternativ führen die Diener in den Bezirken je eine der möglichen Aktionen aus. Um auch hier die Übersicht zu bewahren sind symbolische Abbildungen der Optionen bei jedem Bezirk angegeben.

Ein alternatives Spielende gibt es ebenso: Die Erfüllung der Missionskarte „Töte den Shogun“. Dann hat zwar nicht automatisch der Spieler mit dieser Mission das Spiel gewonnen, die erhaltenen 14 Prestigepunkte für diese Einzelmission müssen aber erst einmal von den anderen Spielern überboten werden. Als Vergleichwert hierzu sei erwähnt, dass normale Missionen ca. 5 Punkte einbringen.

Spielfluss & Spielgefühl

Spätestens nach der zweiten Runde sind alle Spieler drin, wissen worauf es ankommt und der Spielfluss kommt richtig in Gang. Welche Aktionen wo möglich sind oder wie viel etwas kostet, ist in prägnanter Symbolsprache auf dem Spielbrett aufgedruckt, was es den Spielern ebenfalls erleichtert, den Überblick zu behalten. Ebenso ist auf der letzten Seite der Spielanleitung zusammengefasst, wo man was herbekommt. Sehr praktisch. Die Downtime wird somit geringer. Erst zum Ende hin kann es wieder etwas mehr werden, wenn man die finale Runde plant. Die Regeln sind leicht verständlich, man vergisst im Laufe des Spiels nichts und alles geht leicht von der Hand.

Durch die vielen Optionen pro Runde ist es eher ein Spiel für Experten und/oder Ausprobierer. Grübler können hierbei etwas aufhalten. Eine generell überlegene Spielstrategie gibt es jedoch nicht, es kommt auch immer auf die Züge der Mitspieler an. Der familienfreundliche Aspekt ist, dass man andere Spieler nicht komplett blockieren kann, da es fast immer einen alternativen Weg gibt, an die Objekte für die Missionserfüllungen heranzukommen. (Im Gegensatz zu „Siedler“, denn wenn da keiner tauschen will, kommt man nicht weit.)

Unterschiedliche Spieleranzahl ausdrücklich erwünscht

Bei „Yedo“ ist es nicht so, dass nur bei einer bestimmten Spieleranzahl das Spiel den kompletten Reiz entfaltet. Bei anderen Spielen wird jeder schon mal erlebt haben, dass das pauschal aufgedruckte „für 2-6 Spieler“ sich dann eher als „am besten mit 3 oder 4“ herausstellt. Bei „Yedo“ haben sich die Macher jedoch Einiges einfallen lassen, um wirklich die variable Spieleranzahl 2-5 zu unterstützen. Zum einen werden als klassische Lösung je nach Spieleranzahl ein paar Optionen abgedeckt (v. a. in den Bezirken), um weniger Auswahl zu haben. Die interessante Idee ist jedoch das veränderte Bietsystem bei der Variante für 2-3 Spieler gegenüber derer für 4-5 Spieler. Die sechs Einzeloptionen werden bei geringerer Spieleranzahl in Zweiergruppen zusammengefasst und man muss sich bei Gewinn einer Kategorie entscheiden, welche der beiden Optionen man nutzen möchte. Hier ist also das Blockieren anderer etwas einfacher, jedoch sollte man hier erst recht nicht die eigenen Ziele aus den Augen verlieren.

Vielspieleranreize

Neben der Optik und dem eingängigen Spielverlauf und -prinzip sprechen noch weitaus mehr Punkte für das Spiel. Zum einen sind die erlebten 2 bis 3 Stunden Spielzeit für so ein tiefgründiges Spiel wie „Yedo“ richtig kurz und stimmen mit der Packungsangabe wirklich überein. Zumal die Zeit viel schneller vergeht und man eher überrascht ist, dass die Zeit wie im Fluge vergangen ist. Durch diverse Bonuskarten, zufallsgesteuerte Ereignisse und Aktionskarten für das Überraschungsmoment ist kein Spiel wie das nächste, selbst wenn man die gleichen Mitspieler zur Hand hat. Zudem gibt es zwei Modi mit geringer Unterscheidung; das Einsteigerspiel „Geisha“ und der Expertenmodus „Samurai“. Letzterer fällt v. a. durch schlimmere Ereignisse auf.

Explizit tritt dadurch sogar der Wunsch auf, mit einer unterschiedlichen Anzahl an Mitspielern zu spielen, um den anderen Bietmechanismus zu haben. Denn hierdurch ergibt sich ein ganz anderer Spielverlauf. Ein weiterer wichtiger Punkt sind die Missionskarten in vier Schwierigkeitsstufen. Beim Nachziehen kann man diese frei wählen, optionale Bonuspunkte sind selbstverständlich umso üppiger, je größer die Herausforderung ausfällt.

Fazit: „Yedo“ hat überraschend einfache Regeln und dabei eine hohe Spieltiefe. Die vielen Regeln sind für jeden sichtbar kurz zusammengefasst. Eine überaus moderate Spielzeit, ein knappes Ende und ein geringer Glücksfaktor sprechen eindeutig für dieses Strategiespiel. Auch Optimierer werden ihren Spaß haben, gegenseitiges Blockieren ist schwer. Vor allem durch die vielen Optionen und der Spieldauer von mindestens zwei Stunden richtet sich das Spiel eher an Vielspieler oder Genrelieblinge und nicht primär an den normalen Gelegenheitsspieler. Aufgrund der einfachen Regeln wäre das Spiel jedoch der perfekte Einstieg in die Welt der komplexeren Spiele. Der Preis liegt etwas über dem Durchschnitt, der Spielspaß jedoch auch und somit ist dies gerechtfertigt. Vor allem für die passenden Spielertypen ist „Yedo“ ein Garant für viele spannende Partien. Ein Must-Have für all jene die Spiele mit Anspruch und vielen Optionen mögen.


Yedo
Brettspiel für 2-5 Spieler ab 14 Jahren
Thomas Vande Ginste, Wolf Plancke
Pegasus Spiele 2012
EAN: 4-250231-704499
Sprache: Deutsch
Preis: EUR 49,95

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