Warrior Knights

Der König ist tot und er hat keinen Erben hinterlassen. Für die Barone des Reiches ist der Zeitpunkt gekommen, sich zu erheben und Ansprüche auf den Thron anzumelden. Dabei ist klar: Es steht so viel auf dem Spiel, dass die Verhandlungen nicht ohne Blutvergießen ablaufen werden. Und obwohl sie im Rat an einem Tisch sitzen, schmieden sie hinterrücks Ränke und ihre Söldnertruppen marschieren kampfbereit von Stadt zu Stadt. Welcher der „Warrior Knights“ wird obsiegen?

von Frank Stein

Das „Spiel um Diplomatie und Kriegsführung im Mittelalter“ stammt ursprünglich aus der Feder von Derek Carver, wie eine Textbox auf Seite 2 des Regelhefts dem an Brettspielgeschichte interessierten Leser verrät. 1985 bei Games Workshop erschienen, entwickelte sich der Wettstreit um Macht und Einfluss schon bald zum Strategieklassiker. Corey Konieczka, Bruno Faidutti und Pierre Cléquin haben „Warrior Knights“ für Fantasy Flight Games einer Generalüberholung unterzogen und legen das strategische Hauen und Stechen für 2 bis 6 Spieler jetzt größer, bunter, besser – aber auf der Basis der bewährten Spielmechanismen – erneut vor.

Ein Blick in die Box

Öffnet man die gewichtige Box mit dem schicken goldenen Drachenritter darauf, der irgendwie viel eher an Fantasy als ans irdische Mittelalter erinnert, so nimmt der Begriff „Strategiespiel“ plastisch Form an. 50 Plastikminiaturen, 300 Ereigniskarten unterschiedlicher Art und 400 Spielmarken, die Geld, Einfluss, Schicksal, Schaden und mehr repräsentieren, füllen den Karton. Dazu kommen ein großformatiger Spielplan, der ein europäisch angehauchtes Fantasieland darstellt, sowie das Regelheft. Alle Spielmaterialien sind von sehr guter Verarbeitung und das Artwork der „Truppenkarten“ ist nachgerade genial zu nennen. Engländer, Schweizer, Rumänen und Polen marschieren in einer mittelalterlichen Pracht unter der Führung von vier schick gerüsteten Edlen (Nobles) auf, dass es dem passionierten Brettspieler feuchte Augen bereitet.

Vor dem Spiel

Allein der Spielaufbau ist schon eine kleine Wissenschaft für sich. Neben dem Sortieren, Mischen und Platzieren der diversen Spielmarken und -karten, sind folgende Dinge besonders wichtig: Je Spieler werden 10 Einflussmarken (Influence Tokens) in den Influence Pool gelegt. Um diesen Einfluss wird während des Spiels gestritten, denn entweder siegt der Spieler, der am Ende – also sobald der Influence Pool gelehrt ist – mehr als die Hälfte aller Städte des Königreichs beherrscht, oder aber derjenige, der den meisten Einfluss „auf den Thron“ hat. Da sich gezeigt hat, dass das Erobern der Hälfte aller Städte ein nahezu utopisches Ziel ist, sollte man sich unbedingt um den eigenen Machtzuwachs kümmern!

Jeder Spieler erhält einen Baron in einer bestimmten Farbe, dazu eine Festung, Nobles, Truppen und Gold. Die Truppen werden den Adligen oder der Festung zugeordnet, diese wiederum werden danach auf dem Spielbrett platziert. Obendrein werden die Titel „Chairman of the Assembly“ (also Ratsvorsitzender) und „Head of Church“ (sozusagen der Erzbischof des Landes) zufällig vergeben – beide Titel sind im Spiel von nicht unwesentlicher Bedeutung und es lohnt sich, nach der kleinen Hammer- beziehungsweise Szeptermarke zu streben.

Der Wettstreit möge beginnen

Das Spiel unterteilt sich grob in drei Phasen: Planning, Actions, Upkeep – wobei Planning und Upkeep eher das Vor- und Nachspiel der sehr umfangreichen Action Phase sind. In der Planning Phase sucht sich jeder Spieler sechs Action Cards aus (von denen er zwölf unterschiedliche besitzt, die ihm Aktionen wie das Bewegen von Armeen, das Gewinnen von Faith Tokens oder das Einnehmen von Gold erlauben). Diese platziert er zu je zweien in den drei Action Card Areas. Der Chairman of the Assembly mischt den drei Stapeln je noch zwei neutrale Action Cards bei und auf diese Weise entsteht der teils vom Zufall, teils von der Taktik der Spieler bestimmte Ablauf der Action Phase.

In dieser werden dann die verdeckten Karten der drei Action Card Areas nacheinander aufgedeckt und aufgelöst. Dadurch kommt es dann zu besagten Bewegungen von Einheiten über den Spielplan, es brechen Kämpfe zwischen Baronen aus, man gewinnt Gold und Faith Tokens und Vote Tokens. Nachdem die auf der Karte aufgeführte Aktion abgehandelt wurde, wird die Karte in eine der drei Special Phase Areas abgelegt: "Taxation", "Assembly" und "Wages". Enthält einer dieser Bereiche die doppelte Anzahl der Spieler an Karten, wird die Phase ausgelöst, das heißt alle Spieler erhalten Steuern entsprechend ihrer Besitztümer ("Taxation"), müssen ihre Truppen ausbezahlen ("Wages") oder es wird der Rat einberufen ("Assembly"). Ein vierter Bereich namens "Mercenary Draft" wird durch Tokens ausgelöst, welche die Barone dank Action Cards dort ablegen, und erlaubt den Einkauf neuer Söldnertruppen.

Im Rat werden stets drei Agendas aus dem Agenda Deck "besprochen" und dann wird über sie abgestimmt, wobei die Barone entsprechend Vote Tokens einsetzen müssen. Der Gewinner darf die Agenda (eine Art Effektkarte mit andauerndem Bonus oder Malus) sich oder einem Gegner zuteilen.

In der Upkeep Phase schließlich wird geprüft, ob ein Baron bereits zum Sieger erkoren werden kann, man erhält Influence Tokens für kontrollierte Städte und es werden einige weitere Kleinigkeiten zum Rundenende abgehandelt.

Es würde den Rahmen sprengen, alle Details der Spielmechanismen hier weiter aufzuführen, daher sei nur gesagt, dass man im Verlauf des Spiels Seereisen zu einträglichen Häfen jenseits des Mittelmeers machen kann, in Expeditionen zu fernen Gestaden investieren sollte und Städte belagern oder stürmen darf. Man muss mit Revolten kämpfen, mit dem Desertieren der eigenen Truppen und dem Tod eigener Adliger. Zusätzlich bringen Event Cards unerwartete Ereignisse ins Spiel, die entweder göttlichen Segen oder furchtbares Unheil verheißen.

Meine Meinung

„Warrior Knights“ ist ein wirklich gutes Strategiespiel, das vor intelligenten und schönen Spielmechanismen geradezu strotzt. Der Ablauf der Action-Phase mit seinen drei Abschnitten sorgt genau für dich richige Mischung aus taktischer Vorausplanung und unvorhersehbarem Zufall. Die Fähigkeit der Kirche – und auch der Barone –, mithilfe von Faith Tokens Unheil abzuwenden oder glückliches Geschick zu befördern, passt sehr schön in die Vorstellung des stark religiösen Mittelalters. Der Rat mit seinen Abstimmungen sorgt für Spannung und zwingt zur strategischen Vorausplanung. Und die Optionen, eine Stadt entweder im Sturmangriff zu nehmen (geht schneller, erhöht aber deutlich die eigenen Verluste) oder aber sie zu belagern (dauert länger, dafür ist es aber ein einfacher Sieg), erfordern das rechte Abwägen zwischen Zeit und Risiko. Insgesamt sind fast alle Elemente des Spiels darauf angelegt, sehr unterschiedliche Vorgehensweisen zuzulassen, wobei jeder Weg zum Sieg seine Vor- und Nachteile hat.

Neben seinen vielen Stärken hat „Warrior Knights“ auch zwei „Schwächen“ – diese sind jedoch recht subjektiver Natur und daher nur in Anführungsstrichen nachteilig zu bewerten. Erstens ist die Einstiegshürde durch die komplexen Regeln relativ hoch. In fast jedem Nebensatz des Regelwerks versteckt sich noch ein Detail, das es zu beachten gilt. Gerade der Kampf und seine Auswirkungen sowie der Tod von Nobles und ihr Wiedereinsetzen bedürfen eines genauen Lesens, sonst vergisst man irgendeine Kleinigkeit. Zweitens ist die Spieldauer mal wieder ordentlich. „Warrior Knights“ ist, wie so viele der Spiele von Fantasy Flight Games, ein Platzhirsch unter den Brettspielen, der während eines Spieleabends neben sich keine anderen Spiele duldet. Die Spielbox selbst gibt 2 bis 4 Stunden Spieldauer an, der Erfahrung nach sind es eher 4 als 2, wobei die Zeit durch die Menge der Influence Tokens im Influence Pool ein wenig steuerbar ist.

Fazit: Freunde komplexer Krieg-und-Diplomatie-Spiele werden an „Warrior Knight“ ihre helle Freude haben. Das mittelalterliche Setting wird nicht nur durch das schöne Spielmaterial visuell erfahrbar gemacht, sondern spiegelt sich vor allem in den Spielmechanismen wie Kirche und Adligenrat vortrefflich wieder. Unterschiedlichste Gewinnstrategien und das sehr dynamische Diplomatie-Element, das Absprachen unter Spielern zu praktisch jedem Zeitpunkt erlaubt, verhindern dabei, dass „Warrior Knights“ auch beim wiederholten Spiel vorhersehbar und somit langweilig wird. Das gibt verdiente fünf von fünf Topfhelmen mit Federbusch!


Warrior Knights
Brettspiel für 2 bis 6 Spieler ab 12 Jahren
Derek Carver, Corey Konieczka, Bruno Faidutti, Pierre Cléquin
Fantasy Flight Games/Heidelberger Spieleverlag 2006
ISBN: 1-58994-282-5
Box mit Spielplan, 48 Miniaturen, 304 Spielkarten, 386 Spielmarken, Regelwerk, englisch
Preis: $ 49,95

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