Village

Das Leben im Mittelalter war hart, erst recht auf dem Lande. Hinzu kam die Pest, und der Tod griff mitunter schneller um sich, als man die Zeit verrinnen sieht. – Wie man mit diesen Restriktionen dennoch strategisch und somit historisch erfolgreich wirtschaften kann, zeigen uns Inka und Markus Brand in ihrem Strategiehit „Village“.

von Lars Jeske

 

„Village“ ist eine gelungene Offline-Simulation des Dorflebens und auch ein sehr würdiger Preisträger des „Kennerspiel des Jahres 2012“. Im Prinzip hätte es auch locker das Spiel des Jahres werden können, dafür ist es jedoch zu anspruchsvoll. Es ist eher für Vielspieler oder Gruppen, die atmosphärische Spiele lieben, geeignet.

Sich die Spielregeln zu „Village – Wie das Leben so spielt“ anzueignen, ist überraschend einfach. Wie so oft bei Spielen von Inka und Markus Brand ergibt sich die Komplexität aus den Möglichkeiten der Züge und nicht aus dem vertrackten Regelwerk. Man vergleiche hierzu „Im Schutze der Burg“ oder „Guatemala Café“, zu welchen „Village“ eine weitere Verbesserung darstellt.

Bis zu vier Spieler lenken die Geschicke ihrer Familie, die sich über Generationen hinweg um das Dorf verdient macht, um im Idealfall mannigfaltig in die Dorfchronik einzugehen. Das ist auch das erklärte Spielziel, denn vor allem hierdurch erhält man Siegpunkte. Wenngleich Siegpunkte die gängige Wertung bei Strategiespielen sind, stimmt heuer jedoch die Geschichte, in die alles eingebettet ist.

Das Spielmaterial trägt das Übrige zu diesem gelungenen Spiel bei: Holzmännchen für die Figuren und Pappmarker als Repräsentanten für die entsprechenden Güter wie Pflug, Pferd oder Getreide. Dazu gibt es verschiedenfarbige Holzquader als Einflusssteine, die für das Können, die Überzeugungskraft, den Glauben oder das Wissen der Familie stehen. Schwarze Quader dienen zusätzlich als Repräsentant für den Schwarzen Tod, welcher ebenfalls um sich greift.

Die Spielanleitung liegt, dem aktuellen Duktus bei Eggertspiele/Pegasus Spiele entsprechend, sowohl in Deutsch als auch in Englisch bei. Das Spielmaterial an sich ist sprachneutral, da mit eingängigen Symbolen gearbeitet wird. Wie so oft bei dieser Kooperation ist die Anleitung kurz, einfach, strukturiert und übersichtlich gestaltet. Erst durch die Beispiele werden es zehn Seiten, durch die großzügige Bebilderung ist man hier jedoch schnell durch. Einmal gelesen ist dann alles klar und man kann sofort losspielen. Maximal in der ersten Runde schaut man noch einmal in die Anleitung, dann erst wieder nach der höchstens zweistündigen Spielzeit für die Schlusswertung.

Das Spielprinzip

Jeder Mitspieler startet mit einem Hof und vier Spielsteinen, die ihre erste Generation darstellen. Auf dem schön illustrierten Spielplan liegen entsprechend der Vorbereitung die Einflusssteine bereit, um aus dem Aktionspool der bis zu acht möglichen eine auszuwählen. Gespielt wird „Village“ in Runden. Eine Runde endet, wenn alle Einflusssteine aufgebraucht sind. Der aktive Spieler nimmt jeweils einen der farbigen Einflusssteine und darf dann die mit dem jeweiligen Ort verknüpfte Aktion durchführen. Diese ist beispielsweise der Familienzuwachs, die Getreideernte oder der Markttag. Die Farbe der Einflusssteine ist eher für den strategischen Teil gedacht. Denn einige Aktionen bedingen die Abgabe von bestimmten Farben oder können als Alternativwährung zur Lebenszeit der Figuren benutzt werden. Diese Lebenszeit ist nämlich der besondere Clou des Spiels, der sowohl das Spielende steuert, als auch Entscheidungen beeinflussen wird. Um nämlich auch Einfluss im Dorf zu gewinnen (Spielziel, da Siegpunkte) beziehungsweise sich verdient zu machen und einen Ehrenplatz in der Dorfchronik zu erlangen, sollte man etwas für die Gemeinschaft leisten. Somit besteht der andere Teil der Aktionen darin, eine seiner Personen ein Handwerk lernen zu lassen, im Rat tätig zu werden, auf Reisen zu gehen oder der Kirche beizutreten. Diese Figuren sind dann stationär gebunden, gewähren jedoch auch die Option, alternativ Güter mit Zeit zu bezahlen anstatt mit Einflusssteinen, oder sie bringen andere Vorteile.

Neben der Option Aktionen/Güter mit Zeit zu bezahlen, gibt es im Spiel auch Peststeine, die zwar die Aktion gewähren, jedoch auch zwei Zeiteinheiten kosten. Dies ist insofern relevant, als dass nach zehn Schritten Zeit eine weitere Figur dahingeschieden ist und als Spielstein des Spielers entfernt wird. Die Wahl darf dabei der Spieler treffen, muss jedoch die kleinste seiner Nummern wählen, also aus der ältesten Generation. Je nach der Position die diese Figur im sozialen Gefüge innehatte wird geschaut, ob ein entsprechender Platz in der Dorfchronik noch frei ist. Je nach Spielerzahl gibt es mehr oder weniger, die zur Verfügung stehen. Wenn beispielsweise schon alle Plätze für bedeutende Handwerker vergeben sind, wird die Figur auf einem anonymen Grab beigesetzt. Dies bringt dann keine Siegpunkte, kann aber auch dazu führen, dass das Spiel nach dieser Runde endet. Denn dem Setting des Spieles angepasst, ist dies die Spielabbruchbedingung und wird nach jedem gestorbenen Familienmitglied überprüft.

Der Reiz des Spieles ist dabei etwas makaber, denn das günstige Timing des Todes der eigenen Spielfiguren bringt Siegpunkte. Siegpunkteoptimiertes und nicht ganz so sozialverträgliches Frühableben ist hier das Stichwort. Durch den Verlust der eigenen Spielfiguren muss man einen guten Mittelweg finden und kommt vor allem als Vielspieler nicht an diesem unverbrauchten Spielprinzip vorbei.

Im Vergleich zu Spielen, die vom Setting her ähnlich sind, wie „Agricola“ oder „Die Tore der Welt“, gibt es bei „Village“ keine generelle Nahrungsphase, in der versorgt werden muss und Abgaben entstehen. Dennoch ist es eine vollkommene (wenngleich nicht vollständige) in sich stimmige und abgeschlossene Simulation. Die Interaktionen mit den Mitspielern ist immer indirekt gegeben, denn man kann einander keine Einflusssteine oder Güter entwenden, die schon auf dem Hof liegen. Jedoch kann man sehr wohl über das Spielfeld die Mitspieler beeinflussen, da es immer zu wenige Einflusssteine gibt, die man selber genau jetzt benötigt. Somit ist es sowohl ein Familienspiel mit geringem Frustfaktor, als auch ein Optimierungsspiel. Da man, wie zu erwarten ist, nie alle Aktionen durchführen kann, fährt man oftmals mit einer längerfristigen Strategie besser. Wenn man beispielsweise auf die Siegpunkte durch die Reise aus ist, dann sollte man früh genug anfangen, damit der ROI (Return of Investment) entsprechend günstiger ist, je mehr Städte man bereist. Da man eben ein bisschen nachdenken muss, halte ich das angegebene Alter von 12 Jahren für okay, ältere Spieler haben in der Regel vermutlich dennoch einen intellektuellen Vorteil. Dieser Vorteil minimiert sich jedoch, je öfter man das Spiel spielt. Durch den variable Aufbau an Einflusssteinen für die unterschiedliche Mitspieleranzahl zwischen zwei und vier, ist „Village“ in jeder Konstellation spielbar, vor allem jedoch für drei oder vier Spieler gedacht.

Fazit: „Village“ ist für mich das Überraschungsspiel 2011/2012 und kann gar nicht genügend Preise bekommen. Auch Gelegenheitsspieler finden einen leichten Zugang durch die geringen Einstiegshürden und die optimale Spielzeit. Die strategische Balance, der hohe Wiederspielwert durch die mannigfaltigen Aktionsmöglichkeiten und der zufällige Aufbau der Einflusssteine sind vor allem Pluspunkte für Vielspieler. Hinzu kommt für alle das historisch stimmige Setting (nehmst der Spielabbruchbedingung) und das schöne und reichhaltige Spielmaterial. In allen unterschiedlichen Testrunden ist das Spiel wunderbar angekommen, was bisher sehr selten der Fall war. Ein Schmuckstück jeder Sammlung und für Spieleliebhaber ein Pflichtkauf.

Exkurs „schöner Zufall“: Ein besonderes Schmankerl an symbolischer Authentizität erlebt man nach dem Auswickeln aller Spielmaterialien. Um ein erstes Gefühl dafür zu bekommen, wie hart das Leben zu jener Zeit im Dorfe war, heißt es die Holzmännchen aller Mitspieler zensusmäßig wie bei einer Volkszählung durchzunummerieren und mit passenden Aufklebern zu bestücken. Dieses ist sehr fummelig, jedoch ist man nach dieser Stunde gut eingestimmt, kann die Atmosphäre förmlich greifen und hat auch noch seine Fingerfertigkeit trainiert.


Village
Brettspiele für 2 bis 4 Spieler
Inka und Markus Brand
eggertspiele/Pegasus Spiele 2011
EAN: 4250231754517
Sprach: Deutsch/Englisch
Preis: EUR 34,95

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