The Walking Dead 2: Ein Langer Weg

Wenn sämtliche angenehmen Aspekte der Zivilisation entfallen und der tägliche Kampf ums Überleben, um Nahrung und einen sicheren Schlafplatz für sich, die Kinder und alle anderen, die bei einem sind, die einzigen erlaubten Gedanken sind, dann kann es sich fast nur um weitere Erlebnisse aus dem Universum von „The Walking Dead“ handeln.

von Lars Jeske

Die zweite Softcover-Kompilation zu „The Walking Dead“ umfasst die ursprünglichen Hefte 7 bis 12. Das kleinere Format ist geblieben, das Artwork ist bis auf das Cover weiterhin in Schwarz-Weiß gehalten und dieses Mal sind es knapp 130 Seiten geworden. Ebenso fungiert wiederum der Cross-Cult-Verlag als deutscher Verleger. Der Erfinder der Geschichte Robert Kirkman schrieb weiter, Zeichnungen und Grautöne übernahm jetzt Charlie Adlard. Dieser wurde dabei ebenfalls wie bereits für die erste Serie Tony Moore von Cliff Rathburn unterstützt. Durch den neuen Zeichner muss man sich gleich von Beginn an an einen etwas anderen Zeichenstil gewöhnen. Vor allem die wichtigen Protagonisten sehen etwas anders aus, jedoch erkennt man sie fast immer durch ihre äußeren Merkmale bzw. ihre Kleidung. Rick sieht jetzt verwegener und etwas grimmiger aus, seine Frau Lori ganz anders und der Asiate Glenn ist sprunghaft um 10 Jahre gealtert. Das ist natürlich für die Kontinuität nicht schön, mal sehen wie sich dies bei den weiteren Heften entwickelt. So der Zeichner jetzt bleibt, ist die Umstellung nicht langanhaltend störend oder irrsinnig dramatisch. Die Zombies sind jetzt nicht mehr so detailliert gezeichnet (dennoch bleibt es bei der Altersempfehlung ab 16 Jahren) und die Hintergründe treten auch noch weiter zurück. Alles in allem wirkt die Umbesetzung so, als wenn der neue Mann an Bord der zeiteffizientere Künstler ist.

Inhaltlich wird die zu erwartende Geschichte um die kleine Gruppe der Überlebenden nach der Zombie-Apokalypse nahtlos fortgesetzt. Es geht sofort mit der Action los, es gibt weder eine Einleitung noch einen Rückblick. Letzteres stelle ich mir bei einem Comic auch schwer vor. Die Handlung an sich sollte bekannt sein, schließlich ist die Wahrscheinlichkeit um einiges größer, dass man durch die TV-Serie auf den Comic aufmerksam wurde, als vice versa. Im Großen und Ganzen wird es im vorliegenden Band geschafft, den Inhalt der 2. TV-Staffel komplett abzudecken – bzw. ist es genau anders herum. Für knapp 130 Seiten passiert dabei richtig viel. Nachdem es ein paar Tote durch weitere Überfälle durch Streuner (eine gewisse Art von Zombie) gab, ist der Kern der Gruppe inzwischen etabliert und hält zusammen. Der ehemalige Sherriff Rick Grimes ist oft der erste Ansprechpartner für alle und wird somit in eine Führungsrolle gedrängt. Er ist es auch, der die Waffen besorgt hat, die mehr Sicherheit bringen. Aber er hatte eben auch Glück, sind doch seine Frau Lori und ihr gemeinsamer Junge Carl wohlauf und zufällig auch bei dieser Gruppe gelandet.

Bei ihrer Flucht durch den Winter auf der Suche nach einer sicheren Unterkunft stoßen sie auf weitere Überlebende – vor allem den großen und starken Tyreese samt dessen Tochter, die sich anschließen. Ihr Ziel scheint erreicht, als sie die Siedlung „Wiltshire Estates“ entdecken. Sofort beziehen sie Quartier, um aus dem engen Wohnwagen zu entkommen. Vor allem für den Rentner Dale und Andrea eine entspanntere Zeit. Leider ist nicht alles so friedlich wie erhofft. Etwas später wird dann aus Versehen der kleine Carl angeschossen. Aber dadurch lernen Rick und die anderen den Farmer Hershel und dessen Großfamilie kennen, die unweit eine noch intakte Farm bewirtschaften. Vielleicht sieht es nach Glück im Unglück aus, aber es ist eine nicht nur anfänglich folgenschwere Begegnung, die zusätzliche Konflikte schürt… (Oder für die Kenner der TV-Serie: Sämtliche Geschehnisse um Ricks Mannen werden in der TV-Serie, die eben auf den Comics basiert, auch behandelt. Thematisch bilden der Aufbruch vom Campingplatz und ihre Bekanntschaft mit Hershel, dessen Familie und Bekannte auf der Farm dabei die zentralen Themen dieses Sammelbandes. Vieles ist ähnlich, aber es werden andere Akzente gesetzt, sodass sich der Comic spätestens jetzt bereits für den über das Bewegtbild aufmerksam Gewordenen lohnt.) 

Durch die nunmehr verzweigtere Handlung, die vor allem den zusätzlichen Personen geschuldet ist, wirkt die Geschichte in der Comic-Umsetzung jedoch nicht mehr als Ganzes und irgendwie unrund. Es gibt die einzelnen kurzen Episoden in den ehemaligen Einzelheften, was dadurch etwas anstrengender für den Leser ist. Denn nun muss man die Zusammenhänge richtig im Kopf behalten, wenn alle drei Seiten ein ganz anderes Thema und andere Personen Relevanz bekommen. Hinzu kommt, dass neben der Handlung auch der Anspruch für den Leser schwankt. Einmal geht es um Moral, dann wieder um Sex, philosophische Gedanken, Pragmatisches … Somit ergeben sich eindeutig Vorteile für diejenigen, die die TV-Serie kennen. Denn da noch immer vieles ähnlich ist, kann man sich auf die Handlung konzentrieren und muss sich somit nicht alle 10 Seiten „Wer war das denn nochmal?“ fragen.

Gegenüber Romanen scheint es bei Comics schwieriger zu sein, mit vielen Charakteren und einer breit aufgestellten Handlungsvielfalt die Charakterentwicklung voranzutreiben. Durch die knappen Sprechblasen muss immer alles auf den Punkt formuliert sein und es gibt keinen Interpretationsspielraum, da es immer auf die 12 gibt. Mitunter bekommen die Dialoge dadurch richtiges Seifenoper-Niveau, zumal es aktuell auch keine Gedanken der Figuren für den Leser als Zusatzinformationen gibt. Die einzigen Anhaltspunkte für den moralischen Kompass der Charaktere gibt es durch die Gespräche und Interaktion mit dem anderen. (Das ist ein interessantes Detail, da es sich dabei doch um einen entscheidenden Aspekt handelt und beim Autor als beschworenes Alleinstellungsmerkmal der Reihe gilt.) Dadurch wirken einige Charaktere leider inkonsequent in ihren Handlungen und abrupt schizophren. Glücklicherweise ist die Wortwahl jetzt schon einmal stilvoller geworden. Der Rest wird sich finden – so wie die Protagonisten die Zuflucht nach diesem langen Weg.

Fazit: Trotz der oben genannten Kritikpunkte bzgl. Charakterentwicklung und graphischer Vereinfachung, ist das konsequente Fortsetzen dieser Comic-Reihe und der Versuch ein inhaltliches Schwergewicht zu werden, aller Ehren wert. Die Geschichten sind weiterhin spannend und es ist interessant, sowohl hier die Entwicklung zu sehen, als auch den Vergleich mit der TV-Serie immer wieder ziehen zu können, da man diesen nie ganz ausblenden kann.


The Walking Dead Band 2: Ein Langer Weg
Comic
Robert Kirkman, Tony Moore, Cliff Rathburn
Cross Cult 2015
ISBN: 978-3-95981-217-7
131 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 8,99

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