von Markus Kolbeck
Der Quellenband ist 2024 im Verlag Riva der Münchener Verlagsgruppe als 288-seitiges Hardcover für die Verwendung etwa mit dem Fantasy-Rollenspiel „Dungeons & Dragons 5E“ („D&D 5E“) erschienen. Wer es lieber auf Englisch hat: Das Original ist 2020 unter dem Titel „The Game Master’s Book of Random Encounters“ von Topix Media Lab veröffentlicht worden. Autor ist wieder Jeff Ashworth, der auch Redakteur und Spieleentwickler beispielsweise für Disney, Hasbro und Nickelodeon ist. Außerdem hat Jasmine Kalle mitgewirkt, die als Autorin, Illustratorin und Redakteurin arbeitet. Das Buch ist mit vielen Lageplänen in Grauschattierungen versehen und beinhaltet rote Farbelemente zur Layoutgestaltung.
Inhalt
Außer einem kurzen Vorwort von Michael Shea und einer Einführung beinhaltet der Band acht One-Shot-Szenarien, über 70 Schauplätze und vier Würfeltabellen. In der Einführung wird darauf eingegangen, was das Buch darstellt und was nicht. So findet man in dem Buch weder (lange) Listen mit NSC, noch mit neuen Monsterkreationen. Auf die Verwendung des Buchs wird auch eingegangen.
Im Kapitel „One-Shot-Abenteuer“ sind besagte acht kürzere Szenarien zum Einsatz als Nebenhandlungen in Kampagnen zu finden. Spieler*innen sollten bitte die Kapitel „Inhalt“ und „Kritik“ überspringen und gleich beim „Fazit“ weiterlesen, da sie sich sonst den Spaß an den Abenteuern verderben könnten! Es wird einfach zu viel verraten!
In „Presto Bessero“ (geeignet für Charaktere der Stufen 1 bis 5) hat ein Alchemist mit unerwünschten und für ihn unerklärlichen Nebenwirkungen seiner Zaubertränke zu kämpfen. In „Mutter will nur euer Bestes“ (Stufen 4 bis 6) versuchen Kultisten, eine unsägliche Wesenheit zu beschwören. Im dritten Szenario, „Extrapost“ (Stufen 5 bis 8), geht es darum, die Pläne einer angehenden Demilichin zu durchkreuzen. In „Tödliche Scharade“ (Stufen 1 bis 5) wird den Abenteurer*innen in einer Intrige ein Verbrechen angehängt.
„Das Grabmal der Eidbrecherin“ (Stufen 1 bis 3) handelt von einem intelligenten, sprechenden Schwert, das mit seiner Herrin, einer Paladinin, wiedervereint werden will. In „Zu tief geschürft“ (Stufen 2 bis 6) scheint ein Fluch auf einer Erzmine zu liegen. In „Ein letzter Auftrag“ (Stufen 4 bis 8) wird der Schlüssel zu dem Tresor einer Diebesbande gesucht. In „Der Portalkerker“ (Stufen 8 bis 12) muss die Gruppe einen mörderischen Magier aus einen Hochsicherheitsgefängnis in einen Gerichtssaal eskortieren.
Im Kapitel „Tavernen, Gasthäuser, Läden und Zunfthallen“ werden 19 Schauplätze beschrieben. Es findet sich jeweils eine Beschreibung der Örtlichkeit samt Lageplan, wen man dort antreffen und vielleicht auch mal, was sonst noch passieren kann. „Schau genau“, ein Laden für magische Gegenstände, wartet sogar mit einer Liste von 13 interessanten magischen Objekten samt Beschreibungen auf (über zweieinhalb Seiten). Am seltsamsten und wundersamsten dürfte aber das „Traumarchiv“ sein, in dem tatsächlich nicht nur Träume dokumentiert werden, sondern man auch eine Vision eines Traums einer Person haben kann. Dazu gibt es eine Liste mit einhundert Träumen zum Auswürfeln oder Auswählen. Der „Markt der Albträume“ ist am bizarrsten, treiben dort doch Lebende und Untote Handel miteinander!
Im Kapitel „Tempel, Grabmale und Krypten“ werden 10 Schauplätze mit „geweihten Hallen, verfluchten Friedhöfen und gesegneten Begräbnisstätten“ beschrieben, die vom Eintrag „Versunkener Tempel“ bis „Städtischer Friedhof“ reichen. Wie schon im Kapitel zuvor bieten sich viele Spielmöglichkeiten und Aufhänger für Abenteuer-„Seitensprünge“.
Das Kapitel „In freier Natur“ beinhaltet 16 Schauplätze von der „Lagerfeuer-Lichtung“ bis zu „Säulengrotte“ und dem „Durchgangszimmer“, die sich – selbstredend – in der freien Natur befinden. Es finden sich hier laut Beschreibung „baumbestandene Bastionen, strandnahe Schlachtplätze und paradiesische Parks […]“. Kuriose Schauplätze wie der „Park der Potenziale“ wechseln sich mit Eigenartigem wie „Haus Eichenhafen“, in dem Pixie-Babys großgezogen werden, sowie mit eher Erwartbarem wie dem „Baumwipfeldorf“ ab.
Auch das Kapitel „Häuser, Hütten, Labors und Lager“ bietet eine Menge Schauplätze, nämlich 21 an der Zahl! In der Beschreibung heißt es: „Einfache Häuser und komplexe Komplexe für alle Jene, die arbeiten, wo sie wohnen, oder wohnen, wo sie arbeiten.“ Die Einträge reichen von „Der Panikraum“ bis „Raum für Erkundungen“.
Im relativ kurzen Kapitel „Dächer, Gassen und Tunnel“ werden 7 passende Orte behandelt. Hier werden lokale „Elemente“ aufgeführt, die die anderen Örtlichkeiten in diesem Buch verbinden und darauf warten, erkundet zu werden.
Es folgen noch Generatoren für NSC, Tavernen, Flüche und die Gruppendynamik in Form von „Würfeltabellen“, manche mit einhundert Einträgen. Diese bieten mit ihren Kombinationen eine schier kaum zu fassende Menge an Möglichkeiten.
Kritik
Die acht Abenteuer sind fast alle originell und beinhalten neue, frische Ideen, wie beispielsweise in „Presto Bessero“. Normalerweise haben Spieler*innen in Abenteuern oft das Problem, gefundene Zaubertränke nicht auf die Schnelle in ihrer Wirkung einordnen zu können und anhand der Farbe des jeweiligen Trankes herausfinden zu müssen, wie er wirken könnte. Jedoch wirken die Tränke eigentlich immer, wie vom Hersteller gewünscht. In „Presto Bessero“ werden sie eines anderen belehrt. Nicht alle Szenarien sind aber wirklich originell: „Mutter will nur euer Bestes“ ist ein konventionelles Kultisten-beschwören-eine-Kreatur-Abenteuer; das einzige Ungewöhnliche daran ist eine Prise Humor, beispielsweise in Form einer beschworenen Wesenheit, die sich als pazifistisch herausstellen könnte. Das vierte Szenario, „Tödliche Scharade“, verwendet einen Kreaturentyp, der sich für Intrigen und die titelgebende Scharade gut eignet.
„Das Grabmal der Eidbrecherin“ hat einen besonderen Reiz aufgrund der Tatsache, dass es das Potenzial für eine gehörige Portion Tragik und Drama beinhaltet, jedoch dieses nicht voll ausschöpft. „Zu tief geschürft“ beinhaltet einen fast schon modern anmutenden Konflikt und stellt auch ein originelles Abenteuer dar. Eine NSC-Druidin wird im Datenblock ohne Gesinnung aufgeführt; da muss man improvisieren. Ich halte „neutral“, „chaotisch neutral“ oder „chaotisch gut“ für passende Gesinnungen. „Ein letzter Auftrag“ ist auch nicht ohne Reiz und besticht durch etliche NSC. „Der Portalkerker“ ist wohl das gefährlichste Abenteuer von den acht und stellt eine selten anzutreffende Art und Weise dar, Spieler*innencharaktere durch einen linearen „Dungeon“ zu lotsen.
Allen Szenarien ist zu eigen, dass sie zwischendrin in einem Abenteuer oder einer Kampagne eingeflochten werden können, um eventuelle Lücken darin zu schließen. So könnte man eine Reise, die bei „D&D“ oftmals nur durch Zufallsbegegnungen aufgelockert wird, durch eine Nebenqueste bereichern. Die Abenteuer sind für angehende und fortgeschrittene Charaktere gedacht, für wirklich hochstufige Abenteurer*innen ist nichts dabei. Leider muss dies mein Hauptkritikpunkt an diesen Nebenquesten sein.
Die vielen Örtlichkeiten, von Tavernen bis zu Tunneln, sind sehr nützlich und praktisch in jedem Fantasy-Rollenspiel verwendbar. Ich betrachte die wirklich vielen und vielfältigen Schauplätze als das Kernelement dieses Bandes. Hier findet man auf alle Fälle zumindest ein paar brauchbare, wahrscheinlich jedoch sogar eine ganze Reihe nützlicher Schauplätze für Abenteuer und Kampagnen, wie Tavernen und Läden in der Stadt und Örtlichkeiten bei Überlandreisen in der Natur. Negativ aufgefallen ist mir aber, dass mit einem Profil aufgeführte NSC ohne Spieldaten bleiben! Auch sind die möglichen Begegnungen selten freundlicher oder neutraler, oftmals aber feindseliger Natur. Das ist wohl nicht mehr ganz zeitgemäß, einseitig und schränkt das Rollenspiel im Sinne von Darstellung einer Rolle und sozialer Interaktion ein.
Bei den rollenspielspezifischen Begriffen ist mir aufgefallen, dass es einmal „Donnerschaden“ statt „Schallschaden“ heißt und einmal „Strahlungsschaden“ statt wohl „Energieschaden“ oder vielleicht auch „Gleißender Schaden“. „Donnerschaden“ und „Strahlungsschaden“ gibt es in „D&D 5E“ eigentlich nicht, man kann diese aufgrund ihrer Verwandtschaft mit den bekannten Schadensarten jedoch auch verwenden. Das steht dem Autor frei, zudem der Band ja auch für andere „5E“-Rollenspiele gedacht ist. Wenn man leicht die regelkonforme Schadensart bestimmen kann, besteht auch keine Gefahr, eventuelle Resistenzen und Immunitäten nicht bestimmen zu können. Rechtschreibfehler sind erfreulicherweise sehr selten.
Fazit: Der Band „Zufallsbegegnungen“ hat sicherlich seine Qualitäten; er wirkt aber auf mich nicht so rund wie „Fallen, Rätsel und Dungeons“. Man sollte aber bei dieser Kritik berücksichtigen, dass er sensationell günstig zu haben ist und das als Hardcover! Nützlich ist er auf alle Fälle, und man kann so manches Abenteuer damit bereichern.
The Game Master’s Book: Zufallsbegegnungen
Spielhilfe
Jeff Ashworth, Jasmine Kalle
Münchner Verlagsgruppe (Riva) 2024
ISBN: 978-3-7423-2074-2
288 S., Hardcover, deutsch
Preis: 20,00 EUR
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