The Crow: Ultimate Edition

Der Film „The Crow“ dürfte vielen ein Begriff sein. Der Graphic Novel, auf dem er basiert, ist allerdings eher ein Geheimtipp. 2020 brachte Dani Books eine deutsche Neuausgabe von diesem Graphic Novel heraus. „The Crow – Ultimate Edition“ enthält neue Szenen und ein Vorwort vom Autor, in dem dieser die Hintergründe zur Entstehung dieser einzigartigen Geschichte näher beleuchtet.

von Andrea Bottlinger

Irgendwann in den 1970ern verlor James O’Barr seine Freundin. Sie wurde von einem betrunkenen Mann überfahren, als sie gerade auf dem Weg war, um ihn abzuholen. Schuldgefühle plagten ihn seitdem. Er machte sich Vorwürfe, sie gebeten zu haben, ihn abzuholen. Hätte er das nicht getan, wäre sie noch am Leben. Ihr Tod hinterließ außerdem eine Leere in seinem Leben, mit der er schwer zurechtkam. 1981 begann er schließlich mit der Arbeit an einem Comic, in dem er all die Gefühle in Bezug auf ihren Tod verarbeiten wollte.

Von einer persönlichen Geschichte zum Welterfolg


Es gibt einen wichtigen Unterschied zwischen dem Film „The Crow“ und dem Comic, auf dem er basiert. Der Film hat die Geschichte unpersönlicher gemacht. Natürlich geht es sowohl im Comic als auch im Film um Eric Draven, der von den Toten zurückkehrt, um Rache an den Gangmitgliedern zu nehmen, die ihn und seine Freundin umgebracht haben. Doch wo im Film die Rückkehr von den Toten ein Geschenk ist und die Gangster tatsächlich einen Weg finden können, um Eric wieder sterblich zu machen, hatten die Gangster im Comic nie eine Chance. Es geht nicht darum, ob Eric es schafft, sie alle umzubringen. Sie können ihm nicht entkommen. Viel mehr geht es um Erics Schmerz, um seinen Umgang damit, um die Erinnerungen an ein schönes Leben, die ihn heimsuchen und und quälen, weil er so brutal aus diesem Leben gerissen wurde. Und es geht um seine Schuldgefühle. Darum, dass er denkt, er hätte irgendetwas tun müssen, um seine Freundin vor den Schrecken zu bewahren, die ihr angetan wurden.

Der Film war bei seinem Erscheinen der feuchte Traum aller Goth-Kids (dabei schließt die Autorin sich selbst nicht aus), sowohl von der Ästhetik als auch von der poetischen Art her, in der er Schmerz und Tod zelebriert. Der Comic hat dieselbe Ästhetik, aber noch einmal mehr Poesie. Die Art, wie der Autor Liedtexte und Gedichte zitiert und vollständig unironisch Zeilen schreibt wie: „Ein kranker Durst verdunkelt meine Venen.“, könnte fast schon zum Fremdschämen sein, wäre sie nicht gleichzeitig so authentisch. Unter all der Poesie steckt echter purer Schmerz, den der Autor in Comic-Form gegossen hat. Es ist ein Versuch, diesen Schmerz in die Welt hinauszuschreien, zusammen mit all der Wut. Wut auf sich selbst für das, was man versäumt hat zu tun, und Wut auf andere, die einem das genommen haben, was einem am wichtigsten war.

„The Crow“ ist nicht so sehr eine Geschichte und mehr ein Gemälde, das der Autor von seinen Gefühlen erschaffen hat. Das bedeutet auch, dass man hier keine unerwarteten Wendungen oder vielschichtigen Charaktere erwarten kann. Die meisten der Charaktere sind scherenschnittartig gezeichnet. Selbst Shelby, Erics Freundin, ist eher eindimensional. Sie wird in allen Rückblickszenen auf ein Podest erhoben, die perfekte Frau für Eric, ohne Ecken und Kanten und ohne eigene Agenda.

Fazit: Für das, was „The Crow“ sein soll, ist der Graphic Novel enorm gut. Es ist eines von diesen Werken, die einen bleibenden Eindruck hinterlassen und einen auch nach dem Lesen noch länger beschäftigen. Um das Werk tatsächlich zu würdigen, muss man sich aber darauf einlassen können, dass hier nicht tatsächlich eine Geschichte erzählt wird, sondern Gefühle zu Papier gebracht wurden. Leider ist die deutsche Übersetzung nicht allzu gut. Immer wieder stolpert man über zu wörtlich übersetzte Abschnitte oder ungeschickt formulierte Sätze. Allerdings wirkt „The Crow“ auch trotz dieser Mängel.

The Crow – Ultimate Edition
Graphic Novel
James O’Barr
Dani Books 2020
ISBN: 978-3-95956-130-3
272 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 25,00

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