Star Wars Roleplaying Game: Revised Core Rulebook

„Möge die Macht mit euch sein“, dachten sicherlich einige „Star Wars“-Fans, als 2000 die erste Edition des D20-Rollenspiels zu der berühmten Saga bei Wizards of the Coast erschien. Zur Überraschung vieler, gelang auch das Nachfolgespiel zur sehr populären D6-Reihe von WestEnd Games äußerst gut, das D20-System erfuhr einige sinnvolle Änderungen und dadurch eine sehr gut Spielbarkeit. Viele Wünsche der Fans wurden umgesetzt und die Macht flexibler gestaltet. Zum Kinostart von „Episode II“ kam 2002 eine überarbeitete Version des Grundregelwerks heraus. Die definitive für heutige SW-Rollenspieler?

von Marcello Marceddu

Da ich bei überarbeiteten Versionen eher skeptisch bin und meistens nur ein reines Errata erwarte, wurde ich vom Umfang des Buches positiv überrascht. Das über 380 Seiten starke Grundregelwerk ist in üblicher guter Wizard-Qualität gebunden und wirkt sehr robust. Vollfarbig und auf Hochglanzpapier gedruckt und mit Illustrationen beziehungsweise Filmbildern vollgepackt, erstrahlt das um fast 70 Seiten erweiterte Grundregelwerk beim ersten Durchblättern.

Auf den einleitenden Seiten wird wie üblich erklärt, was ein Rollenspiel ist, was man dazu braucht und es wird ein kleines Spielbeispiel gegeben, in dem eine Spieler-Runde eine Szene durchspielt. Des Weiteren wird kurz erläutert, wie man einen Charakter erstellt und man wird Schritt für Schritt durch die Erschaffung geführt.

Das erste Kapitel beschäftigt sich gleich mit den Grundattributen (Abilities) der Spielercharaktere: Stärke, Geschicklichkeit, Konstitution, Intelligenz, Willenskraft und Charisma. Vielen „D&D“-Spielern wird hier einiges bekannt vorkommen. Es gibt die Möglichkeit, seinen Charakter auszuwürfeln oder auch mit einem Kauf-System zu erstellen. Wobei die erstere von beiden Varianten sicherlich die Spaßigere ist.

Kapitel Zwei beschäftigt sich mit den verschiedenen Rassen (Species) und deren Vor- und Nachteilen. Dort merkt man auch gleich, warum das Regelwerk im zweiten Anlauf dicker ausgefallen ist. Anstatt 11 Rassen sind nun schon 17 Rassen im Grundregelwerk verfügbar und decken damit natürlich einen weit größeren Bereich ab, sodass man nun auch endlich einen Gamorreaner oder auch Darth Mauls Rasse, die Zabrak, spielen kann.

Kapitel Drei führt die Charakterklassen (Classes) ein. Neben den aus dem ersten D20-Regelwerk altbekannten „Fringer“, „Noble“, „Scoundrel“, „Scout“, „Jedi-Guardian“, „Jedi-Consular“, „Force-Adept“ und „Soldier“ findet man auch eine neue spielbare Klasse, den „Tech-Specialist“.

Alle Klassen erhalten, wie man es vom D20-System gewohnt ist, nach jedem Levelaufstieg weitere Vorteile und Boni auf ihre Fähigkeiten. Hier sind die Parallelen zu „D&D“ sehr groß. Positiv ist mir aufgefallen, dass Jedis nun schon zu Beginn die Möglichkeit erhalten, Blasterschüsse mit dem Lichtschwert zu parieren. Das war in der ersten Version erst nach längerem Spielen möglich und so ist man als Jedi mit seinem Lichtschwert eher wie ein Grashüpfer den Schüssen ausgewichen.

Selbstverständlich kann man auch Klassen kombinieren und Charaktere erstellen, die etwas flexibler in diesem Klassensystem sind. Also spricht auch nichts dagegen, einen Fringer (zu gut deutsch: Randweltler) zu spielen, der dann im Verlauf zu einem Jedi wird, ganz wie Luke Skywalker.

Das Kapitel Vier nimmt die Fertigkeiten (Skills) genauer unter die Lupe. Diese sind zum Glück (im Revised Core Rulebook) alphabetisch angeordnet und alle Macht-Fertigkeiten sind andersfarbig hervorgehoben. So kann man auch schnell mal nachschlagen und sucht nicht ewig, wenn man etwas wissen will.

In Kapitel Fünf folgen logischerweise die Vorteile (Feats). So gibt es auch hier allgemeine Vorteile und machtbezogene. Die sind allerdings nur für machtbegabte Charaktere zugänglich. Könnte sonst ja auch jeder daher kommen...

Das sechste Kapitel gibt den Spielern die Möglichkeit, ihrem Charakter noch mehr Leben einzuhauchen (Heroic Characteristics). So kann man etwa per Würfelwurf schnell Gewicht, Größe und Alter festlegen.

Einige Seiten später stoßen wir in Kapitel Sieben auf die Ausrüstung (Equipment). Hier gibt es alles, was das Herz begehrt. Von Lichtschwertern bis Repetierblastern findet sich fast alles an Waffen und Gegenständen, was man aus den Filmen so kennt.

Hier ist auch gleich eine sinnvolle D20-Regeländerung bei den Rüstungen zu vermelden. Anstatt den Verteidigungs-Wert zu erhöhen, verringern sie nun den Schaden, den Waffen verursachen. Das ist auch wesentlich logischer, denn jemanden mit einer Rüstung zu treffen, kann ja nicht schwieriger sein, als jemanden ohne.

Ja, wer hätte es gedacht, nach Kapitel Sieben folgt das Kapitel Acht. Hier ist das Kampfsystem untergebracht (Combat) und bringt mit schnellen und leicht verständlichen Regeln die Gefechte im Spiel sehr gut rüber. Eigentlich braucht man nur mit dem D20 über den Verteidigungswert des Kontrahenten würfeln und man trifft.

Das ist in langen Gefechten sehr von Vorteil, denn so kann man sich mehr aufs Erzählen Konzentrieren und vergleicht nicht ständig Werte. Modifikatoren wie beispielsweise Deckung oder Reichweite sind schnell abgezogen oder addiert.

Einziges Manko, das man erwähnen sollte, ist, dass die Wizards das Kampf-System sehr auf Miniaturen ausgelegt haben. So sind bei komplexeren Handlungen doch meistens ein paar Marker oder Figuren gut geeignet, aber nicht zwingend notwendig. (Abhilfe schafft hier heutzutage das „Star Wars Miniature Game“ von WotC, das neben den Hauptfiguren der Filme und Romane auch viele namenlose Aliens, Imperiale und Rebellen anbietet.)

Kapitel Neun beschreibt die Wege der Macht (The Force), den Jedi-Kodex und natürlich die verführerische Dunkle Seite. Hier wird auch erläutert, wie ein Jedi sein Lichtschwert selber bauen kann und wie Machtpunkte eingesetzt werden.

Diese Punkte kann man einsetzten, um seinen Würfelwurf zu modifizieren. Man erhält je nach Level dann einen oder mehrere D6, die dann auf das Ergebnis hinzugezählt werden. Auch Machtunbegabte haben Zugriff auf diese Punkte, allerdings können diese maximal fünf solcher Punkte erhalten, da sie die Macht nicht bewusst, sondern eher als Glück empfinden. (Siehe Han Solos Flug durch das Asteroidenfeld in „Das Imperium schlägt zurück“.) Dies ist eine schöne Möglichkeit, auch in brenzligen Situationen seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen und einen verunglückten Wurf zu retten.

In Kapitel Zehn und Elf finden wir die Fahrzeug (Vehicles) und Raumkampfregeln (Starships). Die sind auf der einen Seite zwar sehr gut, da sie wirklich fast jede Situation abdecken, aber auf der anderen Seite gerade für Anfänger sehr komplex und schon fast in ein eigenes Tabletop-System ausartend. Ohne Miniaturen und ein Battlegrid geht hier fast nichts. Ich rate daher eher zu Hausregeln oder zu einem abstrakteren System, da der Spielfluss doch sehr ins Stocken geraten kann.

Die Kapitel Zwölf bis Vierzehn bietet noch einen Spieleiterteil (Gamemastering, Eras of Play & Allies and Opponents), in dem einige Tipps zur Kampagnengestaltung gegeben sowie verschiedene Möglichkeiten erläutert werden, wie man eine Story am laufen hält. Zudem findet man einige Prestigeklassen, um seinen Charakteren noch mehr Entwicklungsmöglichkeiten zu geben. So kann man zum Beispiel ein „Jedi-Meister“ oder auch ein „Kopfgeldjäger“ werden.

Natürlich sind am Ende des vierzehnten Kapitels die Antagonisten zu finden, die komplett mit Werten versehen worden sind und damit auch sofort zum Einsatz bereit stehen. Somit hat man schnell eine Truppe imperiale Schergen zusammengestellt, die man auf seine Spieler hetzten kann. Zudem findet man auch die Werte berühmter „Star Wars“-Persönlichkeiten, darunter die von Darth Vader.

In Kapitel Fünfzehn wird einem noch die Möglichkeit eröffnet, einen Droidencharakter (Droids) zu verkörpern. Wer also schon immer mal in R2 D2s Fußstapfen treten wollte, kann dies nun getrost in Angriff nehmen.

Fazit: Abschließend kann ich mit ruhigem Gewissen jedem „Star Wars“-Fan, darunter auch Besitzern der D6- und der ersten D20-Edition, zum Kauf raten. Viele Kritikpunkte der Vergangenheit wurden ausgemerzt und zusätzlich viele sinnvolle Neuerungen eingebaut. Wer immer noch glaubt, die alte D6-Variante wäre die einzig wahre spielbare Version, sollte umdenken und diesem Produkt eine Chance geben. In diesem Buch sollte man alles finden, um seine Spielrunde durch die ersten Abenteuer zu bringen.


Star Wars Roleplaying Game: Revised Core Rulebook
Grundregelwerk
Bill Slavicsek, Andy Collins, JD Wiker
Wizards of the Coast 2002
ISBN: 078692876X
381 S., Hardcover, englisch
Preis: $ 39,95

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