Star Wars: Die Verschollenen

Die Entdeckung der Überreste des Extragalaktischen Flugprojekts in den Randbereichen der Galaxis entwickelt sich zu einer Begegnung mit der Vergangenheit voller Überraschungen. Luke Skywalker und Mara Jade begleiten eine Expedition zur Fundstelle des Wracks in die Unbekannten Regionen. Die Spurensuche auf den Fährten eines der eigenwilligsten Projekte aus den letzten Tagen der Alten Republik entwickelt sich zu einer riskanten diplomatischen Gratwanderung. Neben der imperialen 501. finden sich die unterschiedlichsten Interessensgruppen an Bord ein, von Vertretern der blauhäutigen Chiss, deren General Thrawn einst das Projekt des Jedi-Meisters C’baoth zum Scheitern brachte, über einen falschen Botschafter bis hin zu den undurchsichtigen Geroon, die eine offene Schuld begleichen wollen.

von Andreas Rauscher

 

Timothy Zahn belebte mit der Anfang der 1990er Jahre erschienen „Erben des Imperiums“-Trilogie nicht nur das nach kinderfreundlichen Spätausläufern wie den „Ewoks“-Filmen und der „Droids“-Trickserie etwas in Vergessenheit geratene „Star Wars“-Franchise erfolgreich wieder. Er versteht es auch wie kaum ein anderer „Star Wars“-Autor sowohl neue Charaktere einzuführen, als auch genügend Hintertüren für spätere Geschichten offen zu lassen Der von ihm geschaffene Gegenspieler Admiral Thrawn, der im Unterschied zum launigen Darth Vader auf Taktik und strategische Überlegungen setzt, und die Assassine Mara Jade, die als ehemalige Sonderagentin des Imperators ungewohnte Ambivalenzen in die weit entfernte Galaxis einbrachte, erscheinen gerade aufgrund ihrer komplexen Hintergrundgeschichten interessanter als die meisten anderen Charaktere des Expanded Universe.

Eines der spannendsten Ereignisse aus Thrawns Biographie war die durch ihn initiierte Zerstörung des Extragalaktischen Flugprojekts, mit dem die Alte Republik nach besiedelbaren Welten am Rande der Galaxis suchen wollte. Aufgrund der noch ausstehenden Prequel-Trilogie musste sich Zahn hinsichtlich der genaueren Umstände entsprechend bedeckt halten.

Nachdem mit „Die Rache der Sith“ 2005 die Saga offiziell abgeschlossen wurde, konnte er nun beinahe fünfzehn Jahre nach seinen ersten „Star Wars“-Romanen diese Leerstelle füllen und das Schicksal des exzentrischen, später von Thrawn geklonten Jedi-Meisters Jorus C’baoth mit den Machenschaften um Darth Sidious und die letzten Tage der Alten Republik verknüpfen. Wie das „Hand of Thrawn“-Epos, Zahns vorletzter Beitrag zum „Star Wars“-Universum, gestaltet sich „Die Verschollenen“ (engl. „Survivor’s Quest“) als Eröffnung eines Zweiteilers, dessen Vorgeschichte das 2006 in den USA erschienene, zur Zeit der Prequels angesiedelte „Outbound Flight“ bildet – bei uns demnächst unter dem Titel „Die Kundschafter“ erhältlich.

Die beiden Bände sollte man nicht unbedingt in ihrem chronologischen Ablauf, sondern in der Reihenfolge ihrer Veröffentlichung lesen. In „Die Verschollenen“ legt Zahn diverse offen bleibende Handlungsfäden an, die in „Die Kundschafter“ beantwortet werden. Auf raffinierte Weise versteht er es Spannung zu erzeugen, obwohl das tragische Schicksal der Expedition bereits seit „Erben des Imperiums“, Zahns allererstem Roman, bekannt ist. Charaktere wie der vermeintliche Botschafter Dean Jinzler, der sich auf der Suche nach dem Verbleib seiner verschollenen Jedi-Schwester Lorna befindet, wecken Interesse an den Ereignissen während des Extragalaktischen Flugprojekts, die erst im zweiten Roman geschildert werden.

Der zentrale Konflikt in „Die Verschollenen“ erinnert an „Star Trek“-Folgen wie „Reise nach Babel“ (TOS 2.10) oder „Das fehlende Fragment“ (TNG 6.21), in denen die Besatzung des Raumschiffs Enterprise in einer heiklen diplomatischen Angelegenheit zwischen konkurrierenden Fraktionen vermitteln muss. Wohl überlegt wählte Zahn als Protagonisten für den Roman ausgerechnet die seit dem Roman „Blick in die Zukunft“ liierten Luke Skywalker und Mara Jade, die sich als Jedis zwar perfekt auf beide Seiten der Macht verstehen, aber lediglich über ausgesprochen marginale Kenntnisse in Sachen diplomatische Einsätze verfügen.

Die ständigen Verunsicherungen über die wahren Beweggründe der Mitreisenden und die Konflikte zwischen den einzelnen Gruppen erfordern von allen Involvierten ruhige Nerven, einen scharfsinnigen Blick und den richtigen Umgangston. Es gibt keine geheimen Pläne, die an einen bestimmten Ort transportiert werden sollen, und auch keine rasante Abfolge von Cliffhanger-Situationen. Stattdessen versuchen Luke und Mara in einer bereits angespannten Lage, die keine weiteren Fehltritte mehr zulässt, ein zunehmend komplizierteres Intrigennetz zu durchschauen.

Die Vertreter der blauhäutigen Chiss-Dynastie, in deren Territorium die dreißig Jahre zuvor von Thrawn zerstörten Überreste der zum Extragalaktischen Flugprojekt gehörenden Dreadnaughts gefunden wurden, erweisen sich aufgrund ihres diffizilen Ehrenkodexes als grundsätzlich schwierige Verhandlungspartner. Die unscheinbaren Geroons, die eine alte Schuld begleichen wollen, verfolgen in Wirklichkeit denkbar andere Ziele und bilden einen unerwarteten Risikofaktor, und Dean Jinzler verstößt auf der Suche nach Informationen über seine ihm kaum bekannte Schwester mehrfach gegen die Spielregeln einer diplomatischen Mission. Um die ohnehin prekäre Lage noch weiter zu verkomplizieren, erscheinen Vertreter der aus dem realen Fandom in das fiktionale Universum übernommenen Elite-Sturmtruppen-Einheit der 501. an Bord des Chiss-Schiffes, um die ehemalige Hand des Imperators Mara Jade gebührend zu unterstützen. Ihr Auftritt verdeutlicht die veränderte Rolle des seit „Blick in die Zukunft“ mit der Allianz verbündeten Imperiums. Die ehemaligen Gegenspieler haben sich in „Die Verschollenen“ zu potenziellen Sympathieträgern entwickelt, denen Zahn auch eine eigene, im Anhang des Bandes enthaltene und zuvor lediglich im E-Book-Format publizierte Kurzgeschichte widmete.

Zur Überraschung aller Beteiligten finden sich an Bord der Überreste des Flugprojekts einige Überlebende des gescheiterten Unternehmens. In einer weiteren Plotkonstellation, die in dieser Form auch bei „Star Trek“ vorkommen könnte, zeigen sich diese von dem Plan, ihre improvisierte Behausung aufzugeben, alles andere als begeistert. In dieser ohnehin bereits schwierigen Situation geben sich einige Mitreisende als getarnte Saboteure zu erkennen und leiten ein actiongeladenes Finale ein, das eine reizvolle Abwechslung zur diskursiv orientierten Haupthandlung bietet.

Fazit: Mit „Die Verschollenen“ gelingt Timothy Zahn die spannende und eigenständige Fortführung eines Plots aus seiner in den frühen 1990er Jahren erschienen „Erben des Imperiums“-Trilogie. Zusammen mit dem Prequel-Roman „Die Kundschafter“ bildet der Roman die ideale Lektüre, wenn man gerade nicht die Zeit findet, sich einen umfangreichen Zyklus wie „Das Erbe der Jedi-Ritter“ (New Jedi Order) vorzunehmen. Für zusätzliche Abwechslung sorgt der stärker an die diplomatischen Konflikte aus „Star Trek“ als die „Star Wars“-typischen Abenteuergeschichten angelehnte Plot.


Star Wars: Die Verschollenen
Film/Serien-Roman
Timothy Zahn
Blanvalet 2007
ISBN: 978-3-442-36740-5
559 S., Paperback, deutsch
Preis: EUR 12,00

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