Star Wars – Das Kartenspiel

Es ist eine dunkle Zeit für die Galaxis. Mit der Waffengewalt der Imperialen Flotte hat das Galaktische Imperium seine Macht gefestigt, während im Zwielicht dicht besiedelter Welten und einsamen Festungen im Outer Rim mächtige Gangsterbosse die Unterwelt regieren. In den Schatten schmieden die Jünger der Dunklen Seite der Macht sogar noch boshaftere Pläne für die ohnehin schon geschundene Galaxis.

von Frank Stein

Doch nicht alle Hoffnung ist verloren. Erbittert wehrt sich die Allianz der Rebellen gegen die eiserne Faust des Imperiums. Schmuggler und andere Randgruppen eilen ihr zur Hilfe, während verborgen vor den Augen des Imperators und seiner finsteren Sith die letzten Überlebenden des Jedi-Ordens unermüdlich darum kämpfen, der Galaxis Frieden und Ordnung wiederzugeben.

So lautet der typische gelbe Rolltext zu Beginn des Regelwerks von „Star Wars – Das Kartenspiel“, und sieht man mal von dem Fauxpas ab, dass den Jedi die Peace-and-Order-Politik des Imperators in die Schuhe geschoben wird, gibt er einen ganz guten Eindruck davon, worum es in dem vorliegenden Spiel geht. Zwei Spieler (ab der „Das Gleichgewicht der Macht“-Erweiterung dann auch drei oder vier) kämpfen jeweils für die Helle oder die Dunkle Seite der Macht um die Vorherrschaft in der Galaxis. Jeweils drei Fraktionen stehen ihnen dabei zur Verfügung: die Imperiale Flotte, Sith sowie Abschaum und Kriminelle auf der Dunklen Seite, die Rebellenallianz, Jedi sowie Schmuggler und Spione auf der Hellen Seite.

Das Spielziel besteht für die Helle Seite darin, die Macht des Bösen zu brechen, indem drei sogenannte Einsatzziele des DS-Spielers zerstört werden. Die Dunkle Seite dagegen muss nur durchhalten, bis auf dem Ziffernblatt des telefonwählscheibenähnlichen Todessternanzeigers die 12 angezeigt wird. Dann haben die aktuellen Herrscher über die Galaxis den Rebellen und ihren Verbündeten lange genug getrotzt; ihre Macht ist ungebrochen. Um dies zu bewerkstelligen, wird das Duell der Karten geführt.

Zu Beginn wählen die Spieler ihre Seite der Macht sowie die Fraktion, mit der sie spielen wollen. Grundsätzlich sind alle Fraktionen einer Machtseite miteinander kombinierbar, aber wie so oft ist es effektiver, sich auf eine Fraktion zu konzentrieren, um Karten-Kombos besser nutzen zu können. Dann werden die Kartendecks zusammengestellt. Im Gegensatz zu anderen Trading Card Games oder Living Card Games, die ein völlig individuell zusammengestelltes Deck erlauben (was entsprechend viel Zeit und Mühe kostet, damit es was taugt), arbeitet „Star Wars – Das Kartenspiel“ mit einem innovativen Einsatzset-System, das heißt man stellt sein Deck aus Sets zu jeweils sechs Karten zusammen, die aufeinander abgestimmt sind und einen kleinen Themenblock bilden. Zu jedem Set gehören ein Einsatzziel und fünf Kommandokarten (Charaktere, Fahrzeuge, Ereignisse, Verstärkungen usw.). Ein Standarddeck besteht aus mindestens zehn Einsatzsets, im Grundspiel wird mit acht gespielt. Einsatzziele und Kommandokarten werden getrennt, beide Kartenstapel gemischt, dann wird die Starthand aus sechs Karten gezogen und drei Ziele werden aufgedeckt, die vom Gegner angegriffen werden dürfen.

Gespielt wird in Zügen zu je sechs Phasen, wobei erst ein Spieler alle Phasen beendet haben muss, bevor der andere an der Reihe ist. Dabei verwendet das Spiel viele Mechanismen, die man aus anderen Kartenspielen kennt. Karten im eigenen Spielbereich erzeugen Ressourcen, die genutzt (= fokussiert) werden können, um weitere Karten zu spielen oder ihre Eigenschaften zu verwenden oder sie im Kampf einzusetzen. Neben Einheiten (Charakteren und Fahrzeugen, wobei das nur Schlüsselworte sind, denn im Kampf macht es erstmal keinen Unterschied) kann man Verstärkungen spielen, etwa Piloten auf Raumjäger oder Waffen auf Charaktere. Außerdem gibt es Spielbereich-Verstärker, die meist Bonusressourcen bieten, und Ereigniskarten, die entweder durch eine bestimmte Aktion oder eine Situation ausgelöst werden oder aber beliebig gespielt werden dürfen. Genutzte Karten, also solche, auf denen ein Fokusmarker liegt, werden zu Beginn der nächsten Runde eines Spielers wieder spielbereit gemacht, wobei allerdings immer nur ein Marker pro Karte entfernt wird, sodass manche Karten zwei bis drei Runden aussetzen müssen, je nachdem, wie stark man sie erschöpft hat.

Nach der eben beschriebenen Aufmarschphase folgt die Konfliktphase. Um zu kämpfen, wählt der aktive Spieler ein Einsatzziel des Gegners aus (wobei er theoretisch jedes Einsatzziel einmal pro Spielzug angreifen darf) und schiebt seine angreifenden Einheiten in die Tischmitte. Genauso deklariert sein Gegner verteidigende Einheiten. Eine schöne Neuerung ist das Ringen um den Kampfvorteil, das heißt man bietet verdeckt Karten aus seiner Hand, um am Ende möglichst mehr Machtsymbole als der Gegner zu haben. Hier kommen auch sogenannte Schicksalskarten ins Spiel, Ereigniskarten, die den Kampf überraschend vorab verändern. Aufpassen muss man natürlich, wie viele Karten man bieten will, denn der eigene Einsatz kommt danach auf den Ablagestapel und ist weg. Man sollte vermeiden, im Spielzug des Gegners plötzlich kartenlos dazustehen und leichte Beute zu sein (denn nachgezogen wird erst wieder zu Beginn des eigenen Spielzugs).

Wer den Kampfvorteil hat, darf nicht nur den ersten Angriffsschlag führen, indem er eine Einheit fokussiert (und damit vielleicht schon einen Gegner tötet oder zumindest lahmlegt), er darf auch die Kampfsymbole der eigenen Einheiten nutzen, die nur im Falle eines Kampfvorteils aktiviert werden, wodurch die Einheiten effektiver werden – und mitunter überhaupt erst kampffähig. Mit den Kampfsymbolen – es gibt drei verschiedene – verletzt man feindliche Einheiten, legt sie für den Kampf lahm und beschädigt Einsatzziele, wobei jeder Effekt sofort eintritt, weswegen der Kampfvorteil ein wichtiges Element im Konflikt ist. Das ist ein schöner Mechanismus, denn er erfordert konstantes Abwägen, wie viele Handkarten man opfern kann und will, um in einem Kampf wahrscheinlich als Sieger hervorzugehen.

Zu guter Letzt wird in der den Spielzug abschließenden Machtphase geschaut, ob die Galaxis eher zur Hellen oder Dunklen Seite tendiert. Dazu können die Spieler ihre Einheiten der Macht verpflichten, was ihren Einsatz in einem Kampf teurer macht, aber dafür zählen die Machtsymbole im Karteneck am Ende des Zuges im Machtduell. Je nachdem, wer mehr Symbole aufweisen kann, wird der Gleichgewicht-der-Macht-Marker danach auf die Helle oder Dunkle Seite gedreht. Dies hat zu Beginn eines Spielzugs Bedeutung, denn liegt die Helle Seite im Spielzug des HS-Spielers oben, wird ein Einsatzziel des DS-Spielers beschädigt, liegt die Dunkle Seite im Spielzug des DS-Spielers oben, dreht er den Todessternmarker nicht ums eins, sondern um zwei weiter. Auch hier gilt es wieder, genau abzuwägen, wie viele Diener der Macht man sich im eigenen Spielbereich leisten kann, ohne dadurch die eigene Kampfkraft deutlich zu schmälern.

Alles in allem macht „Star Wars – Das Kartenspiel“ seine Sache sehr gut. Es stellt eine gute Mischung aus Bekanntem und Innovativem dar, ist leicht zu lernen, aber knifflig zu meistern. Das Grundset kommt mit allem daher, was nötig ist, um einige schöne Runden zu spielen. Dabei ist das Spielmaterial absolut hochwertig, wie man es von Fantasy Flight Games beziehungsweise dem Heidelberger Spieleverlag gewöhnt ist. Natürlich merkt man bereits, dass FFG Illustrationen recycelt, das heißt, man trifft auf Bilder von Raumjägern, die es auch schon auf den Karten des „X-Wing“-Miniaturenspiels gab, und die ein oder andere Szene wird wohl auch im kommenden „Edge of the Empire“-Rollenspiel zu sehen sein. Doch angesichts der Tatsache, dass hier Hunderte von neuen „Star Wars“-Illustrationen geschaffen wurden, bin ich mehr als bereit, darüber hinwegzusehen.

Wie gut die einzelnen Karten im Spiel funktionieren, wird erst die Zeit zeigen. In unseren Testspielen hatte die Jedi-Fraktion mit den Grundset-Karten keine Chance. Zu passiv waren die Effekte, zu schwach die Charaktere, um es mit dem Zorn der Sith aufzunehmen. Und auch in den Regional Championship Tournaments, die FFG jüngst abhielt, wurden die Decks der vier Bestplatzierten merklich von Allianz-Einsatzsets beherrscht, auch wenn zwei von vier Leuten auf dem Papier die Fraktion Jedi spielten. Andererseits sind solche Schwankungen in den Fraktionen normal und werden früher oder später durch Erweiterungen ausgeglichen. Letzten Endes ist es bloß eine größere Herausforderung für einen als Spieler, wenn man sich einer scheinbar schwächeren Fraktion annimmt.

Fazit: Fantasy Flight Games ist und bleibt ein Phänomen. Eben hat die Spieleschmiede mit „Star Wars – X-Wing“ den Markt für taktische Raumkampfspiele von hinten aufgerollt. Jetzt kommt mit „Star Wars – Das Kartenspiel“ ein Living Card Game, das allen, die noch heute dem Customizable Card Game von Decipher nachtrauern, Freudentränen in die Augen treiben dürfte und auch zahlreiche neue „Star Wars“-Fans an den Kartentisch ziehen sollte. Nun bin ich gespannt, wie „Star Wars – Edge of the Empire“ (übrigens das erste „Star Wars“-Rollenspiel seit 20 Jahren, das auch ins Deutsche übersetzt wird!) einschlägt.


Star Wars – Das Kartenspiel
Kartenspiel für 2 Spieler
Eric M. Lang u. a.
Fantasy Flight Games / Heidelberger Spieleverlag 2013
EAN: 4015566011793
Grundspiel mit 240 Karten, Spielanleitung, 1 Todessternanzeiger, 1 Gleichgewicht-der-Macht-Marker, 10 Schildmarkern, 42 Schadensmarkern, 44 Fokusmarkern, deutsch
Preis: ca. EUR 29,95

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