von Frank Stein
Band 112 der lang laufenden „Star Wars Comic-Kollektion“ versammelt den US-Vierteiler „The Stark Hyperspace War“, der von November 2001 bis Februar 2002, also relativ kurz nach Erscheinen von „Episode I: Die dunkle Bedrohung“, die Ausgaben #36 bis #39 der fortlaufenden Serie „Star Wars: Republic“ füllte, die – weitgehend chronologisch – Geschichten aus der Prequel-Ära, mit dem Fokus auf die Abenteuer einiger Jedi, erzählte. Mittlerweile sind das alles „Legends“, also nicht mehr Teil des Disney-Kanons (oder seines „Expanded Universe“). Entsprechend, wenn nicht gleich doppelt skeptisch, muss man auch den „Wahrheitsgehalt“ der B-Story dieses Sammelbandes sehen, in welcher der Schurke Vilmarh Grahrk „Die devaronianische Version“ (englisch: „The Devaronian Version“, #40 und #41 „Star Wars: Republic“) gewisser Geschehnisse zum Besten gibt. Aber ich greife voraus.
Zunächst geht es um Krieg und Politik in der Alten Republik. Ungewöhnlich dabei: Die ganze Handlung, die von John Ostrander geschrieben und von Davidé Fabbri gezeichnet wurde, findet nur in der Erinnerung einer Gruppe Jedi statt, die nach dem Besuch eines alten Bekannten im Jedi-Tempel vergangener Gräuel und Heldentaten gedenken. (Das Erzählen von Geschichten scheint die verbindende Klammer dieses Sammelbandes zu sein.) Die Exposition ist dabei so kompliziert, wie „Star Wars“ zu Prequel-Zeiten ganz gern mal war. So wird über Iaco Stark berichtet, der damals als eine Art Robin Hood – aber durchaus mit merkantiler Ader – Schiffe der Handelsföderation im Outer Rim angriff und die Waren dann den armen Randwelten preisgünstig überließ. Dabei gelang es ihm mit der Zeit, eine durchaus mächtige Organisation, das Stark-Handelskombinat, zu begründen, das allerdings nur aus Gaunern und Schmugglern bestand.
Dann kam es zu einer Katastrophe. Eine wichtige Fabrik für Bacta, das Allheilmittel im „Star Wars“-Universum, wurde zerstört, die Preise explodierten kurz darauf und Stark ging heftiger denn je gegen Transporte der Handelsföderation vor. Die verlangte ihm Senat nach einer militärischen Antwort, unterstützt durch den Hardliner Ranulph Tarkin (ein Cousin des berühmten Todesstern-Moffs Wilhuff Tarkin). Die Jedi, allen voran der Wookiee Tyvokka, wollten dagegen auf Diplomatie setzen, zu der sich auch Stark bereiterklärte. Doch als sich alle Parteien dann nach diesem Vorspiel auf dem Planeten Troiken trafen … nun ja, der Comic hieße nicht „Stark-Hyperraum-Krieg“, wenn die Sache friedlich über die Bühne gegangen wäre.
Der Comic spannt ein großes Gemälde auf kleinem Raum auf. Viele namhafte Jedi – Obi-Wan Kenobi, Qui-Gon Jinn, Yoda, Mace Windu, Plo Koon und Adi Gallia, aber auch Dark-Horse-Comics-eigene Recken wie Quinlan Vos, Aayla Secura und Meister Tholme – geben sich hier die Klinke in die Hand, um gegen Stark und die korrupten Elemente der Republik vorzugehen. Dabei kracht es ordentlich, doch bleibt der Konflikt – trotz Einsatz einer titelgebenden Waffe, die Navigationscomputer von Raumschiffen lahmlegt – letztlich auf Troiken begrenzt. Insofern klingt da Abenteuer größer als es letztlich ist, trotzdem liest es sich durchaus spannend und zeigt, wie komplex beziehungsweise galaktopolitisch „Star Wars“ zu Beginn der 2000er erzählt wurde. Dieser Fokus hat sich doch zuletzt deutlich „ins Kleine“ verschoben, hin zu persönlichen Abenteuer Einzelner.
Dazu passt zugegeben die zweite „Erzählung“ dieses Comics, nämlich die des devaronianischen Gauners Vilmarh Grahrk, der sich in einer Cantina brüstet, Jedi und Sith an der Nase herumgeführt zu haben. Angeheuert von „Bobo“ (andere kennen ihn auch als Darth Sidious) will er einen Aufstand der Yinchorri, herbeigeführt haben, um den Jedi ein wertvolles Artefakt aus ihrem Tempel zu stehlen. Die Kuriosität besteht hier vor allem darin, dass eine existierende Geschichte – ein US-Vierteiler aus dem Sommer 2000, zuletzt auf Deutsch erschienen in „Star Wars Comic-Kollektion 95: Rat der Jedi: Aufstand der Yinchorri“ – genommen und aus einer anderen Perspektive völlig verdreht und humoristisch überzeichnet nacherzählt wird.
Das Ganze ist vor allem als heiteres Experiment von Ostrander und Fabbri zu sehen, denn schon die Zuhörer bezweifeln arg, dass Villies Version sich so zugetragen hat. Einzelne Szenen, die wohl „die Wahrheit“ sein sollen, demontieren das Geprahle des Devaronianers obendrein nachdrücklich. Als B-Story ein schöner Zusatz, zumal die Abenteuer, an denen der schlitzohrige Gauner beteiligt ist, immer eine nette Bodenhaftung aufweisen und einen Gegenpol zum „elitären“ Geschehen in Senat und Jedi-Rat bieten.
Zum Drumherum muss nicht viel gesagt werden. Der Comic erscheint in der für die Kollektion typischen Aufmachung: im Hardcover, mit Einleitung und einer Cover-Galerie am Schluss. Visuell zeichnet er sich durch Detailfreude und gelungene Figurenzeichnung aus, ohne allerdings einen echten Wow-Effekt beim Leser auszulösen. Ich würde ihn daher in dieser Hinsicht im gelungenen, gehobenen Mittelfeld einordnen.
Fazit: Die 112. Ausgabe der „Star Wars Comic-Kollektion“ enthält zwei kurzweilige Ausflüge in die Zeit der Prequel-Ära. Während im ersten Abenteuer Action und Drama im Vordergrund stehen, bietet das zweite einen humorvollen Gegenpol. Ungewöhnlicherweise werden beide Geschichten „erzählt“ und zumindest den Wahrheitsgehalt der zweiten Schilderung darf man bezweifeln. Spaß daran werden jedoch vor allem Kenner haben, denn die „Republic“-Reihe, der beide Comics entstammen, zeichnete sich durch starke Geschlossenheit und viele Querverbindungen aus. Wer also Namen wie Quinlan Vos, Aayla Secura, Meister Tholme und Vilmarh Grahrk nicht einordnen kann und den „Aufstand der Yinchorri“ nicht gelesen hat, könnte beim Lesen zumindest das Gefühl bekommen, Wissenslücken zu haben.
Star Wars Comic-Kollektion 112: Der Stark-Hyperraum-Krieg
Comic
John Ostrander, Davidé Fabbri, u.a.
Panini Comics 2021
ISBN: 978-3-7416-1600-6
144 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 14,99
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